EuGH-Gutachten

Nord Stream 2 kann gegen EU-Gasrichtlinie klagen

Luxemburg / Lesedauer: 4 min

Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs ist eine Klage der Ostseepipeline-Betreiber vom Gericht der Europäischen Union zu unrecht abgewiesen worden.
Veröffentlicht:06.10.2021, 17:59
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  • Author Imagedpa
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Im Streit um die geänderte europäische Gasrichtlinie kann die Nord Stream 2 AG nach einem Gutachten des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) wieder hoffen. Die Klage der Ostsee-Pipeline-Betreiber gegen die geänderte EU-Gasrichtlinie ist laut dem am Mittwoch veröffentlichten Gutachten zuvor zu Unrecht abgewiesen worden. Das Unternehmen ist nach Ansicht des Generalanwalts Michal Bobek durchaus klagebefugt. Inhaltlich nahm er keine Stellung zur Klage. (Rechtssache C-348/20 P)

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Die Nord Stream 2 AG hatte vor dem Gericht der Europäischen Union geklagt, weil es neue Regeln für Gasleitungen für nichtig erklären lassen wollte. Diese waren nach Baustart der kürzlich fertiggestellten Gaspipeline von Russland nach Deutschland in Kraft getreten und enthalten etwa Vorgaben zur Entflechtung von Gasvertrieb und Pipeline-Betrieb.

Das EU-Gericht hatte die Klage abgewiesen. Aus damaliger Sicht der Richter müsste Nord Stream 2 vor deutschen Gerichten klagen, da die Umsetzung in nationales Recht entscheidend sei. Den Beschluss hatte das Unternehmen vor dem EuGH angefochten.

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Das EuGH-Gutachten widerspricht nun der Auffassung des EU-Gerichts. Die geänderte Richtlinie betreffe die Nord Stream 2 AG unmittelbar, weil sie nur einen gewissen Spielraum zur Umsetzung auf nationaler Ebene gebe. Die Gasfernleitung sei auch individuell betroffen. Wegen des Zeitpunkts des Erlasses könne Nord Stream 2 im Gegensatz zu anderen Projekten keine Abweichung oder Ausnahme von den Regeln in Anspruch nehmen.

Kremlsprecher weist Manipulation zugunsten hoher Gaspreise zurück

Der Generalanwalt empfiehlt, den Beschluss der niedrigeren Instanz aufzuheben und die Klage zur inhaltlichen Prüfung an das EU-Gericht zurückzuweisen. Die Richter am EuGH sind nicht an die Gutachten gebunden, folgen ihnen aber häufig. Das Urteil des EuGH wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.

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In den vergangenen Woche wurden immer wieder Vorwürfe laut, Russland würde durch Manipulationen für steigende Gaspreise sorgen, um so eine schnelle Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu erwirken. Diese Anschuldigungen hat nun ein Sprecher des Kreml kategorisch zurückgewiesen und das Augenmerk auf die Klimapolitik in der EU gerichtet. „Wir bestehen drauf, dass Russland keine Rolle dabei spielt, was auf dem Gasmarkt in Europa vor sich geht”, sagte Dmitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. „Nur Nicht-Profis, Leute, die das Wesen der Vorgänge nicht verstehen, können hier Russland in diesem Zusammenhang erwähnen”, sagte der Kremlsprecher weiter.

Der Vertraute von Präsident Wladimir Putin wies vielmehr darauf hin, dass in der EU einige Faktoren zusammenkämen, die Einfluss hätten auf die Energiepreise. So sei einerseits der Energiebedarf nach dem Ende von Einschränkungen in der Corona-Pandemie wieder hoch, die Wirtschaft nehme an Fahrt auf, sagte Peskow. Andererseits setze die EU auf erneuerbare Energien, die wie im Fall der Windenergie unberechenbar seien. So hätten etwa Windenergieanlagen zuletzt nicht die erwartete Leistung gebracht.

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„Das hängt auch einfach mit den Klimaveränderungen zusammen – es gibt dort Windstillen, und dann entsteht wenig Energie aus der Windkraft”, so Peskow. Nach russischen Angaben musste in der Folge auf Gasreserven zurückgegriffen werden, weshalb die Speicher weniger gut gefüllt seien als sonst. Die russische Seite erfülle alle Verträge, betonte Peskow. Die Lieferungen seien schon jetzt im Rekordbereich. Russland warnt immer wieder davor, sich zu sehr auf erneuerbare Energien zu verlassen. In der Gas- und Ölgroßmacht liegt der Anteil an erneuerbaren Energien bei gerade einmal einem Prozent.

Zudem sei der Staatskonzern Gazprom bereit, mit Kunden neue langfristige Verträge abzuschließen, hieß es. Der Energieriese hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass er einen schneereichen und kalten Winter erwarte, der gut fürs Geschäft sei. Gazprom und der Kreml hatten auch erklärt, dass eine rasche Inbetriebnahme der fertigen Gaspipeline Nord Stream 2 dabei helfen könne, um etwas gegen die „Energiekrise” in Europa zu tun und die Lage auf dem Gasmarkt zu entspannen. Einen Starttermin gibt es aber bisher nicht.