Energiewende

Sanierungspflicht führt zu dramatischen Abschlägen bei Immobilienpreisen

Berlin / Lesedauer: 6 min

Die Energiewende bestimmt die neue Realität am Immobilienmarkt. Das wirkt sich auch auf die Preise für Eigenheime aus. Vor allem den ländlichen Raum trifft es hart.
Veröffentlicht:08.05.2023, 18:50

Von:
  • Carsten Korfmacher
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Früher gab es ein einfaches Makler–Motto: „Lage, Lage, Lage“. Der Preis einer Immobilie war maßgeblich davon abhängig, wo und wie sie liegt: In der Stadt oder auf dem Land, mit einer guten oder einer schlechten Verkehrsanbindung, mit oder ohne nahegelegene Lärmquellen, und so weiter.

Gebäude-Energieverbrauch soll sinken

Heute gestaltet sich die Sache etwas schwieriger. Denn in Deutschland und in der EU greifen die Gesetzgeber immer tiefer in die Vorgabe–Kiste: Da Gebäude laut EU–Kommission für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich sind, sollen Besitzern zahlreiche Pflichten zur energetischen Sanierung ihrer Immobilien auferlegt werden. Ziel ist es, den Gebäude–Energieverbrauch bis 2030 stark zu senken und bis 2050 klimaneutral zu gestalten.

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Die geplanten Gesetzesänderungen wirken sich am Immobilienmarkt schon jetzt dramatisch aus. „Aktuell sehen wir, dass energieeffiziente Immobilien entgegen dem aktuellen Trend wertstabil sind, während Gebäude mit einer schlechten Energieklasse im Wert sinken“, sagte Lennart Dannenberg vom Online–Netzwerk Immobilien–Scout 24 dem Nordkurier. Die Abschläge sind gewaltig.

Bei gleicher Lage und Ausstattung könne bei einer energetisch unsanierten Wohnung in der Stadt mit einem Abschlag von 21 Prozent gegenüber einer sanierten Wohnung gerechnet werden, so Danneberg. Im ländlichen Raum verlieren Immobilien bei einer Abwertung von 28 Prozent demnach sogar mehr als ein Viertel ihres Wertes. Eine Land–Immobilie mit einem Referenzwert von 223.000 Euro würde derzeit mit einem Abschlag von 62.000 Euro gehandelt.

Vorgaben seien „absurd und sozial rücksichtslos“

Nach Einschätzung des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft (GdW) haben die EU–Pläne gepaart mit dem auf nationaler Ebene ab 2024 verordneten Heizungsaustausch einen „massiven und sehr ungerecht verteilten Wertverlust von Gebäuden“ zur Folge. „Hunderttausende Menschen im Rentenalter vor allem in ländlichen Regionen sind davon betroffen, dass sich die massiven geforderten Investitionen in Höhe von Zehntausenden von Euro für sie nicht lohnen, geschweige denn, dass sie gar keine Kredite dafür bekommen“, sagte GdW–Präsident Axel Gedaschko dem Nordkurier.

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In den vergangene Jahren wurden bereits weniger Gasheizungen bei neuen Wohngebäuden eingebaut. (Foto: NK-Grafik)

„In ihrer geballten Form“ seien die Vorgaben „absurd und sozial rücksichtslos“, so Gedaschko weiter. Der Wohnungsneubau stecke ohnehin schon länger in einer sich verschärfenden Krise. „Wenn die Regierung angesichts des massiven Wohnraummangels nichts unternimmt, um die Krise abzumildern und gleichzeitig die Anforderungen massiv verschärft, ist eine Immobilienkrise unausweichlich.“ Neben den negativen wirtschaftlichen Auswirkungen seien vor allem die sozialen Folgen fatal.

Bis zu 180.000 Euro Sanierungskosten

Wie hart es Immobilienbesitzer durch die geplanten Änderungen treffen kann, hat eine Studie des Vereins ARGE, der Arbeitsgemeinschaft für Zeitgemäßes Bauen, im Februar 2022 errechnet. Die kolportierten Zahlen basieren allerdings auf Arbeits– und Materialkosten von 2021, so dass Haus und Grund, der Zentralverband der Privateigentümer, jüngst eine Neuberechnung mit aktuellen Preisen vorgenommen hat.

Demnach fallen je nach Sanierungsstand für ein Mehrfamilienhaus Vollkosten zwischen 357 und 750 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche an, bei Einfamilienhäusern liegen die Kosten sogar zwischen 702 und 1.273 Euro pro Quadratmeter. „Für die Modernisierung eines 140 Quadratmeter großen Einfamilienhauses auf den EH–115–Standard fallen je nach Ausgangszustand also Kosten zwischen 98.280 und 178.220 Euro an“, teilte Haus und Grund dem Nordkurier mit.

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Aufgrund der niedrigeren Immobilienpreise im ländlichen Raum stellt sich die Frage, ob energieineffiziente Eigenheime in den Dörfern der Uckermark oder des östlichen Mecklenburg–Vorpommern bei Sanierungskosten in dieser Größenordnung überhaupt noch an den Mann gebracht werden können.

Zwar könnten diese Summen laut Haus und Grund über einen längeren Zeitraum verteilt werden, da die Sanierungen in Form von Einzelmaßnahmen schrittweise erfolgen könnten. „Doch allein der Einbau einer Wärmepumpe kann bei einem Einfamilienhaus Kosten von bis zu 50.000 Euro verursachen. Wenn hierfür noch die Heizkörper ausgetauscht und gewisse Dämmmaßnahmen durchgeführt werden müssen, steigen die Kosten nochmal deutlich an“, so der Interessensverband der Privateigentümer.

Unter anderem Wärmepumpen sollen fossile Energieträger in Gebäuden nach und nach ablösen. (Foto: NK-Grafik)

Energieersparnis wiegt Sanierungskosten nicht auf

Auch deshalb prognostiziert GdW–Präsident Axel Gedaschko harte Zeiten für Mieter, Vermieter und die gesamte Wohnungswirtschaft. Während viele Einfamilienhäuser „sehr stark an Wert verlieren“ würden oder „angesichts des riesigen Investitionsbedarfs gar nicht mehr verkaufsfähig“ seien, würden „viele Mehrfamilienhäuser quasi unvermietbar“.

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Der Grund: Weder seien Handwerker und Material vorhanden, um die notwendigen Sanierungen umzusetzen, noch könnten sich die mittelständischen, sozial orientierten Wohnungsunternehmen und ihre Mieter die ausufernden Investitionskosten leisten, so Gedaschko. „Vielen Wohnungsunternehmen würde das Geld ausgehen, weil sie nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen und die Zinsen für Kredite gestiegen sind.“ Die Sanierungskosten würden nicht annähernd durch die Ersparnisse bei den Energierechnungen kompensiert.

Millionen Eigenheime und Wohnungen von Sanierungspflicht betroffen

Wie genau sehen die Vorgaben auf europäischer Ebene eigentlich aus? Das EU–Parlament stimmte Mitte März für strengere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden. Wohngebäude sollen bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 die Energieeffizienzklasse D erreichen.

Insgesamt soll die Energieeffizienz ähnlich wie bei Haushaltsgeräten auf einer Skala von A bis G angegeben werden. In Deutschland geht die Skala bei Wohngebäuden derzeit noch bis H. Haus und Grund schätzt, dass alleine bis 2033 in Deutschland mehr als 7 Millionen Eigenheime und rund 7,2 Millionen Wohnungen von der Sanierungspflicht betroffen sein könnten.

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Der weitere Weg zur geplanten Klimaneutralität bis 2050 ist in diese Schätzung noch nicht einbezogen. Mit der Abstimmung im EU–Parlament sind die Pläne aber noch nicht beschlossen. Aufgrund der hohen Kosten für Hausbesitzer formiert sich in den EU–Staaten Widerstand. Die Länder und das Europa–Parlament müssen daher noch zu einem Kompromiss kommen, bevor die Vorgaben in Kraft treten. Bis dahin sind Änderungen an dem geplanten Gesetz möglich.

Wird jedes einzelne Gebäude betrachtet?

Auf Bundesebene könnte ein sogenannter „Quartieransatz“ einen solchen Kompromiss darstellen. Demnach soll nicht jedes einzelne Gebäude seinen CO2–Ausstoß senken müssen, sondern ein Quartier insgesamt, also ein ganzer Stadtteil oder ein Dorf. Gut gedämmte Neubauten könnten den Energieverbrauch des Quartiers so weit senken, dass Altbauten nicht sofort saniert werden müssten, weil eben nicht jedes Haus einzeln betrachtet werde, erklärte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kürzlich.

Wie dies sozial gerecht im ländlichen Raum umgesetzt werden soll, steht in den Sternen. Zunächst einmal führt der Ansatz dazu, dass wohlhabendere Dörfer oder Stadtviertel mit vielen modernen Gebäuden von der Sanierungspflicht später oder gar nicht betroffen sind, während Eigenheimbesitzer in abgehängten Ortschaften in der Regel sofort und mit voller Wucht getroffen werden.