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Wer schützt eigentlich die Polizei?

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Damit sich Polizisten sicherer fühlen können, erwartet die Polizeigewerkschaft von der Politik mehr als nur die Beschaffung von „überschätzten“ Elektroschockgeräten. Andere Maßnahmen wären viel effektiver.
Veröffentlicht:17.02.2023, 16:02

Von:
  • Thomas Beigang
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Die schnelle Verfügbarkeit eines Elektroimpulsgerätes, eines sogenannten Tasers, hätte möglicherweise den Angriff auf einen Greifswalder Polizisten im vergangenen September auch nicht verhindern können. Den Beamten hatte ein 24-jähriger Angreifer blitzschnell von den Beinen geholt. Der Streifenpolizist, der vor einem Jugendklub in der Hansestadt für Ruhe sorgen wollte, schlug mit dem Hinterkopf auf den Asphalt der Straße auf. Der Mann wurde bei dem Angriff lebensgefährlich verletzt.

Schockgeräte sollen „Lücke“ zwischen Pfefferspray und Dienstwaffe schließen

So ein Taser, angewendet auf kurze Distanz, soll Angreifer durch Stromstöße bewegungsunfähig machen. „Das ist aber kein Allheilmittel“, sagt Christian Schumacher, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Mecklenburg-Vorpommern. Die Schockgeräte sollen eine mögliche „Lücke“ zwischen Pfefferspray und der Dienstwaffe schließen und so eventuell Schüsse verhindern. Um die Sicherheit der Polizisten damit zu erhöhen, seien Schulungen unumgänglich, so Schumacher.

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Ihm fehle aber die rechte Überzeugung, sagt er. Schumacher will erst die Erfahrungen anderer Bundesländer abwarten, in denen der Einsatz von Tasern bereits getestet wird. In Mecklenburg-Vorpommern sind bislang erst die Beamten aus dem Sondereinsatzkommando (SEK) damit ausgerüstet. Der Einsatz der „Elektro-Pistolen“ ist aber weiter umstritten. Kritiker sehen gesundheitliche Gefahren, wenn etwa der Getroffene an einer Krankheit leidet oder unter Drogeneinfluss steht.

MV-Innenminister Christian Pegel (SPD) schließt die Anschaffung von Elektroschockgeräten für weitere Teile der Polizei nicht aus. Er wolle aber auch zunächst die Erfahrungen anderer Bundesländer auswerten, sagte Pegel unlängst. Zum jetzigen Zeitpunkt lehnt er die von der AfD geforderte Ausstattung der Einsatzbeamten im Nordosten mit Distanz-Elektroimpulsgeräten ab. Allerdings sagte der Minister, es sei „kein Nein auf alle Ewigkeit“.

Zahl der Gewalttaten am stärksten in MV gestiegen

Die neu entflammte Diskussion kommt nicht von ungefähr. Denn die neueste Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) hat offenbart, dass nirgendwo in Deutschland die Zahl der Gewalttaten gegenüber Polizeibeamten so stark gestiegen ist wie in MV. 912 Übergriffe mussten im Jahr 2021 registriert werden, ein Anstieg um mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 22 der Angriffe wurden als gefährliche Körperverletzung angezeigt, einer sogar als versuchter Totschlag. „Nicht zu reden von Beleidigungen, Bedrohungen und Nötigungen“, so GdP-Landeschef Schumacher.

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Er erklärt, „seine“ Leute stets und ständig zu ermutigen, auch Anzeigen zu erstatten, wenn ihnen verbale oder körperliche Gewalt begegnet. Nur so könne den Verantwortlichen in der Politik ein klares Bild vermittelt werden, was Polizisten im Alltag begegnet. „Viele Kollegen erzählen mir aber auch, die Anzeigen hätten nur wenig Sinn, weil Richter in Prozessen zu milde Urteile gegen Gewalttäter fällen“, so Schumacher weiter. Polizisten stünden als Repräsentanten des Staates zudem gegenwärtig besonders im Fokus der zahlreicher werdenden Gegner der Staates – Gewalt eingeschlossen.

„Es fehlt an Personal in diesem dünn besiedelten Flächenland“, klagt Schumacher. Aber im Gegensatz zur Bildungsministerin in Schwerin, die offensiv um neue Lehrer kämpfe, herrsche im Innenministerium dazu nur Schweigen, blickt der Gewerkschafter auf den Dienstherren. „Ein besetzter zweiter oder dritter Streifenwagen in der Nachtschicht, das wäre ein probates Mittel, die Sicherheit der Kollegen zu verbessern“.