Vorschlag
Wird aus DDR-Kernkraftwerk ein Museum?
Lubmin / Lesedauer: 4 min

Ralph Sommer
Gut 33 Jahre nach der Abschaltung des Kernkraftwerks Lubmin gibt es neue Diskussionen über die Zukunft des Standortes. Während sich die Blöcke 1 bis 4, die einst bis zu elf Prozent des Strombedarfs in der DDR sicherten, seit Jahrzehnten im Rückbau befinden und auch der seinerzeit nur im Probebetrieb befindliche Block 5 demontiert wird, ist es im Block 6 längst still geworden.

Der 1990 komplett fertiggestellte Meiler, dem nach ursprünglichen Plänen der DDR-Regierung noch zwei weitere Neubauten folgen sollten, war nie in Betrieb gegangen und wurde daher auch nicht verstrahlt. Heute werden nur hin und wieder in der dunklen Anlage die Lichter angeschaltet, wenn angemeldete Besuchergruppen auf der sogenannten „Besucherroute Block 6“ durch die Gänge wandeln. Bei dem wohl einzigartigen Rundgang durch ein deutsches Kernkraftwerk können die Interessenten unter anderem den Kontrollraum besichtigen und sogar einen Blick in das Innere des Reaktors mit der Haltevorrichtung für die Brenn- und Regelstäbe werfen.
Sogar Trainingsbecken für Taucher war mal geplant
Pläne für eine anderweitige Nutzung der riesigen Anlage hatte es in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder gegeben. Die Vorschläge reichten von einer industriellen Zukunft bis zu einer Trainingsanlage für Feuerwehr- und Katastrophenschutzkräfte. Der wohl ungewöhnlichste Vorschlag zielte einst sogar darauf, den mehr als 20 Meter tiefen Reaktorschacht zum Trainingsbecken für Taucher umzubauen.
Jetzt wird am Standort die Möglichkeit diskutiert, wegen des hohen öffentlichen Interesses an den KKW-Führungen das Angebot auf Dauer zu erhalten. Ausgerechnet die Grünen, die einst neben dem Neuen Forum zu den konsequentesten Gegnern der Kernenergie gehörten, plädieren jetzt dafür, den Rückbau des KKW umzuplanen und den jungfräulichen Block 6 als Industriedenkmal zu erhalten.
"Guter Zeitpunkt, die Atomkraft-Ära zu reflektieren"
Nachdem Deutschland in diesem Jahr die letzten Atommeiler abgeschaltet und somit aufgehört habe, Atomkraft zur Stromerzeugung zu nutzen, würden nun viele Kraftwerke im Bundesgebiet dem Beispiel in Lubmin folgen, heißt es in einem Beschluss des Grünen-Kreisverbandes Vorpommern-Greifswald. In vielen Jahrzehnten würden diese Großanlagen der Vergangenheit angehören. Deshalb wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, über die Ära der Atomkraft zu reflektieren.

„Wir wollen, dass der Zugang zum Reaktorblock 6 langfristig erhalten bleibt und als Bildungs- und Erinnerungsort entwickelt werden kann“, sagt der Sprecher des Grünen-Kreisvorstandes, Tom Lichtenthäler. Lubmin biete die einzigartige Möglichkeit, am Objekt selbst die Geschichte der Atomkraft in Deutschland nachzuvollziehen und die Argumente der Anti-Atomkraft-Bewegung zu verstehen, die zum Ausstieg aus der Kernenergienutzung geführt hätten.
Die Entwicklung des Bildungs- und Erinnerungsortes zum Beispiel als Museum oder Dokumentationszentrums müsse vor einer neutralen Instanz erfolgen, heiß es in dem Beschluss. Wichtig sei, dass alle Seiten beleuchtet würden, neben den Gründen für den Ausstieg auch die seinerzeitigen Gründe für den Einstieg in die industrielle Kernkraftnutzung.
Antrag beim Denkmalschutz liegt schon vor
Die EWN (Entsorgungswerk für Nuklearanlagen) hat mittlerweile den Vorschlag begrüßt, die technisch historischen prominenten Einrichtungen und Anlagen auch künftig einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein dauerhaftes Denkmal liege jedoch außerhalb der Zuständigkeit und der Finanzierungskompetenz des Unternehmens, schränkt ein EWN-Sprecher ein. Das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern hat inzwischen bestätigt, dass ein Antrag zur Einstufung als Industriedenkmal vorliegt. Es brauche jetzt intensive Prüfung und Recherche.