StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernPolit-Dino aus MV nimmt nach 31 Jahren seinen Hut

Eckhardt Rehberg

Polit-Dino aus MV nimmt nach 31 Jahren seinen Hut

Bartelshagen / Lesedauer: 6 min

Nein, in diesem Text geht es nicht um Angela Merkel – sondern um CDU-Urgestein Eckhardt Rehberg. Im Windschatten der scheidenden Bundeskanzlerin nimmt auch er mit der Wahl seinen Hut.
Veröffentlicht:12.09.2021, 15:23

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„Jegliches hat seine Zeit“, zitiert Eckhardt Rehberg einen berühmten Liedvers der Puhdys. Nach 31 Jahren müsse Schluss sein. „Ich will auf keinen Fall wieder ins Hamsterrad.“

Aber noch dreht es sich, das Hamsterrad, noch bestimmt Stress den Alltag. Am vergangenen Wochenende wollte sich der 67-Jährige auf seine Suzuki schwingen und sich mit alten Kumpels zum Bikerausflug treffen. Doch kurzfristig wurde zur Videoschalte geladen, um über wichtige finanzielle Auswirkungen eines neuen Vorschlags von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu beraten. Wenige Tage später ging es zur Bundestagssitzung nach Berlin. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit die letzte gewesen sein für Eckhardt Rehberg, der vor16 Jahren den Sprung in das Parlament im Reichstagsgebäude geschafft hat und nun nicht mehr zur Wahl antritt. „Ich werde den Stress nicht vermissen“, sagt er.

Als junger Katholik 1984 in die CDU eingetreten

Der gelernte Informatiker, der seinen beruflichen Werdegang im Faserplattenwerk Ribnitz-Damgarten begann, wechselte später zur Firma Ostseeschmuck im gleichen Ort und stieg dort nach der Wende zum Geschäftsführer des seinerzeit fast 700 Mitarbeiter zählenden, einstigen Exportbetriebes auf. Schon mit dem Firmenwechsel 1984 war der katholisch aufgewachsene junge Mann in die CDU eingetreten. Rehberg wurde Bürgermeister in Bartelshagen und später in den ersten Landtag Mecklenburg-Vorpommerns gewählt.

Während einer Dienstreise wurde er in Abwesenheit zum CDU-Fraktionschef gewählt. Die ersten Jahre im neuen Bundesland im Nordosten seien eine aufregende und arbeitsreiche Zeit gewesen, erinnert sich Rehberg. „Wir hatten keine Juristen. Es regierten Leute, die aus dem Beruf kamen und viel Praxiserfahrung hatten. Die haben sehr pragmatisch gearbeitet.“ Mehr als 200 Vollgesetze wurden in der ersten Legislaturperiode verabschiedet, gesellschaftliche Grundlagen geschaffen. Es ging Schlag auf Schlag: die Landesverfassung, die Kommunalgesetzgebung, der Aufbau von Polizei und Justiz, die Neustrukturierung der Landwirtschaft, die Werftenkrise.

Eine lang andauernde Rivalität mit Ringstorff

Mit verheißungsvollen Umfragewerten von rund 40  Prozent ging Rehberg als CDU-Landeschef und Spitzenkandidat ins Wahljahr 2002. „Doch kurz vor der Wahl machten die Oderflut und der Irak-Krieg einen Strich durch die Rechnung“, erklärt er die unerwartete Niederlage. Sein 2020 gestorbener SPD-Rivale Harald Ringstorff konnte die von Rehberg stets heftigst kritisierte rot-rote Koalition fortsetzen.

Acht Jahre Rot-Rot hätten damals das Land nicht vorangebracht, sondern dem Image enorm geschadet, behauptet Rehberg. Als Ministerpräsident in einer Koalition mit der FDP hätte er viel früher auf Forschung und Innovation gesetzt. „Wir hatten einen besseren Draht zum Bund, und wir hatten manche Chance“, sagt er und denkt dabei an Ansiedlungsprojekte von Airbus über BMW bis zum Transrapid.

„Rehberg hat manchmal versucht, mit dem Kopf durch die Wand zu kommen“, erinnert sich Agrarminister Till Backhaus (SPD). Er spielt besonders auf die Rivalität zwischen Ringstorff und Rehberg an, die über Jahre das Verhältnis von CDU und SPD prägte. Der CDU-Mann habe ordentlich ausgeteilt und Ringstorff das Gespräch verweigert. Das Verhältnis der beiden habe sich nie verändert. Er jedoch habe nach einer nächtlichen Aussprache einen guten Draht zu Rehberg gefunden, sagt Backhaus.

Zur Kanzlerin: „Wir schätzen uns”

Angela Merkel (CDU), die ebenfalls im Nordosten ihre politische Heimat hat, hatte Rehberg nach seiner Niederlage gebeten, Landeschef zu bleiben. 2005 gelang ihm der Sprung in den Bundestag, wo er sich beharrlich zum einflussreichen Haushaltsexperten hocharbeitete. „Wir schätzen uns, ich habe viel Respekt vor ihrer Arbeit“, beschreibt Rehberg sein Verhältnis zur Kanzlerin. Es werde aber viel in das Verhältnis „hineingeheimnist“.

„Ich habe mit Eckhardt Rehberg fast 30 Jahre politisch zusammengearbeitet“, sagt Merkel, die nach dem 26. September ebenfalls aus dem Bundestag ausscheidet. „Ich konnte mich immer auf ihn verlassen.“ Sie bewundere sein Wissen, seine Energie und Kraft. „Er kennt Land und Leute und ist immer bereit, für deren berechtigte Anliegen zu streiten“, lobt sie ihren stets loyalen Weggefährten. Rehberg, der Merkel 1990 kennengelernt hatte, sagt, er habe stets den kurzen Draht zu ihr, zähle sich aber nicht unbedingt zu ihren Vertrauten. Er zolle der Kanzlerin höchsten Respekt. „Ich habe noch nie einen Menschen in drei Jahrzehnten mit mehreren Krisen so wachsen sehen wie sie.“

In Berlin müsse jeder durch Arbeit überzeugen, „meinen Weg bin ich alleine gegangen“, bekräftigt er allerdings. Die Position als mächtiger haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU habe er sich erarbeitet. Er habe eigene Netzwerke aufgespannt und Vertrauen auch zu anderen Fraktionen hergestellt, sogar zu den Linken.

Selbst der linke Dietmar Bartsch lobt den politischen Kontrahenten

Rehberg habe für Mecklenburg-Vorpommern immer viel herausgeholt, bestätigt auch der Bundestagsfraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch. „Wir haben uns im Plenum nichts geschenkt, wir haben aber bei konkreten Dingen für MV wirklich gut zusammengearbeitet.“ Immer wenn es notwendig war, habe es den kurzen Draht gegeben, „was sich für das Land ausgezahlt hat“, sagt der gebürtige Stralsunder. Diese gemeinsamen regionalen Interessen seien abseits der Differenzen von großer Bedeutung.

Auch mit der Stralsunder SPD-Abgeordneten Sonja Steffen verband Rehberg eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Großprojekte wie der Ausbau des Rostocker Seekanals, die Ansiedlung mehrerer Institute im Nordosten und die Marineaufträge für die Peene-Werft, aber auch jetzt noch anstehende Vorhaben wie die Sanierung des Pommernschlosses Ludwigsburg, die Darßbahn oder der Umbau des Meeresmuseums hätten ohne den „Strippenzieher“ kaum durchgesetzt werden können.

Die bewegendsten Entscheidungen, an denen er eingebunden war, seien der erste Haushalt 2015 ohne neue Schulden gewesen und die Corona- und Flut-Hilfen. „2020/21 haben wir dafür 450 Milliarden Euro Schulden aufnehmen müssen – das geht mir schon sehr nahe.“

Mehr Zeit für Radtouren und das Gärtnern

Das Alternativprogramm nach dem Politikleben sind für ihn vor allem seine Ehefrau und die fünf Enkel. „Wir wollen viel Radfahren übers Land.“ Endlich habe er auch mehr Zeit zum Gärtnern. Ein neues Gewächshaus müsse aufgebaut und bepflanzt werden. Und in der Garage warten der alte Trabant Kombi 1978 und die Suzuki.

Trotzdem: Der Rückzug ins Private wird wohl nicht absolut sein. Engagieren will sich Rehberg in der Rostocker Seemannsmission und im Kuratorium des Christlichen Jugenddorfs. Den klugen Altpolit-Onkel will er nicht heraushängen lassen. „Du darfst nicht den Fehler machen, über Dinge nachzudenken, die in Berlin oder Schwerin passieren“, sagt der Mann, der auch einen kritischen Blick auf die ganz junge Generation von Politikern hat.

Der Nachwuchs ziehe oft ohne Berufserfahrung in den Bundestag ein, eine Karriere, die er mit „Kreißsaal – Hörsaal – Plenarsaal“ beschreibt. Manchem fehle die Selbstreflexion und die Demut gegenüber der Verantwortung, die die Stellung mit sich bringe. Namen nennt Rehberg nicht. Aber es ist verbürgt, dass er beim CDU-Landesvorsitz, den auch der redegewandte CDU-Jungstar Philipp Amthor angestrebt hatte, ganz kräftig mitgemischt hatte.