▶ Verbotene Videos bei der Polizei in Vorpommern
Greifswald / Lesedauer: 5 min

Am Dienstag demonstrierten in Greifswald bis zu 500 Menschen gegen die Rückkehr des Rechtsprofessors und früheren AfD-Abgeordneten Ralph Weber an die Universität Greifswald. Neben dem umstrittenen Dozenten zog während der Demonstration zeitweise aber auch ein Polizist die Aufmerksamkeit auf sich, der die protestierende Menge vor dem Audimax der Universität filmte. Oder zu filmen schien, denn genau darüber gibt es nun Diskussionen.
Verbotene Aufnahmen durch die Polizei?
Weber hielt die erste Vorlesung nach seiner Rückkehr aus dem Landtag in einem Hörsaal des Audimax, das er nur über den Hintereingang und unter Polizeischutz betreten konnte. Während der Demonstration tauchte ein Polizist an einem Fenster im Obergeschoss des Hörsaalgebäudes auf und hielt dabei ein Smartphone vor sich in der Hand. Das belegen Fotos, die Teilnehmer während der Demonstration angefertigt hatten. Das Problem: Laut Versammlungsgesetz darf die Polizei Demonstrationsteilnehmer nur bei einer konkreten Gefahrenlage filmen oder fotografieren.
Twitter-Nutzer konfrontierten damit noch während der Demo die Polizei, die diese Szene zuerst grundsätzlich abstritt. „Wir nehmen Ihren Hinweis ernst und haben den Vorwurf geprüft. Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass es sich nicht um einen Mitarbeiter der Polizei bzw. des Sicherheitsdienstes handelte”, hieß es vom Account der Polizei Vorpommern-Greifswald auf die Frage eines anwesenden Reporters.
Schnell tauchten allerdings Fotos auf, die eindeutig einen Polizisten zeigten, der am Fenster des roten Backsteinbaus steht. Die Polizei sicherte darauf eine erneute Prüfung zu und kam dann, mehr als zwei Stunden später, auf dieses Ergebnis: „Eine erneute Prüfung hat ergeben, dass es sich um einen Polizeibeamten gehandelt hat. Dieser hat mit seinem Smartphone keine Bild- oder Videoaufnahmen gefertigt. Dem Beamten war nicht bewusst, dass er diesen Eindruck erweckt hat. Die @PolizeiVG bittet um Entschuldigung.”
„Das ist doch lächerlich”
Diese Gemengelage sorgte in der Folge für reichlich Diskussionen bei Twitter, die noch immer anhalten. So schrieb eine Nutzerin: „Erst ist es kein Polizist, dann ist es doch ein Polizist, aber angeblich filmt er nicht, sondern lüftet lediglich sein Handy, oder was? Warum untergraben Sie hier mutwillig das Vertrauen in die Polizei, statt die Sache wirklich aufzuklären? Das ist doch lächerlich!”
Am anderen Ende des Twitter-Accounts saß an diesem Tag Andrej Krosse, Pressesprecher der Polizeiinspektion in Anklam. Auf Anfrage des Nordkurier räumte dieser am Mittwoch ein, dass seine erste Antwort bei Twitter nicht korrekt war. Zu diesem Zeitpunkt des Einsatzes sei man aber davon ausgegangen, dass sich kein Polizist in dem Hörsaal befinde.
Als sich diese Annahme als falsch herausstellte, habe es umgehend „interne Maßnahmen” gegeben, so Krosse, über deren Details er allerdings nichts genaues mitteilen wollte. Nur so viel: Dabei sei herausgekommen, dass der Polizist tatsächlich keine Aufnahmen der Demonstration auf seinem Smartphone habe. „Uns ist bewusst, dass bei diesem Thema die Emotionen hochkochen und wir nehmen es sehr ernst”, versicherte Krosse am Vormittag.
Polizist hatte doch gefilmt
Am Abend schickte die Polizei dann ein umfangreiches Statement hinterher, in dem sie ihre Darstellung abermals revidierte. So räumte sie ein, dass der fragliche Polizist doch mit seinem Smartphone gefilmt hatte. Dies habe er am Mittwoch in einem Gespräch mitgeteilt, die Aufnahmen habe er demnach im engsten Familienkreis geteilt.
Die kurze Videosequenz soll nur eine Übersichtsaufnahme der Demonstration gezeigt haben, jedoch keine Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Detail. Der Polizist soll, wie es in dem Statement heißt, das Video nur angefertigt haben, um seiner Familie den aktuellen Einsatz zu zeigen. Und weiter: „Der betroffene Beamte versicherte, dass er das Video anschließend gelöscht und inzwischen dafür Sorge getragen habe, dass das aufgenommene Video auch im Familienkreis gelöscht werde.”
„Wir sehen keinen Grund, an der Aussage des Beamten zu zweifeln und bitten für sein unüberlegtes Handeln um Entschuldigung”, schreibt die Polizei. Ihm sei nicht bewusst gewesen, welche Auswirkung die private Nutzung seines Smartphones im Zusammenhang mit einer Versammlung haben könne.
Polizisten sollen nun geschult werden
Es sei nicht das Bestreben der Polizei in Vorpommern-Greifswald, mit solchen Fotos oder Videos Einfluss auf das Verhalten der Demonstranten zu nehmen. Zukünftig solle es dazu Schulungen geben.
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Ihre zunächst falsche Darstellung in einem Beitrag auf Twitter begründet die Polizei so: „Um dem Informationsbedürfnis der Bürgerinnen- und Bürger in den sozialen Netzwerken schnell gerecht zu werden, ist es gestern vorgekommen, dass Überprüfungsergebnisse vorschnell veröffentlicht wurden.” Dafür bitte man um Entschuldigung.
Am Ende schreibt die Polizei dann noch in ihrem mehr als 500 Wörter langen Statement, dass die Demonstration, wie schon am 1. Mai in Greifswald, friedlich verlaufen sei. Die Greifswalderinnen und Greifswalder hätten erneut gezeigt, dass sie friedlich und störungsfrei ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnähmen.
Sehen Sie hier unseren Video-Bericht zur Demonstration vom 2. November 2021: