Posse um OB-Wahl
Vorpommerns wichtigste Fußmatte unter der Lupe
Greifswald / Lesedauer: 4 min

Gabriel Kords
Greifswald. So eine Wahlprüfung ist eine ernste Angelegenheit: Immerhin geht es um ein hohes Gut der Demokratie, das Wahlrecht. Und doch konnten beim Vor-Ort-Termin des Greifswalder Wahlprüfungsausschusses mitunter Zweifel daran aufkommen, wie ernst die Teilnehmer die ganze Angelegenheit überhaupt nehmen. So glich die „Inaugenscheinnahme“ des Wahllokals, in dem es bei der Oberbürgermeister-Stichwahl am 10. Mai Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll, über weite Strecken eher einem gut gelaunten Sonntagsausflug als einem Ausschuss-Termin.
Da war etwa der Ausschuss-Vorsitzende Professor Wolfgang Joecks (SPD), der gleich zu Beginn spottete, er werde die Fußmatte, die im Mittelpunkt des Interesses stand, konfiszieren und später dann dem neuen Oberbürgermeister – wer auch immer das sei – ins Amtszimmer hängen lassen. Nun gehören Spötteleien wie diese zu Joecks Markenzeichen – und irgendwie ist die ganze Angelegenheit ja auch ziemlich lachhaft.
Noch immer kein Wähler, der nicht wählen konnte
Weil eine Fußmatte, die eigentlich eine der Eingangstüren des Wahllokals hätte offenhalten sollen, nicht tat, was sie sollte, war das Wahllokal am Wahltag für eine gewisse Zeit nur über einen seiner beiden Eingänge erreichbar. Die Frage ist: Könnten deswegen Wähler an der Stimmabgabe gehindert worden sein? Muss die Wahl deshalb womöglich wiederholt werden?
Obwohl der Vorfall seit Wochen Stadtgespräch in der Kreisstadt ist, hat sich bislang jedenfalls noch kein Wähler gefunden, der seine Stimme wegen des Vorfalls nicht abgeben konnte. Was unter anderem daran liegen könnte, dass der zweite Eingang des Wahllokals kaum zu übersehen war. Dennoch: Die CDU, deren Kandidat Jörg Hochheim bei der Stichwahl mit 15 Stimmen gegen Stefan Fassbinder (Grüne) unterlegen war, fordert zumindest eine Nachwahl im entsprechenden Stimmbezirk.
Nun soll jedoch zunächst der Ausschuss noch einmal alles ganz genau prüfen. Wirklich Erhellendes brachte der Vor-Ort-Termin allerdings nicht: Ja, die Tür war wohl für einen Zeitraum zwischen einigen Minuten und einigen Stunden verschlossen. Zur Länge der folgenschweren Türschließung gibt es inzwischen mehrere widersprüchliche Angaben. Abgesehen von der zweiten – durchgehend geöffneten – Tür, herrschte in dem Haus, einem Seniorenheim, am Wahltag, der zugleich Muttertag war, reger Betrieb.
Die Beschwerdeführer könnten auch noch klagen
Letztlich war der Vor-Ort-Termin daher eine bloße Formsache, wie wohl auch die große öffentliche Anhörung aller Beteiligten am kommenden Freitag keine neuen Erkenntnisse mehr bringen wird. Dennoch: Bis September hat Wolfgang Joecks dann Zeit, einen Bericht zu schreiben, auf dessen Grundlage die Bürgerschaft dann erneut über die Vorfälle beraten und entscheiden soll, ob der im Mai gewählte Oberbürgermeister sein Amt antreten kann oder ob die Wahl ganz oder teilweise wiederholt werden muss.
Sofern die Wahl nicht wiederholt wird, könnten die Beschwerdeführer, darunter Jörg Hochheim, auch noch gegen die Wahl klagen. Das, so war aus CDU-Kreisen wiederholt zu vernehmen, werde auch sehr ernsthaft erwogen. In diesem Fall könnte die endgültige Entscheidung über den Oberbürgermeister wohl erst in Jahren fallen.
Und was macht derweil Jörg Hochheim (CDU)? Der unterlegene Kandidat, zugleich städtischer Bausenator und Vize-Oberbürgermeister, setzt seinen Wahlkampf sicherheitshalber erst einmal fort. Am Donnerstag ließ er sich per städtischer Presse-Mitteilung dafür feiern, dass in den vergangenen Wochen vier große Bauprojekte in der Stadt fertiggestellt worden sind, darunter der Museumshafen und das Mühlentor. Investitionsvolumen: Fast acht Millionen Euro.
Stefan Fassbinder, der eigentlich in diesem Monat in sein Amt eingeführt werden sollte, muss derweil abwarten. Immerhin: Bis er sein Amt antritt, kann er seinen Job als Historiker beim Pommerschen Landesmuseum weiter ausüben.