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Immobilienpreise

Warum der Traum vom Eigenheim für viele platzt

Berlin / Lesedauer: 7 min

Zinsen, Baukosten und Immobilienpreise steigen – Normalerverdiener können sich kaum noch eine Wohnung oder gar ein Haus leisten. Das wird zunehmend ein gesellschaftliches Problem.
Veröffentlicht:07.04.2022, 05:54

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Schon alleine beim Anblick der Zahlen kann einem schwindelig werden. Die Preise für Wohnimmobilien haben in den vergangenen Jahren enorm zugelegt. Und zwar nicht nur in den Top-Metropolen wie Berlin, Hamburg, Frankfurt oder Düsseldorf, sondern auch im ländlichen Raum.

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Steigerungen von 50 Prozent im ländlichen

In Neubrandenburg stiegen die Preise für Eigenheime laut Daten der Landesbausparkassen in den vergangenen fünf Jahren um rund 50 Prozent, heute werden für ein Wohnhaus durchschnittlich 290.000 Euro fällig. Auch in Neustrelitz (240.000 Euro), Stralsund (275.000 Euro) oder Greifswald (320.000 Euro) kann man kaum noch von moderaten Preisen sprechen.

Auch die Zinsen steigen drastisch

Allerdings ist das kein Vergleich mit den Durchschnittspreisen in den Großstädten. In München zahlen Käufer für eine Immobilie inklusive Nebenkosten durchschnittlich 905.000 Euro, in Hamburg 750.000 Euro, sagt Jörg Utecht, Vorstandsvorsitzender der Interhyp, dem nach eigenen Angaben größten Vermittler privater Baufinanzierungen Deutschlands. Bundesweit kostet eine Immobilie durchschnittlich 540.000 Euro, wobei alleine im ersten Quartal 2022 die Preise um 14 Prozent gestiegen sind.

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Und nicht nur das: Jetzt kommen auch noch gestiegene Bauzinsen hinzu. Alleine in den letzten drei Monaten haben sich die Zinsen für Hypothekenkredite von rund einem auf rund zwei Prozent verdoppelt, nach Interhyp-Schätzungen ist in diesem Jahr mit einem Anstieg auf 2,5 oder 3 Prozent zu rechnen.

Befinden wir uns in einer Immobilienblase?

Die Zeiten, in denen sich eine junge Familie ein Haus kaufen und es im Laufe ihrer Arbeitsjahre abbezahlen konnte, scheinen vorbei. Die Interhyp führte deshalb eine repräsentative Studie unter Käufern und Interessenten durch, um einen Überblick darüber zu bekommen, wie die Entwicklungen am Immobilienmarkt in der Bevölkerung wahrgenommen werden.

Die rund 1000 Befragten beschrieben die Situation mit dramatischen Worten. So seien die Preise „in astronomische Höhen gestiegen” und „aus den Fugen geraten”, der gesamte Immobilienmarkt sei "überhitzt” und der Kauf einer Immobilie nur noch „etwas für Millionäre”, teilten die Befragten mit. Und sie zogen Konsequenzen: 51 Prozent gaben an, dass ein Immobilienkauf in ihrer Wunschregion „kaum” bis „gar nicht” leistbar sei. 29 Prozent mussten den Immobilienkauf verschieben oder hinauszögern und 7 Prozent haben den Traum vom Eigenheim komplett aufgegeben.

Platzt die Immobilienblase bald? Wohl eher nicht

Viele Bürger sind derart erschrocken über die gestiegenen Immobilienpreise, dass sie zu dem Schluss kommen, dass eine Blase entstanden sein muss, die irgendwann zu platzen droht. Davon gehen 77 Prozent der Befragten aus, immerhin 44 Prozent glauben, dass sich die Preise vom wahren Substanzwert der Immobilien abgekoppelt haben. Doch das ist unwahrscheinlich. Eine Immobilienblase platzt für gewöhnlich dann, wenn eine zuvor stark gestiegene Nachfrage einbricht oder sich ein knappes Angebot schlagartig erhöht.

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Von einer sinkenden Nachfrage ist nirgendwo in Deutschland etwas zu spüren. Und ein steigendes Angebot könnte dann entstehen, wenn viele Hypothekenkredite an Käufer mit einer schlechten Bonität vergeben werden, so dass zum Beispiel steigende Zinsen zukünftige Ratenzahlungen erschweren oder gar unmöglich machen. Sollten diese Kredite in der Masse kollabieren, kommen gleichzeitig viele Immobilien durch Zwangsversteigerungen auf den Markt, wodurch die Preise schlagartig fallen – die Blase platzt, so wie es in der sogenannten Subprime-Krise im Jahr 2008 in den USA der Fall war, aus der anschließend die Finanzkrise entstand.

Immobilienkredite in Deutschland sind weitestgehend stabil

Doch genau diese Konstellation gibt es derzeit in Deutschland nicht. „Bei allen berechtigten Warnungen sehen wir nach wie vor, dass die Finanzierungen in Deutschland solide sind – mit hohen Eigenkapitalanteilen, hohen Tilgungen und eher langen Zinsbindungen”, sagt Interhyp-Chef Jörg Utecht. Zuletzt betrug die durchschnittliche Zinsbindung 14 Jahre, was bedeutet, dass auch steigende Leitzinsen individuell vorerst nicht zu einer Erhöhung der Ratenzahlungen führen. Außerdem sei der sogenannte Beleihungsauslauf – also der prozentuale Anteil des Immobilienpreises, der durch einen Kredit finanziert wird – bei der Interhyp im ersten Quartal 2022 sogar gesunken, und zwar von 81 auf 79 Prozent. Das bedeutet: Immobilienkredite werden tendenziell durch ein höheres Maß an Eigenkapital eher sicherer als unsicherer.

Daraus folgt aber ein ganz anderes Problem: Wenn der Eigenkapitalanteil bei einem Immobilienkauf prozentual unverändert bleibt oder steigt, gleichzeitig aber die Preise anziehen, dann bedeutet das, dass die Bürger immer mehr Bargeld aufbringen müssen, um sich eine Immobilie zu leisten. Das heißt, dass der Immobilienmarkt an sich zwar sicher aufgestellt ist – doch es können immer weniger Bürger daran teilhaben.

Ersparnisse und Erben sind entscheidende Faktoren beim Kauf

Der Zugang zum Markt verengt sich zugunsten jener wohlhabenden Bürger, die entweder aus einem hohen Einkommen Erspartes generieren oder aber aufgrund der eigenen Familienverhältnisse, also durch ein Erbe oder eine Schenkung, eine hohe Summe an Bargeld aufbringen können. 67 Prozent der Befragten setzen eigene Ersparnisse ein, 77 Prozent nutzen einen Kredit. Der durchschnittliche Wert der Ersparnisse der Befragten liegt bei 128.000 Euro, einer Schenkung bei 94.000 Euro und eines Erbes bei 158.000 Euro. Kein Wunder also, dass 35 Prozent derjenigen, die zuletzt erfolgreich eine Immobilie erwarben, Glück als wichtige Voraussetzung für den Kauf ansahen.

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Wenn man nun betrachtet, dass die Deutschen auch aufgrund ihrer niedrigen Wohneigentumsquote – am pro-Kopf-Vermögen gemessen – mit zu den ärmsten Bürgern der Europäischen Union gehören, ergibt sich dadurch ein klarer Auftrag: Die Politik muss durch staatliche Anreize wie zum Beispiel eine Senkung der Grunderwerbssteuer oder kommunale Fördermittel den Immobilienkauf für Normalverdiener vereinfachen. Gleichzeitig dürfen sich auch die Bürger nicht von den stark gestiegenen Preisen abschrecken lassen.

Jüngere wollen für das Eigenheim seltener Opfer bringen

Denn die Interhyp-Studie kam noch zu einem weiteren Schluss: Die wenigsten Kaufinteressenten rechnen eine Immobilienfinanzierung überhaupt bis zum Ende durch, sondern verlassen sich auf ungeprüfte Vermutungen und ihr negatives Bauchgefühl: „Ein Großteil der Befragten geht davon aus, dass man sich keine Immobilie leisten kann – dieser Glaubenssatz wird kaum oder gar nicht mehr hinterfragt”, sagt Interhyp-Chef Utecht. Fast zwei Drittel der Befragten wissen nicht, wie hoch die Finanzierungskosten für ihre Traumimmobilie sind und nur vier von zehn Befragten haben die Kreditkosten tatsächlich genau ausgerechnet.

Zu guter Letzt lässt die Interhyp-Studie auch Schlüsse bezüglich der Motivation der Kaufinteressenten zu. Vor allem junge Menschen wollen gerne eine Immobilie besitzen – sie sind aber nicht bereit, die Opfer für ein Eigenheim zu bringen, die die Menschen früher erbrachten. Es sei eine „Abkehr von der Generation vorher” zu beobachten, sagt Utecht. „Viele haben erlebt, wie ihre Eltern dem Eigenheim alles untergeordnet haben. Das wollen viele jüngere Menschen heute nicht mehr.”

Als Gründe für einen nicht abgeschlossenen Immobilienkauf gaben 51 Prozent der Befragten an, ihren Kredit nicht so lange abbezahlen zu wollen, 46 Prozent wollten ihre Lebensqualität nicht reduzieren. Nur 13 Prozent der Befragten erlebten tatsächlich, dass die Bank ihnen den notwendigen Kredit verweigerte. „Die Menschen wünschen sich zwar eine Immobilie, aber nicht um jeden Preis”, sagt Utecht abschließend. „Urlaube und Restaurantbesuche müssen nach wie vor möglich sein.”