Awo-Affäre
Ministerium braucht fast 10 Jahre für neues Wohlfahrtsgesetz
Schwerin / Lesedauer: 2 min

Andreas Becker
Nein, zu großen Gefühlsregungen neigt Sebastian Ehlers in der Regel nicht. Doch am Ende der Vernehmungen von Staatssekretär Nikolaus Voss und Abteilungsleiter Hartmut Renken aus dem Sozialministerium wusste der CDU-Politiker nicht, ob er lieber weinen oder lachen sollte. Und so entschied sich Ehlers nach mehrstündiger Befragung der Zeugen für eine ironisch-sarkastische Bewertung: „Offen bleibt, warum die Umsetzung von mehr Transparenz in der Wohlfahrt fast neun Jahre gedauert hat.“
In der Tat: Fast das gesamte Jahrzehnt von 2010 bis Ende 2019 dokterte das Sozialministerium an der Erarbeitung eines Wohlfahrtsgesetzes herum. Erst kurz vor dem Jahreswechsel 2019/2020 verabschiedete der Landtag Mecklenburg-Vorpommerns dieses Gesetz – mit dem der Versuch gemacht wird, ein wenig mehr Transparenz in die oftmals undurchsichtigen Geldflüsse in die Taschen der Sozialverbände zu bringen.
Warum tat sich ein Ministerium so schwer, ein dringend notwendiges Gesetz zu erarbeiten? Sebastian Ehlers: „Das müssen wir mit der Vernehmung von weiteren Zeugen klären.“ Eines aber ist jetzt schon klar – und das wurde aus den Aussagen der Zeugen Voss und Renken deutlich: Das Sozialministerium steht offensichtlich permanent unter dem massiven Einfluss der Wohlfahrtsverbände. Ehlers machte das an einem Beispiel deutlich: „Die Verteilung der Landesmittel hat die Liga der Spitzenverbände der Wohlfahrt unter sich ausgehandelt. Sanktionsmöglichkeiten seitens des Sozialministeriums gab es nach Angaben der Zeugen nicht.“
Wohlfahrt drohen saftige Rückzahlungen
Ein Offenbarungseid für das Sozialministerium? „Eindeutig ja“, sagt Thomas de Jesus Fernandes, Obmann der AfD im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA). „Das Ministerium ist Bittsteller. Und wenn der Landesrechnungshof nicht jahrelang die umstrittenen Praktiken innerhalb der Finanzierung der Wohlfahrt massiv kritisiert und die Presse nicht etliche Skandale in der Wohlfahrt öffentlich gemacht hätte, würden wir heute immer noch auf ein Wohlfahrtsgesetz warten“, so de Jesus Fernandes.
Nicht zu vergessen: Erst nachdem die Missstände in den Sozialverbänden ans Tageslicht kamen, reagierte das Sozialministerium und ordnete an, dass die Wohlfahrt die Verwendungsnachweise für ihre erhaltenen Finanzspritzen aus der Landeskasse auch mit Belegen untermauern mussten. Zuvor hatte über Jahre für die Wohlfahrt der „einfache Verwendungsnachweis“ gegolten – das heißt: Ohne jeden Beleg durften Awo, DRK und Co. abrechnen.
Das dürfte ihnen jetzt noch teuer zu stehen kommen: Nach Informationen des Nordkurier drohen mehreren Wohlfahrtsverbänden saftige Rückforderungen von Seiten des Sozialministeriums. Allein auf den Awo-Landesverband könnten Rückforderungen in Höhe von 30.000 bis 40.000 Euro zukommen.
Zur Erinnerung: Der Landesrechnungshof hatte dem Awo-Landesverband bereits vor Jahren eine nicht „ordnungsgemäße Geschäftsführung“ attestiert.