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Erik von Malottki

Über die „surrealen” ersten Tage im Bundestag

Berlin / Lesedauer: 4 min

Erik von Malottki ist der neue Abgeordnete für das südöstliche MV im Bundestag. Die ersten Tage in der Hauptstadt seien für ihn nun „wie im Film” gewesen, ein erstes Ziel für seine Politik hat er aber bereits gefunden.
Veröffentlicht:02.10.2021, 16:35

Von:
  • Simon Voigt
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„9900 Euro, ganz schön viel.” Erik von Malottki stand gerade vor seinem Hotel in Berlin, als er diesen Satz in die Kamera seines Smartphones sprach. Noch etwas zerzaust begrüßte er seine Follower bei Instagram an diesem Morgen und berichtete, dass er nun so viel Geld im Monat verdienen werde. Dann nahm er sie wieder mit in seine neue Welt: in den Bundestag.

Erik von Malottki (SPD) hatte bei der Wahl am Sonntag das Direktmandat im Wahlkreis 16 (Mecklenburgische Seenplatte I – Vorpommern-Greifswald II) gewonnen. Er ist damit der neue direkt gewählte Abgeordnete für die Region von Neubrandenburg bis nach Usedom, in Anklam, Pasewalk, Torgelow und Ueckermünde und löst seinen Vorgänger Philipp Amthor (CDU) ab. Es war ein Zittersieg, bei der Auszählung lag lange Enrico Komning (AfD) vorne, erst am Montag gegen 1 Uhr war klar, dass von Malottki mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen hat. Komning und Amthor wird der SPD-Mann aber im Reichtstagsgebäude wiedersehen, da sie über Listenplätze wieder in den Bundestag einziehen.

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Montagabend fuhr er dann also nach Berlin, am Dienstag begann schon die Vorbereitung für die Arbeit im Parlament: Einführungsveranstaltungen mit den neuen Abgeordneten, eine erste Fraktionssitzung, Treffen mit den Jungsozialisten in der SPD (Jusos), denen er als 35-Jähriger angehört. Zwischendurch sprach er immer wieder in sein Handy, führte staunend durch einen Tunnel, der die Gebäude des Bundestags verbindet, zeigte stolz seine Berechtigung, ab jetzt kostenlos mit der Bahn fahren zu können. In der Stadt war er dann aber erst einmal mit dem Taxi unterwegs, bis ihm jemand sagte, dass er auch den Fahrdienst des Bundestags nehmen kann.

Höhere Löhne für die Abgeordneten-Chauffeure

Der Chauffeur habe ihm dann direkt von seinen Arbeitsbedingungen erzählt und das er keinen Tariflohn bekomme. „Das ist Wahnsinn. Wir werden hier mit BMW-Limousinen durch die Stadt gefahren, während die Fahrer für einen Niedriglohn arbeiten”, sagt Erik von Malottki dem Nordkurier. „Diese Ungerechtigkeit ist für mich nur schwer zu ertragen.”

So bekam der Chauffeur ein Trinkgeld für die Fahrt und Malottkis erstes Ziel sei es nun, einen Tarifvertrag für alle Beschäftigten der BwFuhrparkService GmbH durchzusetzen, die einen Großteil des Fahrdienstes stellt. Dieses Tochterunternehmen der Bundeswehr hat auch Standorte in Neubrandenburg und Torgelow – sein Wahlkreis. Für den Tariflohn hätten schon andere Abgeordnete gekämpft, was aber an der Union gescheitert sei.

Erik von Malottki hofft nun, sich gleich zur Konstituierung des neuen Bundestags darum kümmern zu können. „Ich will Politik machen”, sagt er. Ein Tweet zu diesem Thema brachte ihm mehr als 19.000 Herzen ein – jetzt muss er liefern. Auf den Hinweis, dass dieses Problem schon lange bekannt sei, antwortete er: „Wollen wir es trotzdem ändern?”

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Als nächstes will er sich erst einmal ein Fahrrad für Berlin anschaffen, um zu den Terminen in der Hauptstadt zu gelangen. „Für die öffentlichen Verkehrsmittel bleibt oft keine Zeit.” Den Fuhrpark will er erst wieder nutzen, wenn es den Tarifvertrag gibt.

Erste Tage waren wie im Film

Erik von Malottki sagt das alles am Telefon, als er am Freitag wieder zu Hause in Greifswald war und seinen Sohn im Kinderwagen durch die Gegend schob. Die Stadt liegt bereits außerhalb seines Wahlkreises, um trotzdem überall präsent zu sein, will er nun Büros einrichten und Personal einstellen. Seinen bisherigen Job bei der Gewerkschaft GEW wolle er sobald wie möglich aufgeben und das Gehalt bis dahin spenden.

Keine Nebentätigkeiten – das habe er im Wahlkampf gegen Philipp Amthor versprochen und dafür werde er nun stehen. „#unbestechlich” steht ganz oben auf seinen Social-Media-Profilen, eine Einladung der Waffenlobby habe er schon abgelehnt.

Die ersten Tage im Bundestag seien für ihn „surreal” gewesen, „wie im Film”. Mental so richtig darauf vorbereitet gewesen sei er nicht, schließlich schien sein Wahlsieg sehr lange sehr unwahrscheinlich. 2017 lag der SPD-Kandidat im Wahlkreis noch auf Platz vier, nun konnte er Linke, CDU und AfD hinter sich lassen. In den nächsten Wochen werde sich nun entscheiden, was seine Rolle sein wird. „Der Bundestag ist jünger geworden, es gibt richtig gute Leute, die das Land sozialer machen wollen.”

„Wir haben uns gerade erst von den Schröder-Jahren erholt”, sagte er zudem dem britischen Guardian, der inzwischen auch über den neuen Abgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern geschrieben hat. „Wenn wir jetzt nicht abliefern, was wir versprochen haben, wird all das, was wir erreicht haben, in vier Jahren wieder weg sein.”

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