Ostseehafen Sassnitz-Mukran
Politiker empört über US-Drohungen gegen Hafen
Sassnitz / Lesedauer: 5 min

dpa
Die Drohung von US-Senatoren gegen den Ostseehafen Sassnitz-Mukran im Streit über die Gaspipeline Nord Stream 2 hat Empörung bei deutschen Politikern ausgelöst. Forderungen nach Gegensanktionen Deutschlands werden lauter.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte am Freitag: „Diese Drohungen sind absolut inakzeptabel. Deutschland kann selbst entscheiden, woher und auf welchem Weg es seine Energie bezieht.” Mecklenburg-Vorpommern sei ein Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien. "Aber eins ist auch ganz klar: Für den Ausstieg aus Kohle, für den Wechsel zu erneuerbaren Energien brauchen wir dauerhaft auch Gas. Und ich kann nicht erkennen, dass Amerika, und schon gar nicht der amerikanische Präsident uns hier irgendwie reinreden kann."Weiter sagte sie: „Mecklenburg-Vorpommern hält am Bau der Pipeline fest. Ich erwarte auch von der Bundesregierung, dass sie diesen Erpressungsversuchen entschieden entgegentritt.”
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte: „Die ultimative Drohung einer befreundeten Nation gegenüber einem Hafen auf Rügen mit der wirtschaftlichen Zerstörung hat eine ganz neue, nicht akzeptable politische Qualität.” Die linke Bundestagsabgeordnete Kerstin Kassner von der Insel Rügen fühlt sich an den Kalten Krieg erinnert. Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin nannte die Sanktionsdrohung eine „wirtschaftliche Kriegserklärung”.
Brief von US-Senatoren droht unter anderem mit Einreiseverboten
Drei US-Senatoren haben dem Hafen mit schweren Sanktionen gedroht. „Den Vorstandsmitgliedern, leitenden Angestellten und Aktionären der Fährhafen Sassnitz GmbH wird die Einreise in die Vereinigten Staaten untersagt und jegliches Eigentum oder Interesse an Eigentum, das sie in unserem Zuständigkeitsbereich haben, wird eingefroren”, heißt es in einem auf Mittwoch datierten Brief.
Der Mukran Port liegt im Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Er spielt eine zentrale Rolle beim Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die aus Russland kommend in Lubmin am Greifswalder Bodden anlanden soll. Dort endet bereits die 2011 fertiggestellte Leitung Nord Stream 1. Der Hafen äußerte sich zu den Drohungen nicht. Ein Sprecher sagte, es werde erwartet, dass Bundesregierung und Landesregierung aktiv werden.
Der US-Regierung ist Nord Stream 2 ein Dorn im Auge, auch osteuropäische EU-Staaten sowie die Ukraine kritisieren das Projekt. US-Präsident Trump kritisiert die Pipeline von Russland nach Deutschland seit Jahren. Er hatte Ende 2019 erste Strafmaßnahmen gegen bestimmte Unternehmen ermöglicht, die am Bau von Nord Stream 2 beteiligt sind. Kritiker werfen ihm vor, die Pipeline nur verhindern zu wollen, um mehr amerikanisches Flüssiggas in Europa verkaufen zu können. Befürworter argumentieren, die Pipeline sei wirtschaftlich notwendig, da die Eigenproduktion an Erdgas in Europa in den kommenden Jahren deutlich sinke, der Bedarf aber annähernd gleich bleibe.
Deutschland sollte über intelligente Gegensanktionen nachdenken
Im Hafen lagern die für die Fertigstellung benötigten Stahlrohre, die in einer Fabrik in Mukran mit Beton ummantelt wurden. Zudem liegt dort das Verlegeschiff der russischen Firma Gazprom, die „Akademik Tscherski”. Sie soll nach den im Dezember 2019 verhängten US-Sanktionen jetzt mit dem russischen Schiff „Fortuna” den Pipeline-Bau vollenden. Im Stadthafen Sassnitz hat ein Wohnschiff für rund 140 Arbeiter festgemacht. Vermutungen zufolge haben sie mit dem Weiterbau der Gastrasse zu tun haben.
Der SPD-Politiker Schneider sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag) weiter, die Drohung sei eine schwere Belastung für das transatlantische Verhältnis. Deutschland könne sich nicht wie ein Vasallenstaat behandeln lassen. „Die USA sind allein von wirtschaftlichen Interessen getrieben, ihr schmutziges Flüssiggas in den europäischen Markt zu drücken”, stellte der SPD-Politiker fest. Deutschland sollte über intelligente Gegensanktionen nachdenken.
Aus Sicht von Kassner werden ein Bundesland und eine Stadt mit Sanktionen der USA bedroht, da der Fährhafen zu 90 Prozent der Stadt Sassnitz und zu 10 Prozent dem Land Mecklenburg-Vorpommern gehört. Die Linksfraktionschefin im Landtag, Simone Oldenburg, appellierte an die Bundesregierung, endlich Tacheles zu reden. Es sei eine rote Linie überschritten worden. Gegenmaßnahmen sollten nicht ausgeschlossen werden: „Auch von der Landesregierung erwarte ich klare Kante.”
Holm fordert, "dass die Pipeline fertig gebaut wird, egal was die USA machen"
Der Vize-Fraktionschef der AfD im Bundestag und Landesvorsitzende Leif-Erik Holm forderte eine scharfe Antwort der Bundesregierung. Ein angeblicher Verbündeter und Freund führe sich auf „wie eine Besatzungsmacht”, monierte er. Merkel müsse der US-Administration die Grenzen aufzeigen, etwa durch die Streichung der Russland-Sanktionen. Zudem forderte er eine verbindliche Garantie aus Berlin, „dass die Pipeline fertig gebaut wird, egal was die USA machen.”
Der Hafen Mukran hat sich in den vergangenen Jahren vom reinen Fährhafen zu einem Wirtschaftsstandort gewandelt. Er ist Basis für den Bau und die Wartung von Offshore-Windparks in der Ostsee. Als einziger Hafen Westeuropas verfügt er neben Gleisen der europäischen Normalspur auch über Gleise und Umschlaganlagen für die russische Breitspur, so dass jederzeit der Eisenbahnfährverkehr mit Russland wieder möglich wäre.
Einen weiteren Aufschwung soll der Mukran Port durch die „Neue Seidenstraße” zwischen China und Europa erfahren. Seit Ende 2019 werden Container von Zügen aus China ins russische Baltysk gebracht. Sie kommen per Schiff nach Mukran und werden per Bahn weitertransportiert. Mukran mit seinen Hinterlandanbindungen gilt daher als ein strategischer Knotenpunkt für die Containerverkehre im Ostseeraum.