Machtmissbrauch?
Schwere Vorwürfe gegen neuen Awo-Geschäftsführer
Neustrelitz / Lesedauer: 4 min

Andreas Becker
Sie haben Angst – Angst um ihre Awo, Angst um ihren Ruf und Angst um ihren Job. Gleichzeitig wollen sie nicht als Nestbeschmutzer dastehen und die segensreiche Arbeit des Großteils der Awo-Beschäftigen in Misskredit bringen. Doch jetzt haben etliche Mitglieder des Awo-Kreisverbandes Mecklenburg-Strelitz ihr Schweigen gebrochen – und offensichtliche Missstände in der Wohlfahrt in mehreren Briefen an die Nordkurier-Redaktion und in Telefonaten geschildert.
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Im Mittelpunkt der Kritik steht der langjährige Vorstandsvorsitzende des Awo-Kreisverbandes Mecklenburg-Strelitz, Roland Toebe. Seit 2003 ist er Vorstandsmitglied, seit 2010 Chef des ehrenamtlichen Gremiums, das laut Awo-Satzung die Geschäftsführung kontrollieren soll – und die Geschäftsführung beruft und abberuft. Nachdem sich der Geschäftsführerposten bei der Awo Mecklenburg-Strelitz seit der Gründung des Kreisverbandes im Jahr 1994 als Schleudersitz entpuppt hat und insgesamt zehn Geschäftsführer verschlissen worden sind, kommt es jetzt zu einer Lösung, die stark nach einem Mix aus Postengeschachere, Kungelei und Vetternwirtschaft riecht: Roland Toebe selbst hat sich von seinem Vorstand zum Geschäftsführer befördern lassen.
„Das ist Machtmissbrauch und Vorteilsnahme. Da einem als Vorstandsvorsitzenden der restliche Vorstand naiv und blind vertraut, benötigt man keine öffentliche Ausschreibung und schon ist einem der Posten des hauptamtlichen Geschäftsführers zum 1. Juli sicher“, heißt es in einem Schreiben von Awo-Mitgliedern, die zum Teil aus Wut und Empörung die Awo verlassen.
Roland Toebe verweist auf Awo-Compliance-Regeln
Erinnerungen an das jetzt kürzlich zu langjährigen Haft- und Bewährungsstrafen verurteilte Awo-Duo Peter Olijnyk und Götz-Peter Lohmann vom benachbarten Awo-Kreisverband Müritz werden wach. Auch dort schacherten sich Haupt- und Ehrenamt gut dotierte Verträge zu. In der Tat: Im Awo-Kreisverband Mecklenburg-Strelitz stellt sich die Frage, wer hat denn jetzt den Vertrag des neuen Geschäftsführers Roland Toebe ausgehandelt? Roland Toebe in seiner Funktion als künftiger Geschäftsführer? Oder Roland Toebe als ehrenamtlicher Vorsitzender? Oder Roland Toebe als Geschäftsführer in spe auf der einen und der ihm blind vertrauende Restvorstand?
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Der in der Kritik stehende Toebe hat seine Deutung der Abläufe: „Wie bei allen anderen mit den Awo-Compliance-Regelungen nicht zu vereinbarenden Beschlüssen war meine Person von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen.“ Toebe war also nach eigenen Worten außen vor. Aber wer hat dann bei den Vertragsgesprächen die Interessen des neuen Geschäftsführers wahrgenommen und für ihn verhandelt?
Fragen, die auf Antworten warten. Und es gibt noch ein weiteres großes Fragezeichen, das über der Personalie Toebe wie ein Damoklesschwert hängt. Toebe ist seit Jahren als Unternehmensbereichsleiter bei der Sparkasse Mecklenburg-Strelitz hauptberuflich beschäftigt. Jenem Kreditinstitut, mit dem der Awo-Kreisverband Mecklenburg-Strelitz intensive geschäftliche Beziehungen unterhält. Eine Interessenskollision mit Geschmäckle?
Toebe sagt Nein. „Meine Tätigkeit bei der Sparkasse Mecklenburg-Strelitz wurde sowohl dem Vorstand der Awo Mecklenburg-Strelitz als auch dem Awo-Landesverband angezeigt. In diesem Atemzug wurde festgehalten, dass meine Person von allen Sachverhalten und Beschlüssen, welche gegebenenfalls gegen die Awo-Compliance- Richtlinien verstoßen könnten, ausgeschlossen wurde. Auch gemäß den Compliance-Regelungen der Sparkasse bin ich in keinerlei etwaigen Geschäftsverbindungen zur Awo involviert“, versichert Toebe.
Was läuft da zwischen Awo und Sparkasse?
So weit, so gut. Oder eben nicht. Denn die Personalie Toebe spitzt sich in einer pikanten Pointe zu. Nach Recherchen des Nordkurier beinhaltet der neue Geschäftsführervertrag für Roland Toebe eine außergewöhnliche Klausel. Demnach ist die Arbeitszeit des Awo-Geschäftsführers offenbar aufgeteilt: 80 Prozent dient er der Awo, 20 Prozent der Sparkasse. Diese Klausel soll bis zum 31. Dezember befristet sein. „Danach nimmt man die Befristung einfach raus“, heißt es von den Awo-Mitgliedern kopfschüttelnd. Und ein langjähriges SPD- und Awo-Mitglied aus dem Umfeld der Landesregierung meinte am Freitag hinter vorgehaltener Hand: „Jetzt müssen wir echt aufpassen, dass uns der Laden nicht um die Ohren fliegt.“