Neue These
Stecken doch die Russen hinter dem Nord-Stream-Anschlag?
Kaliningrad / Lesedauer: 5 min

Nordkurier
Am 26. September waren nach Explosionen in internationalen Gewässern in den Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens insgesamt vier Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden. Dabei wurden beide Stränge von Nord Stream 1 und einer von zwei Strängen von Nord Stream 2 zerstört. Die Behörden gehen von Sabotage aus. Doch wer ist dafür verantwortlich? Deutschland, Schweden und Dänemark haben jeweils eigene Ermittlungen aufgenommen.
Min-U-Boot und Spionageschiff im Einsatz?
Laut einer Recherche von T-online.de mit Informationen aus ungenannten „Sicherheitskreisen“ soll die russische Marine wenige Tage vor den zerstörerischen Explosionen am Ostseegrund an den Tatorten mit Spezialschiffen operiert haben und käme für die Sprengungen in Frage. Ein zuvor begonnenes Manöver der russischen Ostseeflotte hätte als Deckmantel für die Sabotage-Aktion dienen können, so die Journalisten von T-online.
Dabei soll ein Schiff im Einsatz gewesen sein, das über ein Mini-U-Boot verfüge. Dieses sei mit Greifarmen versehen, die auch Sprengladungen an den Pipelines platziert haben könnte, heißt es. Auch zwei Schlepper mit Lastkränen sollen im Einsatz gewesen sein sowie das russische Spionageschiff „Syzran“. Drei Schiffe hätten in der Nacht zum 21. September Russlands Flottenstützpunkt in Kaliningrad verlassen, was Satellitenbilder belegen sollen. Weitere Schiffe hätten sich angeschlossen und sollen ihre Positionsdaten teils nicht gesendet haben.
Auch ein dänisches Patrouillenboot und schwedische Streitkräfte sollen durch die russischen Schiffe alarmiert zur Kontrolle ausgerückt sein und, als diese in den Hafen bei Kaliningrad zurückkehrten, teils verfolgt haben. Auch ein Hubschrauber des US-Militärs, der vom polnischen Gdansk gestartet war, soll den russischen Schiffskonvoi auf der Ostsee gekreuzt haben. Aus Sicht der T-Online-Journalisten führe die Spur der Indizien damit nach Moskau.
Über einen auffälligen US-Militärhubschrauber war kurz nach den Sprengungen berichtet worden, dieser soll aber am 25. September 2022 unterwegs gewesen sein.

Russisches Motiv einer Sprengung der Gazprom-Leitungen?
Aber welches Interesse könnte Moskau an einer Sabotage der mehrheitlich russischen Pipelines haben? Die österreichische Zeitung „Die Presse” wies im September darauf hin, dass Russland sich in Sachen Gaslieferung eines kostspieligen Vertragsbruchs schuldig machen würde, wenn ohne triftigen Grund die Lieferungen ausbleiben.
Auch war zu diesem Zeitpunkt eine Röhre von Nord Stream 2 weiterhin intakt. „Da könnte der Druck ja noch größer werden Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen”, schrieb damals ein Wirtschaftsjournalist der Zeitung bei Twitter. Des weiteren wäre die Lockerung von Sanktionen nötig, damit die russischen Nord-Stream-Betreiber Reparaturmaßnahmen in Auftrag geben können.
Anfang Oktober 2022 hat der Betreiber Gazprom laut eigener Aussage das Gas aus der letzten intakten Röhre entnommen.
Mehr lesen: Waren die Nord-Stream-Gasleitungen schon einmal Sabotage-Ziel?
Ähnlicher Vorwurf an die USA
Führende westliche Politiker machten unmittelbar nach dem Bekanntwerden Russland für die Detonationen verantwortlich. Russland wolle die Gaszufuhren nach Europa weiter verknappen und eine tatsächliche Bedrohungslage für jene europäische Staaten schaffen, die die Ukraine finanziell und militärisch unterstützten. Russland bestreitet, für die Lecks verantwortlich zu sein und behauptete, dass die „Angel–Sachsen“ – also die USA und Großbritannien hinter den Anschlägen stecken.
Generalbundesanwalt Peter Frank verneinte Anfang Februar noch die Beteiligung Russlands am Anschlag auf die Pipelines. Die deutschen Ermittler hätten zum damaligen Zeitpunkt keine Belege dafür, dass Russland hinter den Explosionen an Nord Stream 1 und 2 stecke. „Das ist derzeit nicht belegbar, die Ermittlungen dauern an“, sagte Frank der „Welt am Sonntag“
US-Journalist geht von geheimer US-Operation aus
Der US-Journalist Seymour Hersh will durch anonyme Quellen wissen, dass die USA für den Anschlag auf die Ostsee-Pipelines verantwortlich seien. Den Befehl zur Sprengungen soll demnach US-Präsident Joe Biden persönlich gegeben haben. Dabei soll das Nato-Manöver in der Ostsee als Tarnung für die geheime Operation gedient haben.
Der CDU-Außen- und Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter widersprach den Anschuldigungen gegenüber der USA und deutete Anfang Februar gegenüber dem Nordkurier Indizien an, die für eine russische Beteiligung sprächen.„Die USA haben sich zwar von Anfang an insbesondere gegen Nord Stream 2 positioniert, aber die Sprengung der Pipelines durch die Vereinigten Staaten würde das Vertrauen und damit die gesamte westliche Allianz zerstören, es widerspricht dem Sicherheitsbündnis“, sagte Kiesewetter, Oberst a.D. der Bundeswehr und seit 2009 Mitglied des Bundestages.
Natürlich habe er keine hundertprozentigen Hinweise auf die Verwicklungen Russlands und man könne auch nichts ausschließen – „aber es gibt Indizien“. Dazu zählt Kiesewetter beispielsweise, dass eine der beiden Röhren von Nord Stream 2 offenbar unbeschädigt blieb und somit weiterhin als Druckmittel Russlands diene, Sanktionen aufzuheben.
Im Zusammenhang mit dem Pipeline-Anschlag glaubt der CDU-Mann auch nicht an eine Beteiligung Polens oder der Ukraine. Diese Länder hätten dann jedes Vertrauen verspielt und würden alte Vorurteile aufleben lassen.
Lesen Sie dazu: Das Geheimnis der Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines
Anschlag von Ukrainern per Jacht?
Anfang März hatten ARD, SWR und die „Zeit“ berichtet, dass eine aus sechs Personen bestehende Gruppierung eine Jacht angemietet und wohl darauf den Sprengstoff zu den Pipelines in der Ostsee befördert habe. Zwei der Personen hätten ukrainische Pässe. Eine Verbindung zu staatlichen Stellen lasse sich aber nicht herstellen. Ermittler gehen davon aus, dass es sich um Fälschungen gehandelt haben könne.