Klimafolgen
So sind unsere Städte und Landkreise auf Dürre und Hitze vorbereitet
Berlin / Lesedauer: 10 min

Hitze, Dürre, Starkregen, Sturmfluten: In Deutschland sollen künftig alle Städte, Landkreise und Gemeinden ihr Handeln an die Folgen des Klimawandels anpassen. Ein bundesweites Klimaanpassungsgesetz ist gerade vom Bundeskabinett gebilligt worden. Die Verantwortlichen vor Ort werden damit in die Pflicht genommen, Maßnahmen umzusetzen, die die Bevölkerung, Natur, Wirtschaft und Infrastruktur vor den Folgen des Klimawandels schützen.
Stadt Rostock hat einen Hitzeaktionsplan
Das ist vielerorts noch nicht der Fall, obwohl die Bedrohungen lange bekannt sind. Von den 329 Landkreisen und kreisfreien Städten, die an einer umfangreichen Umfrage von Correctiv, NDR, WDR und BR zur Klimaanpassung teilgenommen haben, haben nur ein Viertel ein Schutzkonzept für die Klimakrise, weitere 22 Prozent planen eines. In Sachsen-Anhalt ist die Lage besonders schlecht: Die allermeisten Gemeinden hier haben aktuell keinen Plan für die Anpassung an die Klimaveränderungen.
Auch die Landkreise und Städte im Nordosten dürften hier noch eine Menge Arbeit vor sich haben. An der Umfrage teilgenommen haben allerdings nur die Landkreise Nordwestmecklenburg und Rostock sowie die Städte Rostock und Schwerin. In den Städten existieren bereits auch Konzepte für Klimaanpassungsmaßnahmen, die zum Teil auch schon umgesetzt wurden. So gibt es in Rostock einen Hitzeaktionsplan, Maßnahmen gegen Dürre und Hochwasser seien ebenfalls schon realisiert sind.
Landkreise erwarten finanzielle Schäden
Insgesamt schätzen rund 90 Prozent der Landkreise und Städte, die geantwortet haben, dass in ihrer Region das Risiko für Starkregen und Hitzewellen bis 2050 steigen wird, gefolgt von Dürre (79 Prozent). 62 Prozent sehen Hochwasser und 53 Prozent Wassermangel als steigendes Risiko bis 2050 für ihre Region. 34 Prozent erwarten gleichzeitig eine Zunahme von Hitze, Dürre, Wassermangel, Starkregen und Hochwasser. Fast alle sehen sich in Zukunft häufiger mit extremen Wetterereignissen konfrontiert, 86 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte erwarten bis 2050 finanzielle Schäden durch Klimawandel–Folgen.

„Es ist erschreckend, wie viele Kreise und Städte sich noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Das hat mich dann doch überrascht“, sagt Anja Bierwirth, Expertin für Stadtwandel am Wuppertal Institut zu den Ergebnissen der Umfrage. Aber auch das neue Bundesgesetz dürfte an der mangelnden Vorsorge wenig ändern: Zwar sollen alle Gemeinden und Kreise der Republik dazu verpflichtet werden, Schutzpläne zu entwerfen – doch konkrete Vorgaben, was genau sie umsetzen müssen, gibt es nicht.
Dürre
Die Anzahl der Dürremonate hat im Boden in allen Landkreisen und Städten im Nordosten zugenommen. So wurden laut Daten des Helmholtz–Zentrums für Umweltforschung, das den „Dürremonitor Deutschland“ erstellt, im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte von 1961 bis 1990 durchschnittlich 1,8 Dürremonate registriert, im Zeitraum von 1993 bis 2022 bereits 2,4 und nur in den Jahren von 2018 bis 2022 schon rund 7,8 Monate. Auch in der Uckermark stiegen die Werte rapide an: Von 1,3 auf 3,2 und 8,0. In vielen Landkreisen in Brandenburg und Sachsen–Anhalt liegt der Fünfjahres–Durchschnitt sogar mittlerweile bei 10 und mehr Dürremonaten pro Jahr.
Doch wie wird Dürre im Dürremonitor definiert? Da Dürre den Vergleich zum Normalzustand zieht, wird der jährliche Bodenfeuchteverlauf im Boden bis zu 1,8 Meter Tiefe für den Vergleichszeitraum 1951 bis 2015 herangezogen. Erst wenn die aktuelle Bodenfeuchte unter das langjährige 20-Perzentil fällt – also den Wert, der nur in 20 Prozent der Jahre in einer langen Zeitreihe erreicht wird – spricht man von Dürre. Feuchtigkeit im Boden bis 1,8 Meter Tiefe ist vor allem für das Wachstum von Wäldern wichtig. Betrachtet man die vor allem für die Landwirtschaft relevanten Werte im Oberboden bis 25 Zentimeter Tiefe, zeigt sich allerdings ein ähnliches Bild: Die Böden sind deutlich trockener als früher.
Hitze
Ebenfalls stark zugenommen haben die Hitzetage. Das sind Tage, an denen die Temperatur in einer Region auf 30 Grad Celsius oder höher steigt. Hier stieg der Durchschnittswert in der Seenplatte von 3,1 (Zeitraum 1961–1990) auf 6,7 (1993–2022), in der Uckermark von 4,7 auf 9,0. Der Deutsche Wetterdienst verzeichnete auch dieses Jahr schon wieder viele Hitzerekorde. Die hohen Temperaturen sind vor allem für Vorerkrankte und Ältere gefährlich, jährlich sterben tausende Menschen in Deutschland den Hitzetod.
Maßnahmen gegen Hitze
Welche kurzfristigen Maßnahmen können Städte und Gemeinden in einer akuten Hitzewelle tun, um die Gefahren für Risikogruppen zu verringern?
- Informationen über die Hitze
- Nachbarschaftshilfe organisieren
- kühle Räume bereitstellen (Einkaufszentren, Bibliotheken, Kirchen)
- Freibäder möglichst lange offenhalten
- möglichst wenige Arbeiten im Freien am Nachmittag ermöglichen
- öffentliche Trinkbrunnen schaffen
Regional gibt es große Unterschiede. Vor allem im Osten und Südwesten liegen die Hitzetage pro Jahr deutlich höher. Insgesamt sind 189 von 400 Kreisen und kreisfreien Städten Deutschlands in der Periode 1993 bis 2022 überdurchschnittlich von Hitze(tagen) betroffen gewesen. Das heißt, dort gab es im Mittel mehr als 9,8 Tage im Jahr, die wärmer waren als 30 Grad Celsius.
Küstenhochwasser
In Mecklenburg-Vorpommern wären knapp 30.000 Menschen von einer sogenannten Jahrhundertflut betroffen. Am meisten Betroffene leben in Rostock (12.980) sowie in den Ostsee-Landkreisen Vorpommern-Greifswald (7700) und Vorpommern-Rügen (6370) sowie in Wismar (2450). An der Ostseeküste stehen vor allem Prerow, Zinnowitz und Karlshagen im Fokus, wo bei einer Flut ein großer Teil der Gemeinde betroffen wäre. In Lübeck (5300 Betroffene) und Hamburg (4600) träfe es nur einen Bruchteil der Einwohner.
Die Daten stammen aus der Risikobewertungen der Bundesländer und werden vom Bundesamt für Gewässerkunde alle sechs Jahre veröffentlicht (zuletzt 2019). Eine Jahrhundertflut bedeutet ein Hochwasserereignis, das im Durchschnitt einmal in 100 Jahren auftritt. Auffällig ist, dass insbesondere im Osten Mecklenburgs vergleichsweise viele Menschen durch Jahrhundertfluten gefährdet wären. Dies hängt auch mit der Beschaffenheit der Ostseeküste zusammen, die andere Schutzvorrichtungen als Deiche erfordert.
Aus Sicht des Städte– und Gemeindebundes muss der Schutz vor den Folgen von Extremwetterereignissen sogar in der Verfassung verankert werden. Angesichts zu erwartender Milliardenkosten müsse die sogenannte Anpassung an den Klimawandel künftig als echte Gemeinschaftsaufgabe in Artikel 91a des Grundgesetzes verankert werden, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Damit dürfte dann der Bund den Kommunen Geld für Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung stellen.
Im Artikel 91a des Grundgesetzes werden solche gemeinschaftlichen Aufgaben geregelt. Derzeit gehört unter anderem der Küstenschutz dazu. Gerade erst hat das Bundeskabinett ein bundesweit geltendes Klimaanpassungsgesetz beschlossen. Künftig werden auch die Landkreise sogenannte Klimaanpassungskonzepte ausarbeiten müssen.
In Mecklenburg-Vorpommern drängen die Grünen drängen angesichts langer Hitzeperioden und der Zunahme anderer Extremwetterlagen darauf, die Klimaanpassung in MV voranzutreiben. Sie legten dazu im Landtag einen Maßnahmenkatalog vor, fanden für ihre Vorschläge aber keine direkte Unterstützung durch die anderen Fraktionen. Der Grünen–Abgeordnete Hannes Damm warf der rot–roten Landesregierung vor, bei dem Thema zu „zögern und zu zaudern“ und damit wichtige Zeit verstreichen zu lassen.
Diese Recherche ist Teil einer Kooperation des Nordkurier mit Correctiv, NDR, BR und WDR. Das Netzwerk Correctiv.Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, darunter in einem Schwerpunkt langfristig über die Klimakrise. Mehr Informationen gibt es auch unter correctiv.org/klima

So will die Regierung vor Extremwetter schützen
Mehr Bäume, mehr begrünte Dächer: Die Bundesregierung will Deutschland an die Folgen des Klimawandels anpassen und das per Gesetz regeln. Was bedeutet das für die Städte und Kommunen?
Was ist Klimaanpassung?
Bei der Klimaanpassung wird Vorsorge getroffen vor Folgen des Klimawandels, die sich nicht mehr vermeiden lassen. Also zum Beispiel besser auf Wetterextreme wie Dürren, Starkregen oder Hitzephasen vorbereitet zu sein sowie Risiken zu minimieren und Schäden zu vermeiden.
Konkret heißt das zum Beispiel möglichst wenige Flächen zu versiegeln, damit das Regenwasser abfließen kann und es nicht zu Überschwemmungen kommt. Oder deutlich mehr Schattenplätze in Städten zu schaffen, um die Menschen - insbesondere vulnerable Gruppen wie Ältere - vor Hitze und zu viel UV-Strahlung zu schützen.
Warum braucht es dieses Gesetz?
Schon jetzt hat sich die Erde um etwa 1,1 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit aufgeheizt, in Deutschland sind es sogar 1,6 Grad. Nach Ansicht des Präsidenten des Umweltbundesamts, Dirk Messner, lässt sich der Klimawandel nicht mehr komplett stoppen. „Wir werden den Klimawandel nur noch begrenzen können. Die globalen Temperaturen werden wahrscheinlich um über zwei Grad ansteigen, wenn wir uns nicht radikal verbessern. Deswegen ist Klimaanpassung mittlerweile ein ebenso wichtiges Stichwort wie der Klimaschutz selbst“, sagte Messner.
Extremwetterereignisse sorgen bereits jetzt für große Zerstörungen, wie die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands vor rund zwei Jahren. Dabei waren allein in Rheinland-Pfalz mindestens 136 Menschen ums Leben gekommen. Im benachbarten Nordrhein-Westfalen starben 49 Menschen. Eine Studie im Auftrag der Bundesregierung hatte ergeben, dass diese Schäden mehr als 40 Milliarden Euro verursacht haben. Auf Deutschland könnten durch die Erderwärmung bis 2050 Kosten von bis zu 900 Milliarden Euro zukommen.
Was ist der Kern des Gesetzes?
Bis Ende 2024 will die Bundesregierung eine Anpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorlegen. Das wäre noch bevor der nächste Bundestag gewählt wird. Außerdem sollen die Bundesländer verpflichtet werden, ebenfalls eigene Anpassungsstrategien zu erarbeiten. Einige Bundesländer haben dies bereits.
Wichtiger Aspekt des Gesetzentwurfes ist das Berücksichtigungsgebot - demnach soll künftig beim Planen und Entscheiden immer auch geschaut werden, welche Auswirkungen des Klimawandels dabei zu beachten sind. Also beispielsweise vor dem Bau von Gebäuden zu beachten, ob dort Überschwemmungen drohen könnten.
Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner, wünscht sich da jedoch noch präzisere Formulierungen. Einige Bereiche „müssen wir noch ein bisschen unterfüttern“, sagte er der dpa. So müsse das Berücksichtigungsgebot nicht nur für Grundstücke des Bundes, sondern beispielsweise auch für den privaten Sektor gelten.
Wer ist betroffen?
Die Klimaanpassung ist zum großen Teil Aufgabe der Bundesländer. Daher kann die bundesweite Strategie nur einen Rahmen geben. Auch den Kommunen kommt bei der Klimaanpassung eine zentrale Rolle zu. Schließlich liegen Straßen, Kanalisation, öffentliche Gebäude oder Krankenhäuser oftmals in kommunaler Hand.
Was kostet das?
Billig wird es nicht, das steht fest. Der Deutsche Städtetag verweist auf die Notwendigkeit erheblicher Investitionen - und forderte mehr Unterstützung. „Bund und Länder schätzen den Finanzbedarf für Klimaanpassungsmaßnahmen in Ländern und Kommunen bis 2030 auf insgesamt 55 Milliarden Euro und den Personalbedarf für die Umsetzung auf 16.200 Stellen“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Mit den bestehenden Förderprogrammen ist es unmöglich, diese nötigen Maßnahmen flächendeckend umzusetzen. Bund und Länder müssen deshalb mehr Verantwortung übernehmen.“
Wer zahlt es?
Die Finanzierung ist ein Knackpunkt des Gesetzes. Denn der Bund kann Kommunen nicht direkt finanzieren, das geht bislang nur bei Modellprojekten. Doch Maßnahmen zur Klimaanpassung - wie beispielsweise eine Deichrückverlegung - kann schon mal 20 Jahre dauern. Auch wenn das Gesetz selbst 2024 in Kraft treten soll, könnte eine Finanzierung daher erst in der nächsten Legislaturperiode klar sein.
Das Bundesumweltministerium bestätigt der dpa, dass den Kommunen bislang eine verlässliche Finanzierung für ihre Klimaanpassung fehlt. Doch die Aufgabe sei „zu umfangreich und herausfordernd, als dass sie ohne Hilfe des Bundes bewältigt werden könnte - sowohl, was die Finanzierung, aber auch was die überregionale Koordinierung von Maßnahmen angeht“, sagte ein Sprecher. Wie eine dauerhafte gemeinsame Finanzierung von Klimaanpassung durch Bund und Länder gelingen kann, werde mit der Umweltministerkonferenz diskutiert.