Bürgerwehr-Pläne
Streit um Sicherheit an der Grenze
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Robert Kiesel
"Macht euch keine Sorgen, wir haben alles unter Kontrolle." Mit dieser Botschaft überraschte vor wenigen Tagen ein Sprecher der Bundespolizei im Interview mit dem Nordkurier. Angesichts zahlreicher Einbrüche und Diebstähle fühlen sich gerade Bewohner der Grenzregion allein gelassen, denken laut über die Gründung von Bürgerwehren nach.
Besonders betroffen: die Landwirte. "Wir haben knapp 20 Betriebe, bei denen einmal oder vielfach eingebrochen wurde. Die sind natürlich wenig begeistert", sagt dazu Petra Döhler. Sie ist Vorsitzende des Regionalen Bauernverbands Uecker-Randow, vertritt die Interessen der Betriebe, die neben Diesel oder Weidezäunen auch Radlader, Traktoren oder ganze Ernten aufgrund von Diebstahl einbüßen mussten. "Viele melden kleinere Diebstähle schon gar nicht mehr an die Polizei", erzählt sie weiter, die könne ja eh nichts mehr machen.
Ist die Stellenkürzung schuld?
Die Gründe dafür meint Marco Bialecki von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) genau zu kennen. So seien den Beamten durch die anhaltende Stellenkürzungen die Hände gebunden. "Wir sind an einem Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht", sagt Bialecki. "Die Situation läuft aus dem Ruder, das Sicherheitsgefühl vor Ort ist verschwunden", setzt er fort. 1000 Stellen habe die Landespolizei in den vergangenen zehn Jahren gestrichen, hinzu kommen die von der Bundespolizei selbst nicht bezifferten Stellenkürzungen bei den Grenzpolizisten. "Wenn ihr Kontrollen wollt, dann gebt uns Kräfte", sagt er in Richtung der politisch Verantwortlichen, schließlich bezahlten die Bürger dafür mit ihren Steuern.
Im Schweriner Innenministerium, zuständig für die Organisation und Ausstattung der Landespolizei, sieht man für Alarmstimmung von Seiten der Polizeigewerkschaft keinen Anlass. In einer Antwort des Ministeriums heißt es: "Der Personalabbau in der Landespolizei ist durch diverse Ausgleichsmaßnahmen und Qualitätsverbesserung in der polizeilichen Aufgabenerledigung ausgeglichen worden." Die Polizeistärke in den Revieren sei trotz Personalabbaus sogar um 9,9 Prozent gestiegen. Wie das bei einer weiter sinkenden Anzahl von Planstellen funktionieren kann, bleibt unklar. Dafür verwies das Ministerium darauf, dass die Reaktionszeit der Beamten im Januar 2013 bei 20,8 Minuten gelegen habe.
Auch auf polnischer Seite wurden Grenzkräfte abgebaut
Eine Zahl, über die Marco Bialecki nur müde lächeln kann. "Das mag ja für den Streifenwagen stimmen, aber wenn ich dann noch Verstärkung anfordern muss, kann daraus schnell mal eine Stunde und mehr werden", gibt der Gewerkschafter zu bedenken.
Gedanken macht sich auch Andrzej Kotula. Der polnische Journalist lebt in Stettin und beobachtet die Entwicklung entlang der deutsch-polnischen Grenze intensiv. Sein Fazit: "Auf beiden Seiten sind nach dem Schengen-Abkommen die Grenzkräfte zu schnell abgebaut worden." Zwischen denen hatte sich eine gute Zusammenarbeit entwickelt, ganz anders als bei den Polizeien der Länder. Dort gebe es "kein gemeinsames Denken, keine gemeinsame Statistik". An beide Seiten der Grenze adressiert lautet seine Forderung: "Ich wünsche mir mehr Polizisten und eine bessere Kooperation."