Upahl

MV-Landtag lehnt Aufnahmestopp für Flüchtlinge ab

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Proteste vor Ort, Debatten in der Politik: Steigende Flüchtlingszahlen emotionalisieren die Bürger – die Landesregierung aber sieht die Vorteile der Migration.
Veröffentlicht:23.03.2023, 05:08

Von:
  • Andreas Becker
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Es ist ein politischer Reflex im Schweriner Schloss: Stellt die AfD als größte Oppositionspartei einen Antrag, verursacht dies bei SPD, Linken, CDU, Grünen und FDP parteiübergreifende Ablehnung. Ein Blick in das Lexikon verdeutlicht, dass ein Reflex unwillentlich, unwillkürlich und größtenteils ohne Beteiligung des Gehirn ausgelöst wird. Nun, letzteres wäre sicherlich nicht gut für die politische Debattenkultur im Landtag – allerdings erleichtert dieser sichtbare Reflex den Überblick über die politische Gefechtslage.

Kommunaler Aufnahmestopp führe zu Chaos

Wenn also die AfD fordert, in der Flüchtlingspolitik den Kommunen und Landkreise hinsichtlich der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen mehr Entscheidungsgewalt zuzubilligen, sagen die anderen Parteien übereinstimmend nein. Heißt konkret aus den Mündern von SPD, Linke, CDU, FDP und Grünen: Wenn eine Kommune beispielsweise die Möglichkeit hätte, einen Aufnahmestopp verhängen zu dürfen, würde das in anderen Kommunen zum Chaos führen. „Alle sind am Limit“, so Ann-Christin von Allwörden (CDU) stellvertretend für die Mega-Anti-AfD-Koalition.

Horst Förster, ehemaliger Richter am Amtsgericht Neubrandenburg und heute Landtagsabgeordneter der AfD, wollte diese Position der Landtagsmehrheit nicht akzeptieren. „Die Verweigerung der Feststellung der Realität mündet in der Überforderung. Und genau diese Überforderung und der Missbrauch des Asylrechts beinhalteten riesigen sozialen Sprengstoff“, sagte Förster mit Blick auf Kommunen wie Upahl, wo in einem 500-Seelen-Dorf Container für 400 Flüchtlinge aufgebaut werden sollten. Allerdings hat mittlerweile sogar die Justiz diesem offensichtlichen Missverhältnis ein Stoppschild gesetzt.

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AfD: Nötiges Personal für Integration fehlt

Försters Parteikollege Jan-Phillip Tadsen ergänzte: „In der aktuellen Migrationspolitik ist entscheidend, dass die Integrationsfähigkeit unseres Landes wiederhergestellt wird. Die Regierung ist aber sehr weit entfernt davon, das nötige Personal in den neuen Unterkünften, den Kitas, den Schulen, in den Ausländerbehörden, bei der Polizei und auch in den Jobcentern bereitstellen zu können.“ Genau das sei das Verantwortungslose an der Politik von Rot-Rot gegenüber unseren Kommunen.

Aussagen, die René Domke für rechtlich bedenklich hält. „Sie stacheln die ohnehin in den Kommunen angespannte Situation mit ihrem Antrag an. Sie schüren Hass und diffuse Ängste“, schmetterte der FDP-Fraktionsvorsitzende in Richtung AfD-Riege. Stattdessen brachte Domke den FDP-Vorschlag der Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle ins Spiel. Mit einer solchen Stelle könnte die Überforderung von einzelnen Kommunen oder Landkreisen vermieden werden.

Grüne stellen sich gegen Ausgrenzung

Soweit wollte Anne Shepley von den Grünen gar nicht gehen – sie verurteilte die „Ausgrenzung und Ausländerfeindlichkeit“ der AfD und machte deutlich, dass die Landkreise sehr wohl Spielräume bei der Aufnahme von Flüchtlingen hätten. „Ihr Antrag atmet den Geist des Spruches 'Wehret den Anfängen'“, holte die grüne Landtagsabgeordnete die Geschichts-Keule hervor.

Etwas weniger emotional arbeitete Innenminister Christian Pegel (SPD) das Thema ab. „Beim Flüchtlingsgipfel hätten die Kommunen sich zu den Chancen bekannt, die Migration bietet. Wir brauchen den Zuzug von Menschen – gerade auch auf dem Arbeitsmarkt“, betonte Pegel. Die Grenzen einfach dicht zu machen, würde schaden. Zumal auch die Zahl der Straftaten, an denen Flüchtlinge beteiligt seien, nicht explodiert sei. „Es können nicht alle haften, weil einer kriminell ist“, so der Innenminister.

Ende der Debatte? Nicht ganz. Denn zum Schluss setzte René Domke einen Punkt, mit der er den ausgelösten Reflex bei AfD-Anträgen ein wenig abmilderte. „Dieser Verschiebebahnhof bei der Flüchtlingsfrage in den Zuständigkeiten zwischen Landkreis und Kommunen gefällt mir gar nicht“, legte der FDP-Politiker den Finger in eine offenbar durchaus vorhandene politische Wunde.