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Kommentar

Selbst Christian Drosten muss sich nicht alles gefallen lassen

Neubrandenburg / Lesedauer: 2 min

Es ist richtig, dass Beleidigungen gegen den Virologen Drosten vor Gericht verhandelt werden. Auch Prominente müssen nicht alles hinnehmen, meint unser Kommentator.
Veröffentlicht:19.05.2023, 06:05

Von:
  • Frank Wilhelm
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Kurz nach den Pöbeleien gegen Christian Drosten hatte die Neubrandenburger Staatsanwaltschaft versprochen, die Ermittlungen zügig zu beenden. Dann brauchte es aber doch fast ein Jahr. Aber das ist auch gut so. Denn die Ermittler beließen es nicht bei der Aufklärung der verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Trio aus Berlin und dem Virologen auf dem Zeltplatz im Juni 2022.

Sie durchforsteten auch die Handys der Verdächtigen sowie den Telegram–Internetdienst nach einer möglichen Weiterführung der Beleidigungen. Und die Ermittler wurden fündig. Damit haben Polizei und Staatsanwaltschaft genügend Anklagepunkte für eine Verhandlung vor Gericht gesammelt.

Familie erlebt böse Schmähungen gegen Vater

Genau dort könnte dann verhandelt werden, wie weit die von den Angeklagten für sich reklamierte Meinungsfreiheit gehen darf. Sind Beschimpfungen wie „Massenmörder“, die sich an diesem Juni–Abend auch seine Familie — Drosten ist Vater eines kleinen Kindes — anhören musste, straffrei? Müssen es sich Prominente gefallen lassen, dass ihre Bilder unautorisiert im Internet verbreitet werden dürfen?

Fehler wurden von beiden Seiten gemacht

„Wir werden einander viel verzeihen müssen“, hatte der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn 2022 sein Buch zur Pandemie genannt. In der Tat wurden die Debatten ums Impfen, den Masken–Zwang und Besuchsverbote beiderseits oft unsachlich ausgetragen. Erinnert sei nur an die berüchtigten Plakate auf den Querdenker–Demos, als Drosten, Spahn und Karl Lauterbach in Sträflingskleidung gezeigt wurde.

War Impfpflicht für Pfleger angemessen?

Auf der anderen Seite müssen sich auch die Vertreter des Staates und der Politik fragen lassen, ob jede Entscheidung sinnvoll war, ob jede Kritik an Corona–Maßnahme–Gegnern differenziert genug war. Beispielsweise hat die Impfpflicht für Pflegepersonal und Ärzte möglicherweise mehr Porzellan zerschlagen als Leben gerettet. Immerhin haben es viele Schwestern und Pfleger vorgezogen, zu kündigen statt sich impfen zu lassen, weil sie Zweifel an der ausreichend gründlichen Erprobung der neuen Impfstoffe hegten. Hier wäre es an der Zeit, diesen „verfemten“ Mitarbeitern die Hand zu reichen. 

Angesichts der verheerenden Diskussionskultur in Pandemie–Zeiten wäre es wünschenswert, dass das Amtsgericht Waren bei der Verhandlung im Fall Drosten zu einem Ort wird, in dem zumindest der Streit um die Grenzen der Meinungsfreiheit ruhig und sachlich ausgetragen wird. Denn die kann auch in einem demokratischen Land wie Deutschland keinesfalls grenzenlos funktionieren.