Schröder, Sellering, Schwesig
Wie filzig ist die Russland-Politik der MV-SPD?
Schwerin / Lesedauer: 5 min

Andreas Becker
Es herrschte typisches Ostseewetter an diesem Tag Anfang August vergangenen Jahres. Ein wenig Sonne, ein paar Wolken und der fast schon übliche Wind an der Küste. Da passten die Worte von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Die Zeit der „großen, theoretischen, politischen Debatten“ sei vorbei, betonte die SPD-Politikerin. „Es geht darum, es ganz konkret zu machen.“
Wasserstoff aus Putins russischem Erdgas?
Und das bedeutete an jenem 5. August: In Warnemünde wurde die Wasserstoff-Hanse aus der Taufe gehoben. Sie soll Kräfte bei Produktion, Transport und Nutzung von grünem Wasserstoff bündeln. Und dazu werden halt auch Wind und Sonne benötigt.
Doch noch sei die Technologie nicht komplett marktfähig, räumte Schwesig ein. „Bis wir bei 100 Prozent sind, brauchen wir einen Übergang. Und der Übergang ist bisher Gas“, spielte die Ministerpräsidentin auf die seinerzeit noch in Bau befindliche und mittlerweile fertiggestellte, aber noch nicht in Betrieb gegangene Erdgas-Leitung Nord Stream 2 an.
Strafbefehl gegen Gründer der Wasserstoff-Hanse
Auch wenn die Pipeline bei der Gründung der Wasserstoff-Hanse nicht vordergründig im Mittelpunkt stand, war Schwesigs Parteifreund Gerhard Schröder ebenfalls in Warnemünde mit von der Partie. Nicht im Auftrag russischer Energiekonzerne, wo er diverse Jobs an wichtigen Schalthebeln ausübt, sondern in seiner Funktion als Vorsitzender des Beirats der Euref-Energy Innovation GmbH.
Das Unternehmen sieht sich als Bindeglied zwischen Forschung und Wirtschaft bei der Entwicklung und Umsetzung klimaneutraler Energielösungen und war Gründungsmitglied in der Wasserstoff-Hanse. Mit im Boot zum Startschuss des neuen Netzwerks waren neben der Landesregierung der Hafenbetreiber Rostock Port, die Fraunhofer Gesellschaft und Unternehmen wie der Pumpenhersteller Wilo.
War die Wasserstoff-Hanse im August 2021 mit viel Brimborium gegründet worden, ist es mittlerweile still um die Initiative geworden. Laut eines Berichts des Webportals t-online in dieser Woche habe die mit federführende Euref AG auf Anfrage mitgeteilt, sie sei sich bewusst, „dass das Vorhaben Wasserstoff-Hanse in der aktuellen Situation nicht mehr nur ein klimapolitisches ist“. Deswegen habe sie der Landesregierung mitgeteilt, es nicht weiter fortzuführen. Auch ein weiteres zentral beteiligtes Unternehmen habe angegeben, nicht mehr in der Initiative mitzuwirken.
Strafbefehl gegen Gründer der Wasserstoff-Hanse
Gründe für den Rückzug seien nach einem Bericht von t-online offenbar sowohl ein rechtskräftiger Strafbefehl gegen einen der Gründer der Wasserstoff-Hanse – Reinhard Hüttl, Geschäftsführer des Unternehmens Euref-Energy Innovation – als auch die politischen Spannungen um die deutsche-russische Gas-Pipeline Nord Stream 2.
Um in dem Zusammenhang die Materie Wasserstoff zu durchdringen, muss man wissen, dass die Herstellung des Stoffes sehr energieintensiv ist. Klimaneutral, so sagen Umweltschutzverbände, sei Wasserstoff nur, wenn zur Produktion erneuerbare Energien verwendet würden. Dann wird vom sogenannten „Grünen Wasserstoff“ gesprochen. Der „Blaue Wasserstoff“, der etwa aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas oder Methan gewonnen wird, gilt bei Umweltorganisationen oder auch dem grünen Bundeswirtschaftsminister eher als Scheinlösung des Klimaproblems.
Aber: „Blauer Wasserstoff“ könnte durch die großen Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 fließen, mit denen der russische Staatskonzern Gazprom Erdgas nach Deutschland schickt. So ließe sich laut t-online auch das Interesse des Nord-Stream-2-Verwaltungsratsvorsitzenden Gerhard Schröder an der vermeintlich klimaneutralen Wasserstofftechnologie erklären.
Wasserstoff aus Erdgas wäre nicht wirklich grün
Die Gazprom-Tochter betont seit Langem die Möglichkeit, die Pipelines für Wasserstofftransport zu nutzen. „Grünen Wasserstoff“ könnte Russland nicht in relevanten Mengen produzieren – es fehle nicht nur die Sonne, sondern es fehlten auch die Windräder, so das Webportal.
Dass Manuela Schwesig und Gerhard Schröder dazu einen regelmäßigen Austausch pflegen und es enge politische und wirtschaftliche Verbindungen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Russland gibt, wurde nicht nur im August vergangenen Jahres in Warnemünde deutlich. Während ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin traf sich die SPD-Politikerin mit ihrem Parteifreund viermal – ob bei einem diskreten Mittagessen in Berlin, im Rahmen eines Besuchs in St. Petersburg oder beim Usedomer Musikfestival.
In der Zwischenzeit hat auch die Opposition im Schweriner Landtag das Thema für sich entdeckt. „Die Wasserstoff-Hanse hat offenbar ebenso wenig mit nachhaltigem Klimaschutz zu tun wie die sogenannte Klimaschutz-Stiftung MV. Vielmehr zeigt sich, wie weit die personelle und politische Verquickung mit dem Gazprom-Projekt Nord Stream 2 vornehmlich wirtschaftliche und politische Interessen des russischen Staatskonzerns bedient“, wettert Harald Terpe, Fraktionschef der Grünen, in Richtung rot-roter Landesregierung.
Es sei alarmierend, wie weit sich Ministerpräsidentin Schwesig und weitere jüngere Führungskräfte der MV-SPD in den Filz ihrer Altvorderen Schröder und Sellering verstricken ließen.
„Tarnorganisationen für Erdgaslieferungen“
Die Ministerpräsidentin sorge sich wohl mehr um die Profite russischer Staatskonzerne als um den Aufbau einer nachhaltigen Energieindustrie in MV. Statt ein Netz an Tarnorganisationen für Erdgaslieferungen von Gazprom aufzubauen, solle die Landesregierung dafür Sorge tragen, „dass endlich mehr Windkraftanlagen und Solarflächen bei uns in MV realisiert werden können.“ Für den grünen Politiker ist klar: „Wir werden diese Vorgänge zeitnah mit allen uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Mitteln beleuchten.“
Mit den Vorwürfen konfrontiert, kontert ein MV-Regierungssprecher: „Es ist bekannt, dass die Grünen die Ostseepipeline ablehnen. Das sollte aber nicht zu absurden Unterstellungen gegen die Landesregierung führen.“ Im Mittelpunkt der Energiepolitik der Landesregierung stehe der Ausbau der erneuerbaren Energien. Das gemeinsame Ziel der Regierungspartner sei es, dass MV bis 2035 rechnerisch den gesamten Energiebedarf des Landes für Strom, Wärme und Mobilität aus erneuerbaren Quellen decken könne.
Der Wasserstofftechnologie komme dabei eine wichtige Rolle zu: als Speichertechnologie und auch als Wirtschaftsfaktor. „Wir setzen darauf, über neue klimafreundliche Antriebe und grüne Gewerbegebiete auf der Basis von erneuerbaren Energien und Wasserstoff neue Arbeitsplätze für Mecklenburg-Vorpommern zu gewinnen. Bei der Entwicklung der Wasserstofftechnologie arbeiten wir eng mit den anderen norddeutschen Ländern zusammen. Die Idee hinter der Gründung der Wasserstoff-Hanse ist, auch eine Zusammenarbeit im Ostseeraum aufzubauen.“