Ostseestaal
Wird die Berliner „Einheitswippe“ in Stralsund gebaut?
Stralsund / Lesedauer: 3 min

Ralph Sommer
Seit Jahren streitet die Nation um das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal, das eigentlich zum 30-jährigen Jubiläum von Mauerfall und Wiedervereinigung in Berlin eingeweiht werden sollte. Bislang aber konnte sich die Politik nicht darauf einigen, ob und wann das von dem Stuttgarter Büro Milla und Partner und der Choreographin Sasha Waltz entworfene Monument vor dem wiederaufgebauten Berliner Schloss errichtet werden soll. Doch für den Bau des kühn geschwungenen Mega-Denkmals, dem die Berliner schon den Spitznamen „Einheitswippe“ gegeben haben, steht in Stralsund ein kompetenter Interessent in den Startlöchern.
„Wir fassen Projekte an, an die sich andere nicht trauen“, sagt Thomas Kühmstedt, Geschäftsführer der Firma Ostseestaal, die sich in den vergangenen Jahren als Spezialist für die dreidimensionale Verformung zu einem weltweit gefragten Systemlieferanten entwickelt hat. Sein Team habe inzwischen ein Konzept für die 50 Meter lange begehbare, sich sanft neigende Schale erstellt. Demnach könnte das Denkmal in Stralsund mit insgesamt 81 Tonnen Aluminium in Schalenbauweise vorgefertigt werden, sagt Kühmstedt.
Vor 19 Jahren hatte Ostseestaal als Schiffbau-Lieferant die Produktion aufgenommen. Speziell verformte Stahlplatten für Schiffshäute wurden an nahezu alle deutschen Werften geliefert, unter anderem auch für den U-Boot-Bau und für die „Queen Mary 2“.
Erneuerbare Energien größtes Marktsegment
Doch mit der weltweiten Werftenkrise zehn Jahre später entschloss sich das Unternehmen, neue wirtschaftliche Standbeine zu erschließen. „Wir verfügten über eine exzellente Technologie zur dreidimensionalen Verformung auch stärkerer Stahl-, Edelstahl- und Aluminiumgrobbleche, die uns in die Lage versetzt, zu diversifizieren und neue Geschäftsfelder zu belegen,“ sagt der Firmenchef.
Heute ist das zur niederländischen Investorengruppe Nimbus gehörende Unternehmen, das 2018 mit rund 200 Mitarbeitern einen Umsatz von 35 Millionen Euro erwirtschaftete, breit aufgestellt. Größtes Marktsegment sind inzwischen die erneuerbaren Energien. Fast jede Woche liefert Ostseestaal zum Beispiel Formteile zum Bau von Rotorblättern für Windkraftanlagen aus. Zum Kundenkreis gehören fast alle Weltmarktführer in Dänemark, den USA, Spanien, China und Portugal. Zusammen mit der Crivitzer Firma Elegant Energy wurde 2018 auch die vertikal-achsige Turbine „Marlene“ für Kleinwindanlagen entwickelt.
Geschätzt werden die Stralsunder auch von Herstellern extravaganter Megayachten. So lieferten die Stralsunder auch Teile für die in Kiel gebaute, 140 Meter lange „Sailing Yacht A“ des russischen Milliardärs Andrej Melnitschenko aus.
Auch für Ozeaneum-Fassade verantwortlich
Für internationale Aufmerksamkeit sorgten auch die bislang zehn Solarschiffe, die von der Ostseestaal-Tochter Ampereship in Stralsund gebauten wurden, darunter die mit dem Europäischen Solarpreis ausgezeichnete Elektrofähre „Sankte Maria II“. Auch Werkzeugsätze für den Flugzeugbau gehören zur Fertigungspalette des Zulieferers, etwa für den Airbus A 350, den Eurofighter oder die italienische Trägerrakete Vega-C. Expandieren will Ostseestaal auf dem russischen Markt, etwa mit der Lieferung großer Tanks für die chemische Industrie in Tobolsk.
Auch in der modernen Architektur hinterließen die Stralsunder Blechverformer ihre Spuren. Zu ihren Referenzen gehören unter anderem die Fassade des Ozeaneums, Bauelemente am Guggenheim-Museum in New York City, ein neun Meter hohes Kirchendach in Österreich sowie ein Tagungszentrum und eine Spezialbrücke über der Formel-1-Strecke in Dubai. Auch der Münchener Architekt Oliver Hofmeister bediente sich des Stralsunder Know-hows beim Bau des Fünf-Sterne-Hotel „Stilli Park“ im Davos, das wegen seiner ovalen Metallfassade von den Schweizern den Namen „Goldenes Ei“ erhielt.
Hierzulande will sich Ostseestaal um den Bau der neuen Edelstahl-Brücke „Königsweg“ an Rügens Königsstuhl bewerben.