Corona-Virus

Sind Ungeimpfte eher von Long Covid betroffen?

Rostock / Lesedauer: 3 min

Rund 500.000 Menschen leiden nach einer aktuellen Schätzung in Deutschland an Long Covid. Aber wer ist davon betroffen? Schützt die Impfung vor Long Covid?
Veröffentlicht:10.09.2022, 06:32
Aktualisiert:11.09.2022, 03:34

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Zu den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion gibt es bislang kaum belastbare Daten. Doch diese Zahl lässt aufhorchen: Rund 500.000 Menschen leiden nach einer aktuellen Schätzung des "Ärzte- und Ärztinnenverbandes Long Covid” derzeit in Deutschland an Long Covid.

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Vielschichtige Erkrankung

Die Schätzung basiere unter anderem auf einer Studie aus Israel. Diese habe ergeben, dass das Risiko, an Long Covid zu erkranken, bei dreifach Geimpften um bis zu 70 Prozent reduziert worden sei, erklärte Jördis Frommhold, Pulmologin und Präsidentin des Verbandes auf Nordkurier-Anfrage. Das bedeute, dass etwa 3 bis 5 Prozent aller Menschen, die eine Corona-Infektion durchmachen, an Long Covid erkranken.

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Long Covid bedeutet, dass die Betroffenen über Monate an diversen gesundheitlichen Problemen leiden, oftmals nach einer milden oder gar asymptomatischen SARS-CoV- 2 Primärinfektion.

Sowohl Ungeimpfte wie Geimpfte betroffen

Long Covid treffe aber sowohl Ungeimpfte wie Geimpfte. Die Zahlen zum Impfstatus der Long Covid-Erkrankten würden jedoch bislang nicht erfasst. Die Unterscheidung sei zudem teils schwierig, da sich manch Ungeimpfter später für eine Impfung entschieden habe und sich damit sein Impfstatus geändert habe.

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Frommhold behandelte als Chefärztin der Median Klinik in Heilgendamm viele Long Covid-Patienten. Sie habe sowohl Patienten aus dem ersten Corona-Jahr in Behandlung, als es noch keine Impfung gab, als auch Patienten, die trotz Impfung Long Covid-Symptome entwickelten.

Aus ihrer Praxis berichtet die Ärztin zudem, dass Impfschäden, auch bekannt als Post Vac-Syndrom, viel seltener als Long Covid-Syndrome auftreten.

Frauen eher als Männer von Long Covid betroffen?

Zwei Drittel der Long Covid-Patienten seien derzeit Frauen. Das liege an verschiedenen Faktoren, vermutet Frommhold. Einerseits würden Frauen genetisch eher eine Autoimmunerkrankung entwickeln. Zum anderen würden Frauen erfahrungsgemäß eher mit Beschwerden zum Arzt gehen, während Männer Symptome länger ignorieren würden. Die meisten Betroffenen würden in der Altersgruppe der 20- bis 65-Jährigen liegen. Aber auch Ältere und Kinder seien betroffen.

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Einen Grund für die große Zahl der Long Covid-Fälle sieht die Pulmologin auch in der Leistungsgesellschaft. Die Menschen würden möglichst wenig Krankheitstage vorweisen wollen. Das Auskurieren von Krankheiten erfolge häufig nicht mehr, die Genesung könne nicht erfolgen. Das zeige sich auf Dauer in vielen Long Covid-Fällen. Frauen würden wegen der Mehrfachbelastung durch Familie, Arbeit und Haushalt hierbei oftmals stärker in Anspruch genommen werden.

Long Covid keine reine Kopfsache

Dass Long Covid reine Kopfsache sei, wie es eine Studie kürzlich vermuten ließ, will sie nicht bestätigen. Eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit infolge von Long Covid könne sich aber negativ auf die Psyche auswirke, ganz zu schweigen von der Arbeitskraft, die den Betrieben fehle.

Hoffnung für Long Covid-Patienten

Da über 200 verschiedene Symptome im Zusammenhang mit Long Covid existieren, komme es bei der Therapie stets auf den individuellen Fall an. Besonders wichtig sei eine umfangreiche Ausschlussdiagnostik, um andere Krankheiten auszuschließen, erklärte sie dem Nordkurier.

Derzeit laufe eine Studie, an der neben der Median Klinik in Heiligendamm fünf weitere Kliniken beteiligt seien – Ziel sei es, den Effekt der angewendeten Maßnahmen auf die Gesundheit der Long Covid-Patienten bis zu zwölf Monate nach Abschluss der Reha zu messen. Bisherige Zwischenergebnisse seien positiv und vielversprechend.

Um künftig noch mehr Menschen helfen zu können, will Frommhold zum 1. Oktober das Institut Long Covid in Rostock gründen.