Migration

Nach Schleuser-Festnahme werden in MV wieder Grenzkontrollen diskutiert

Linken/Pomellen / Lesedauer: 6 min

Die Festnahme einer mutmaßlichen Schleuserin und 17 erwischte Migranten in Südvorpommern heizen die Diskussion um die Einwanderungspolitik weiter an. 
Veröffentlicht:15.08.2023, 19:45

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Die Festnahme einer 39–jährigen Ukrainerin in Ladenthin (Vorpommern–Greifswald), die sich offenbar als Schleuserin betätigt hat, sowie die 17 von der Bundespolizei erwischten Migranten, die in den vergangenen Tagen aus Polen nach Vorpommern kamen, lassen Politiker aufhorchen. Franz–Robert Liskow aus Demmin, Vorsitzender der CDU–Fraktion im Landtag, forderte am Dienstag die Wiedereinführung flexibler Grenzkontrollen.

Liskow: Grenzkontrollen dienen Sicherheit und Ordnung

„Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ist eine gezielte Kontrolle des Personenverkehrs unverzichtbar, um die Aufnahme von Schutzbedürftigen zu lenken und Schleuserkriminalität zu bekämpfen“, teilte der Landespolitiker mit. Grenzkontrollen seien „ein fundamentales Recht jedes Landes und ermöglichen die eigenverantwortliche Entscheidung über Einreise und Aufenthalt“.

Franz–Robert Liskow, der Fraktionschef der CDU im Landtag von Mecklenburg–Vorpommern (Foto: Jens Büttner/dpa)

Mit grundsätzlicher Einschränkung von Freiheit hätten Überprüfungen an Grenzübergängen nichts zu tun. Vielmehr würden sie „der Sicherheit und der Ordnung dienen, zumindest so lange, wie die EU–Außengrenze nicht effektiv geschützt wird“. „Verstärkte Grenzkontrollen stehen einer Zusammenarbeit der EU–Länder nicht im Wege, sie sind eine Ergänzung zur gemeinsamen Sicherheitspolitik.“

Flüchtlinge bei Penkun zu Fuß unterwegs

Ähnlich sieht das Parteikollegin und Penkuns Bürgermeisterin Antje Zibell, die sich wie andere Penkuner mit Beginn der Flüchtlingswelle im Jahr 2021 für Ukrainer eingesetzt hat, die vor dem Krieg geflohen waren. Durch ihr persönliches Engagement weiß sie, dass Helfer an persönliche Grenzen geraten und Hilfsorganisationen ausgelastet sind. Wenn Einwanderung stärker kontrolliert werden würde, „könnte man denjenigen helfen, die wirklich Hilfe brauchen“.

Penkuns Bürgermeisterin Antje Zibell (CDU). (Foto: NK-Archiv)

Die Freiheit von Berufspendlern, Tanktouristen oder anderen Reisenden werde keineswegs eingeschränkt, wenn sie an der Grenze ihren Ausweis zeigen müssen. „Wer nichts zu verbergen hat, den stört eine kurze Ausweiskontrolle nicht.“ Wer so nah an der Grenze wohnt wie sie, bekomme regelmäßig Polizeieinsätze wegen illegaler Grenzübertritte mit. Nicht selten würden Flüchtlinge aus allen möglichen Ländern im Penkuner Umfeld zu Fuß angetroffen.

Solche Begegnungen gehören auch bei Blankensees Bürgermeister und Vorsteher des Amtes Löcknitz–Penkun Stefan Müller (CDU) zum Alltag. Die Forderung seines Parteikameraden nach ständigen Kontrollen hält er aber für übertrieben. „Die Dunkelziffer der unerlaubten Einreise nach Deutschland ist sicher hoch. Dass Schleuser dabei bestens verdienen, halte ich für höchst bedenklich. Dass die Migranten, meist aus Afghanistan, Somalia, Sudan und Marokko, wieder vermehrt über Belarus und Polen nach Deutschland kommen und das häufig mit Hilfe ukrainischer Schleuser, ist in der Grenzregion kein Geheimnis. Auch dass diese kriminellen Schleuser teilweise einen gültigen Aufenthaltstitel für Deutschland haben, ist bekannt“, so der Kommunalpolitiker.

Stefan Müller, Bürgermeister von Blankensee nahe der polnisch-deutschen Grenze, berichtet von Sorgen und Mitgefühl bei den Anwohnern der Region. (Foto: ZVG)

„Die Bewegungen im Grenzraum haben aber lange nicht die Intensität der vergangenen Jahre. Das halte ich für einen Verdienst der Sicherheitskräfte, besonders der Bundespolizei. Temporäre Kontrollen an der Grenze und im Hinterland sind ein profanes Mittel illegale Migration zu behindern.“ Er unterstütze konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. „Nicht jeder, der zu uns kommt, darf auch bei uns bleiben. Ansonsten wird die Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung sinken.“

Engmaschige Kontrollen gefordert

Deutliche Worte findet auch Enrico Komning aus Neubrandenburg, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im Bundestag. „Der Vorfall am Wochenende zeigt, dass hier ein hoher Organisationsgrad, Professionalität und ein großes Maß an krimineller Energie am Werk waren. Die explodierende Anzahl illegaler Einwanderer gerade an der vorpommerschen-polnischen Grenze zeigt die Grenzenlosigkeit der Gleichgültigkeit der Landes- und Bundesregierung bei diesem Thema.“

Enrico Komning, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Neubrandenburg (Foto: Archiv/Daniel Bockwoldt)

Seine Partei fordere seit Jahren, „die deutschen Grenzen engmaschig zu kontrollieren“. „Illegale Einwanderung ist eines der drängendsten Probleme der Gegenwart.“

Gegen routinemäßige Kontrollen des Grenzverkehrs spricht sich hingegen Julian Barlen von der SPD–Landtagsfraktion M–V aus. „Wir stehen für situative und gezielte Kontrollen statt Grenzstaus. Wenn die CDU und die AfD nun die Wiedereinführung von Grenzkontrollen fordern, fordern sie die Rückkehr zu langen Staus und einer massiven Einschränkung des Grenzverkehrs von Wirtschaft, Tourismus und Bevölkerung“, sagt der Rostocker. Der jüngste Bundespolizeieinsatz in Südvorpommern  bestätige, „dass die aktuelle Herangehensweise funktioniert. Der Kontrolldruck zeigt Effekte“.

Julian Barlen, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion (Foto: Jens Büttner)

Behinderungen der Anwohner befürchtet 

Von generellen Grenzkontrollen hält auch der für die Uecker–Randow–Region zuständige Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki (SPD) aus Greifswald nichts. Aus seiner Sicht sollte die Bundespolizei die Kontrollen hinter der Grenze verstärken und verdächtige Fahrzeuge noch mehr kontrollieren. „Es gibt hier einen Grenzpendelverkehr. Bei Grenzkontrollen würde es da enorme Behinderungen für die Anwohner der Region geben.“

SPD-Bundestagsabgeordneter Erik von Malottki (Foto: Archiv/Frank Wilhelm)

Kritik ernten CDU und AfD von Michael Noetzel aus Rostock, dem innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Landtag. „Möglicherweise verfügt Frank–Robert Liskow über exklusives Wissen bezüglich der Verknüpfung einer akuten Bedrohung und der aktuellen Migrationsbewegung an der Landesgrenze zu Polen. Über diese Kenntnisse sollte er dann aber informieren. Immerhin trifft die Feststellung zu, dass die Bundespolizei für Grenzkontrollen zuständig ist. Damit ist auch die Grenze der Zuständigkeit eines Vorsitzenden der CDU–Landtagsfraktion erreicht. Wer über Außengrenzen fabuliert, sollte sich zunächst über die eigenen Grenzen im Klaren sein.“

Der innenpolitische Sprecher der Linken-Fraktion MV, Michael Noetzel (Foto: Jens Büttner/dpa/Archivbild)

„Schleusern muss Handwerk gelegt werden“

René Domke, Vorsitzender der FDP–Landtagsfraktion, sieht die gesamte Europäische Union in der Pflicht. „Wenn Werte und Freiheiten der EU bedroht sind, muss Europa, vor allem die Schengenstaaten, insgesamt antworten — und zwar an den EU–Außengrenzen. Schleusern muss gemeinsam das Handwerk gelegt werden“, sagt der Wismarer. 

René Domke, Fraktionschef der FDP im Landtag von Mecklenburg–Vorpommern. (Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild)

„Es war die große Errungenschaft Europas, die Schlagbäume einzureißen, nun sollen wieder welche entstehen. Es ist ein trügerisches Gefühl von Sicherheit, wenn man nun innerhalb des Schengen–Raums Grenzkontrollen einführt. Irregulärer Einwanderung muss gesamtheitlich begegnet werden, sie findet sonst ihre Wege auch trotz der Grenzkontrollen.“

Die Grünen–Fraktion des Landes äußerte sich am Dienstag nicht zur Nordkurier-Anfrage.

Rückblick: Über 1000 Flüchtlinge in zwei Monaten – Ein Besuch an der deutsch-polnischen Grenze 


Hintergrund

Die Migranten aus Afghanistan, dem Iran, Somalia, Sudan sowie Marokko, die zwischen Sonnabend und Montagfrüh bei Ladenthin und Grambow aufgegriffen wurden, waren in vier Gruppen über die Grenze gekommen. Als Routen gaben sie laut Bundespolizei an, über Russland, Belarus und Polen sowie über Lettland und Polen gekommen zu sein.

Hinweise aus der Bevölkerung hatten dazu geführt, dass die Migranten und die mutmaßliche Schleuserin erwischt wurden. Die 39-Ukrainerin mit Aufenthaltserlaubnis gab laut Bundespolizei an, mit ihrem Auto vier Afghanen und einen Iraner mit dem Pkw für 150 Euro pro Person von der belarusisch-polnischen Grenze nach Vorpommern gefahren zu haben. Dort wurde sie von der Polizei kontrolliert und dann festgenommen sowie ihr Auto beschlagnahmt.

Ein aufgegriffener Marokkaner, der weiter nach Frankreich wollte und kein Asylschutz beantragte, war sofort nach Polen abgeschoben worden, hieß es von der Bundespolizei. Die anderen festgestellten Personen beantragten Asyl und wurden nach Stern Buchholz in die Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet.