Schwesig bremst Glawe in der Corona-Krise aus
Schwerin / Lesedauer: 4 min

Es war eher eine beiläufige Bemerkung zu später Stunde. Als sich am Donnerstagabend der Uhrzeiger stramm auf 22 Uhr zu bewegte, kündigte die MV-Ministerpräsidentin an, dass sie mit Sibylle Scriba eine Vertraute aus dem Ruhestand zurückholen werde. Okay, um sich in der Corona-Krise vielleicht personell noch besser aufzustellen, wird so mancher Beobachter spontan gedacht haben. Doch dann ergänzte die Regierungschefin ihre Rückholaktion mit einem Satz, der durchaus politische Sprengkraft beinhaltet. Denn Scriba wird nicht irgendwo im Apparat der Staatskanzlei angesiedelt, sondern steigt von Null auf Hundert als Staatssekretärin im Gesundheitsministerium ein.
Mit anderen Worten: Der CDU-Gesundheitsminister bekommt eine alte Weggefährtin der SPD-Ministerpräsidentin an die Seite gestellt. „Als Aufpasserin“, ätzten gleich böse Zungen am Freitagmorgen rund um das Schweriner Schloss. Fakt dürfte sein, dass Gesundheitsminister Harry Glawe nicht gerade begeistert Beifall geklatscht haben dürfte, als Schwesig ihm in der elfstündigen Klausurtagung der Landesregierung am Donnerstag eine zusätzliche Staatssekretärin untergejubelt hatte. Bisher gab es mit Stefan Rudolph lediglich einen Staatssekretär im Gesundheitsministerium – das Verhältnis von Glawe und Rudolph gilt im übrigen als durchaus reparaturbedürftig.
Das gilt zweifellos auch für die politische Beziehung von Ministerpräsidentin und Gesundheitsminister. Insgeheim war Schwesig in den vergangenen Wochen der Corona-Krise das ein oder andere Mal von Glawe genervt. Beispielsweise wurde die Schlappe der Landesregierung vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald im Zusammenhang mit den Reiseverboten für Einheimische dem CDU-Mann angelastet. Er soll die entsprechende Verordnung nicht gerichtsfest geschnürt bekommen haben. Und auch das zuvor mit der Staatskanzlei nicht abgesprochene Vorpreschen Glawes vor wenigen Tagen zur Öffnung der Außen-Gastronomie verursachte bei Schwesig Missstimmung.
„Regierung ist ein einziger Familienbetrieb“
Um Glawe politisch im Zaum zu halten und das Krisenmanagement im Gesundheitsministerium zu verbessern, soll jetzt Sibylle Scriba befristet bis zum Jahresende antreten. Scriba, da wird mancher politische Beobachter in Schwerin hellhörig – und wo möglich an Martin Scriba denken. Der langjährige Diakonie-Chef in MV, der auch im heutigen Ruhestand immer noch als einer der besten Netzwerker in der MV-Wohlfahrt gilt, musste in den vergangenen zwei Jahren zweimal in den Zeugenstand des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Awo-Affäre treten.
Und tatsächlich: Martin und Sibylle Scriba waren einmal ein Paar, sind aber seit Jahren getrennt. Das politisch Pikante: Als Martin Scriba Chef der Diakonie war, wirkte Sibylle Scriba als Abteilungsleiterin im seinerzeit von Manuela Schwesig geführten Sozialministerium. Jenes Sozialministerium, das für den teilweise undurchsichtigen und unkontrollierten Geldfluss von Fördermitteln in die Kassen der Sozialverbände zuständig war.
Von all dieser Brisanz der Personalie will die Landesregierung nichts wissen. „Bei der Bekämpfung der Corona-Krise ist jede Unterstützung willkommen. Unser Interesse ist die Lösung der anstehenden Herausforderungen für die Menschen in unserem Land. Mit Personaldebatten ist keinem geholfen“, versuchte ein Sprecher von Gesundheitsminister Glawe gestern alle politischen Feuer auszutreten. Auch CDU-Fraktionschef Torsten Renz gab sich gelassen, wollte von einer Schwächung der CDU nichts wissen: „Das Gesundheitsministerium während der Pandemiebekämpfung befristet breiter aufzustellen, ist der richtige Schritt. Frau Scriba ist für die Position fachlich sehr gut geeignet.“
Schwesig spricht von „gemeinsamer Entscheidung“
Ähnlich argumentierte Manuela Schwesig. Sie sprach von einer „gemeinsamen Entscheidung“, um die Arbeit im Ministerium auf mehrere Schultern zu verteilen.
Da zeigte sich die Opposition angriffslustiger. „Mir erschließt sich nicht, warum Frau Scriba gleich im Rang einer Staatssekretärin einsteigt. Auch hätte eine zusätzliche Unterstützung im Gesundheitsministerium ein paar Wochen früher sicherlich mehr Sinn ergeben“, betonte Simone Oldenburg, Fraktionschefin der Linken.
„Es entspricht Schwesigs Personalpolitik, alte Vertraute mit Posten zu versorgen“, meinte AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer. Besonders heikel sei, dass Frau Scriba die Exfrau des ehemaligen LIGA-Vorsitzenden (dort sind die Wohlfahrtsverbände zusammengeschlossen, d. Red.) Martin Skriba sei. „Wie war denn das jetzt mit dem Verteilungsschlüssel für die Steuergelder? Wenn aber Regierung und Verbände einen einzigen großen Familienbetrieb bilden, wird es schwer mit der Aufklärung“, so Kramer.