Awo Müritz
Skandale bei der Awo werden zur Waffe im Wahlkampf
Schwerin / Lesedauer: 3 min

Andreas Becker
Im Auge eines Hurricanes soll es ja bekanntlich windstill sein – Nadine Julitz dürfte diese vermeintliche meteorologische Weisheit bezweifeln. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Awo-Skandals im Kreisverband Müritz im Jahr 2016 übernahm die damals 25-jährige Sozialdemokratin Verantwortung und ließ sich in den Vorstand des Awo-Kreisverbandes wählen. Die alte Vorstandsriege, gebrandmarkt durch Vetternwirtschaft mit den jüngst zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilten Ex-Awo-Führungskräften Peter Olijnyk und Götz-Peter Lohmann, war komplett zurückgetreten.
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Seitdem erlebt Julitz eine stürmische Zeit und wird sowohl in ihrem heimatlichen SPD-Stadtverband in Waren als auch als Landtagsabgeordnete permanent mit den mittlerweile bundesweit verteilten Awo-Skandalen konfrontiert. Durch die Ermittlungen der Finanzbehörden im Awo-Kreisverband Müritz wegen des Verdachts der Verletzung der Gemeinnützigkeit hat sich erneut ein schwerer Sturm über Julitz und die Wohlfahrt zusammengebraut.
„Wir müssen jetzt die Prüfungen abwarten“, hält sich die SPD-Landtagsabgeordnete mit einer Bewertung zurück. Sie sei vor wenigen Wochen vom Geschäftsführer der Awo Müritz, Stephan Arnstadt, über die verschärften Kontrollen des Finanzamtes unterrichtet worden. Seit wann genau geprüft werde, wisse sie nicht, sagt Julitz.
Einer der spannendsten Wahlkreise in MV
Eines aber weiß die SPD-Politikerin durch ihre Awo-Zeit genau: Wirtschaftlich sieht es für den Kreisverband Müritz nicht rosig aus – „seitdem uns das alles im Sommer 2016 um die Ohren geflogen ist“. Die üppigen Gehälter und Verträge, die sich das Duo Olijnyk/Lohmann zuschanzte, und verschiedene Investments in deren langjähriger Amtszeit hätten den Kreisverband in finanzielle Schieflage gebracht.
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Selbst eine Insolvenz stand zwischenzeitlich im Raum, wie Julitz schon in den ersten Jahren des Awo-Skandals eingeräumt hatte. Seinerzeit musste der neue Vorstand die Reißleine ziehen und Teile des Tafelsilbers verscherbeln – Trägerschaften für Kitas mussten abgegeben, das gerade in Röbel gebaute Altenheim verkauft werden. Der Verlust der Gemeinnützigkeit und die damit rückwirkend einhergehende Rückzahlung von Steuern dürfte den sich seit Jahren in einem Sanierungsprogramm befindlichen Kreisverband an den Rand der Existenz bringen.
Kampf um politische Zukunft
Parallel kämpft Julitz um ihre politische Zukunft – sie will wie vor fünf Jahren den Wahlkreis an der Müritz/Seenplatte direkt gewinnen. Zu ihren Hauptkonkurrenten zählt Thomas de Jesus Fernandes. Der AfD-Politiker profilierte sich in den vergangenen Jahren im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Aufklärung der Awo-Affäre mit scharfer Kritik an den „Machenschaften in Awo und Wohlfahrt“.
Auch im heraufziehenden Wahlkampf zieht Fernandes die Awo-Karte und attackiert Julitz direkt. „Die kaum vorhandene Aufklärungsbereitschaft und die hohle Phrasendrescherei von Transparenz sind ein Schlag ins Gesicht der aufrichtigen Mitarbeiter der Wohlfahrt. Jahresabschlüsse wurden hinausgezögert, die Entlastung der Vorstände auf die lange Bank geschoben und mitten drin steht wer? Nadine Julitz von der SPD, die ihre Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Awo Müritz in einer Informationsbroschüre des Landtages verschwiegen hat“, zeigt sich Fernandes bereits auf politischer Betriebstemperatur.
Wenn Führungskräfte und Politiker das Ehrenamt und die Wohlfahrt als Deckmantel dafür missbrauchten, sich die Taschen vollzustopfen, müssten die Konsequenzen hart sein. Dass es zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit kommen könne, gehe zulasten der Ehrenamtler und des Ansehens der Wohlfahrt, betont Fernandes.
Die SPD und die Awo – der Wahlkampf dürfte für Nadine Julitz erneut stürmisch werden. Ob es ihr nach 2016 erneut gelingt, den Orkan abzuwettern und in ausreichend politischen Rückenwind umzudrehen? Fakt ist: Der an Müritz und Seenplatte liegende Wahlkreis dürfte einer der umkämpftesten sein.