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Wohlfahrtsverbände

Schwere Vorwürfe gegen Awo, DRK, Diakonie und Co.

Schwerin / Lesedauer: 4 min

Dubiose Geldflüsse, Vetternwirtschaft, Gerichtsurteile, Korruption: Die Liste der Skandale in der MV-Wohlfahrt ist lang. Jetzt rücken falsche Abrechnungen in den Fokus.
Veröffentlicht:18.08.2022, 15:57

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Was haben Manuela Schwesig, Birgit Hesse und Stefanie Drese außer ihrem SPD-Parteibuch gemeinsam? Sie waren oder sind Sozialministerin in MV und damit auch mitverantwortlich für die langjährige Misere in den Wohlfahrtsverbänden. Über Jahrzehnte trafen sich die Spitzenvertreter von Awo, DRK, Diakonie und Co. in den mittlerweile berühmt-berüchtigten Freitagsrunden, um hinter verschlossenen Türen vom Land zur Verfügung gestellte Fördergelder in Millionenhöhe unter sich aufzuteilen.

Das passierte größtenteils ohne Kontrolle des Landes, ohne Transparenz und nach einem undurchsichtigen Verteilungsschlüssel, den kaum keiner kannte und verstand. Die Skandale und Awo-Affäre mündeten in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss und in diversen Gerichtsprozessen – inklusive Haft- und Bewährungsstrafen für ehemalige hochrangige Wohlfahrtsmanager.

Missstände bei Personalausgaben

Und was machen die Landesregierung, in der die ehemalige Sozialministerin Manuela Schwesig in der Zwischenzeit zur Ministerpräsidentin aufgestiegen ist, und das Parlament, das mittlerweile von Ex-Sozialministerin Birgit Hesse als Präsidentin geführt wird? Mit den Stimmen der SPD-Mehrheitsfraktion wurde nach zehn Jahren Vorarbeit ein Wohlfahrt- und Transparenzgesetz verabschiedet, das für Kritiker lediglich ein politisches Feigenblatt ist und die Kontrolle der Wohlfahrtsverbände mitnichten realisiert.

In diese offene politische Wunde hat jetzt der Landesrechnungshof (LRH) in seinem aktuell vorgelegten Landesfinanzbericht 2022 tief hineingegriffen und erneute Missstände an die Oberfläche geholt. Diesmal geht es um Personalausgaben der Wohlfahrtsverbände, die vom Landesrechnungshof geprüft worden sind – mit erstaunlichen Ergebnissen.

So hätten Wohlfahrtsverbände in mehreren parallel laufenden und aus Landesmitteln finanzierten Förderprojekten Personalausgaben abgerechnet, die ihnen tatsächlich nicht entstanden sind, heißt es im Bericht des LRH. Über die Jahre betrachtet sei das ein grundsätzliches Problem. „Die Verbände haben Personalausgaben abgerechnet für Beschäftigte, die noch nicht oder nicht mehr beim jeweiligen Verband tätig waren”, sagt Martina Johannsen, Präsidentin des LRH. Auch seien Arbeitszeiten abgerechnet worden, die nicht vertraglich vereinbart und dokumentiert waren.

„Fünf Prozent zu Unrecht abgerechnet”

Zudem seien in den Abrechnungen Arbeitsleistungen aufgetaucht, die gar nicht oder nicht im abgerechneten Projekt erbracht worden waren. Die Verbände hätten laut Johannsen gegenüber der Bewilligungsbehörde fiktive Personalausgaben deklariert und könnten den Nachweis für den Personaleinsatz in aus Landesmitteln finanzierten Projekten nicht erbringen. „Gemessen am geprüften finanziellen Volumen von rund 11,4 Millionen Euro hatten Wohlfahrtsverbände über 600.000 Euro und damit über fünf Prozent der Personalausgaben zu Unrecht abgerechnet”, schreibt der LRH in seinem Landesfinanzbericht und fordert das zuständige Sozialministerium auf, zu prüfen, inwieweit Zuwendungen zurückzufordern seien. Johannsen spricht ketzerisch von „kreativen Abrechnungen”.

Und noch etwas schreibt der Rechnungshof dem Ministerium unmissverständlich ins Stammbuch: „Die Bewilligungsbehörde wird derartige Verstöße bei der Mittelverwendung nach dem Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetz nicht erkennen und entsprechende Feststellungen auch nicht treffen können. Denn die danach vorgesehenen Berichtspflichten werden nicht genügen, um die ordnungsgemäße Mittelverwendung zu beurteilen beziehungsweise sicherzustellen.” Ein vernichtendes Urteil für das 2019/2020 von der SPD maßgeblich verabschiedete und gefeierte Wohlfahrtsgesetz.

Problem ist kein Einzelfall

Zumal das Problem sich durch die gesamte Wohlfahrtsbranche zieht. „Wir haben landesweit insgesamt 15 Verbände geprüft, die zur Caritas, zum DRK, zur Awo und zur Diakonie gehören. Es ist also ein flächendeckendes Problem und kein Einzelfall”, betonte Sebastian Jahn. Pressesprecher des LRH.

Mit den Vorwürfen des Landesrechnungshofes konfrontiert, reagierte das zuständige Sozialministerium gestern zurückhaltend und spielte den vermeintlichen Schwarzen Peter erst einmal weiter. „Das Zuwendungsrecht sieht vor, dass sämtliche Zuwendungsempfänger die Verantwortung für ihre im Rahmen von Verwendungsnachweisen gemachten Angaben tragen”, sagte eine Sprecherin.

Das Sozialministerium beziehungsweise das Landesamt für Gesundheit und Soziales habe den Bericht des Landesrechnungshofes zum Anlass genommen, in eine Tiefen- und Querprüfung der im Prüfbericht benannten Vorgänge einzusteigen. Diese erneute Prüfung werde zeitlich und personell umfangreich sein. Eine abschließende Beurteilung sei derzeit noch nicht möglich, so die Sprecherin weiter.