Wird "Rabauken-Jäger"-Fall von oben gesteuert?
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Helmut Holter schüttelt den Kopf. Der Fraktionschef der Linken im Schweriner Landtag kann nicht nachvollziehen, warum die Staatsanwaltschaft in der "Rabauken-Jäger"-Affäre eine weitere Eskalationsstufe gezündet hat. Nachdem Lutz Schumacher, Chefredakteur des Nordkurier, die Bestrafung eines Redakteurs durch das Pasewalker Amtsgerichts in einem Kommentar unter dem Titel "Rabauken in Richter-Robe" kritisiert hatte, konterte ein Neubrandenburger Staatsanwalt mit einem Strafantrag gegen Schumacher. Schon das Pasewalker Urteil hatte Holter scharf kritisiert. Dass nun auch noch die Meinungsäußerung eines Journalisten verfolgt werde, halte er einfach für falsch. "Jeder hat das Recht seine Meinung zu äußern, erst recht Journalisten", sagte Holter. Natürlich gebe es immer Meinungen, die man nicht teilt. "Aber die muss man akzeptieren."
Knappe Antworten der Ministerin
Während am Wochenende bereits die rechtspolitischen Sprecher der Fraktionen von CDU und SPD das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg kritisiert hatten, sieht Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) keinen Handlungsbedarf. Einen Fragenkatalog des Nordkurier zu dem Gesamtkomplex beantwortete sie äußerst knapp. Zudem zog sie sich auf das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz zurück. "Das Justizministerium kommentiert weder Urteile noch sonstige Entscheidungen eines Gerichts", erklärte Kuder.
Fehlerhaftes Verhalten von Staatsanwaltschaft oder/und Amtsgericht Pasewalk kann sie offensichtlich nicht erkennen. Im Gegenteil. Sie stärkt dem Neubrandenburger Staatsanwalt, der gegen den Nordkurier-Chefredakteur vorgeht, den Rücken. Auf die Frage, ob es ein praktikabler Weg sei, wenn ein Staatsanwalt mit strafrechtlichen Mitteln gegen eine Meinungsäußerung eines Journalisten vorgehe, antwortete die Ministerin: "Die Staatsanwaltschaft ist wegen des Legalitätsprinzips gemäß der Strafprozessordnung gesetzlich verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen."
Kommentar von Wolf Schneider und Paul-Josef Raue
Indes wird der "Rabauken-Jäger"-Fall auch im Internet-Blog "Das neue Handbuch des Journalismus" der renommierten Journalisten und Medienwissenschaftler Wolf Schneider und Paul-Josef Raue thematisiert. Die Autoren setzen darauf, dass die Pasewalker Richterin nicht die letzte Roben-Trägerin sein wird, die über den "Rabauken-Jäger"-Fall urteilt. "Das Bundesverfassungsgericht bekommt einen neuen Fall – hoffentlich", erklärt Raue. Der Nordkurier-Chefredakteur hatte bereits kurz nach der Verhandlung in Pasewalk klargestellt, dass unsere Zeitung gegen das Urteil Berufung einlegen wird.
Der mit "Rabauke" bezeichnete Jäger hatte im Juni 2014 ein verendetes Reh an die Anhängerkupplung seines Autos über die B 109 geschleift. Nach der Berichterstattung im Nordkurier hatte der Waidmann den Redakteur angezeigt, der im Mai dieses Jahres zu einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro verurteilt wurde.
Ermittlungsverfahren führt der Leitende Oberstaatsanwalt in Stralsund
Indes beschäftigt die Justizposse längst auch höchste Justizkreise in MV. Der Generalstaatsanwalt hatte sich bereits eingeschaltet, nachdem die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg das Verfahren gegen den Redakteur zweimal eingestellt hatte. Die Frage, warum die Generalstaatsanwaltschaft eine andere Meinung zu der Schwere des journalistischen "Vergehens" hatte als die Neubrandenburger Staatsanwaltschaft, ließ auch Ministerin Kuder offen. Jetzt ist der Generalstaatsanwalt erneut involviert. Er entschied, dass das Ermittlungsverfahren gegen Schumacher durch den Leitenden Oberstaatsanwalt in Stralsund geführt werden soll.
Für Holter ist die Handlungsweise der Ermittler nicht mehr nachvollziehbar. "Ich kann dem Staatsanwalt nur raten, das Augenmaß zu wahren."