Überkapazitäten
Zweifel am LNG–Terminal auf Rügen wachsen
Rügen/Berlin / Lesedauer: 4 min

Andreas Becker
Es ist ein zähes Ringen, wenn die MV–Regierung unter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig konkret gefragt wird, ob die Bundesregierung denn nun schon — wie von der Landesregierung über Wochen gefordert — den schriftlichen Nachweis erbracht hat, dass ein LNG–Terminal überhaupt notwendig ist oder dadurch nur teure Überkapazitäten geschaffen werden.
Das Umweltministerium antwortet auf eine entsprechende Nordkurier–Frage indem es auf das zuständige Wirtschaftsministerium verweist. Das Wirtschaftsministerium wiederum verweist mit einem Link auf die Bundesnetzagentur. Äußern aber möchten sich weder Umwelt– noch Wirtschaftsministerium in Schwerin.
Und was steht nun bei der Bundesnetzagentur? Dort heißt es etwas verschwurbelt: „Auch wenn eine gute Ausgangssituation in der Speicherbefüllung und anhaltende Einsparungsbemühungen einen wesentlichen Beitrag zur Erdgasverfügbarkeit leisten, so sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der kommende Winter bei sinkenden Temperaturen und einem Komplettausfall russischer Lieferungen über die Ukraineroute versorgungstechnisch eine Herausforderung darstellen kann.“ Motto: Kann sein, kann aber auch nicht sein.
Daher sei es laut Bundesnetzagentur zur Stabilisierung der Versorgungssicherheit notwendig, dass die geplanten zusätzlichen zwei FSRUs (Schwimmende Flüssiggasterminals) vor Rügen auch frühzeitig in Betrieb gingen. Gerade aufgrund der bei Lubmin vorhandenen Fernleitungsinfrastruktur können die dort geplanten FSRUs unmittelbar nach Realisierung einer Anbindungsleitung den größtmöglichen und auch notwendigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.
Aber, in der Stellungnahme der Bundesnetzagentur steht auch der folgende Satz geschrieben: „Sind die Temperaturen im Winter 2023/2024 und sowohl Verbrauch als auch Importe und Exporte mit denen des aktuellen Winters vergleichbar, so ist die Versorgungssicherheit auch ohne die Inbetriebnahme der zwei FSRUs gegeben.“
Was gilt nun? Diese Fragen stellen sich auch die Linken–Landesvorsitzenden Peter Ritter und Vanessa Müller — deren Partei Teil der rot–roten–Regierung in Schwerin ist. Im Gegensatz zur eher bisher defensiven Kommunikation der Landesregierung haben die beiden Linken eine klare Position: „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass der Bedarf für das LNG–Terminal in Mukran für die Öffentlichkeit nachvollziehbar dargelegt wird und die Bevölkerung und die regionale Wirtschaft in umfassenden Beteiligungsverfahren einbezogen werden.“ Den Bedarfsnachweis habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck noch nicht geliefert. Stattdessen würden Fakten geschaffen. „Mit der Brechstange jedoch wird man kein Vertrauen gewinnen“, betonen Müller und Ritter.
Kritik an Habeck und der Landesregierung übt auch Sebastian Ehlers, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im MV–Landtag. „Offenbar steht lange fest, dass Mukran der Standort des LNG–Terminals werden soll. Der zweifelsfreie Nachweis des Bedarfs an weiterem LNG–Gas fehlt aber weiter. Robert Habeck scheint die Frage typischerweise wieder mit Bauchgefühl beantworten zu wollen und lässt die Forderung nach konkreten Zahlen einfach ins Leere laufen“, sagt Ehlers. Alternativen, deutlich von der Küste entferntere Standorte scheinen nie ernsthaft geprüft worden zu sein. Wer Sicherheitsargumente ins Feld führe und sich dann für einen küstennahen Standort entscheide, wolle die Menschen offenbar veralbern, so der CDU–Politiker.
Nach Einschätzung Ehlers' lasse die rot–rote Landesregierung weiter eine klare Linie vermissen. Umweltminister Backhaus habe in der vergangenen Woche noch erklärt, dass „der Bedarf nochmal exakt nachgewiesen werden“ müsse. Jetzt scheine er sich mit den Erklärungen des Bundeswirtschaftsministers zufrieden zu geben. Deshalb ist für Ehlers klar, „dass sich die Ministerpräsidentin zügig öffentlich zu den Plänen der SPD–geführten Bundesregierung positioniert.“
Das haben Umweltminister Till Backhaus und Wirtschaftsminister Reinhard Meyer dann doch getan — zwar nicht explizit zum Bedarfsnachweis eines LNG–Terminals, aber zum LNG–Beschleunigungsgesetz. Mit dem könnte das Genehmigungsverfahren für ein Terminal extrem abgekürzt werden. „Der Bund möchte Mukran als Standort. Für die Akzeptanz vor Ort ist entscheidend, dass man sich ausreichend Zeit für Gespräche und Erörterung der Pläne mit den Beteiligten nimmt“, sagten die beiden SPD–Politiker. Vor diesem Hintergrund arbeite man an einem Katalog konkreter Maßnahmen aus Sicht Mecklenburg–Vorpommerns, insbesondere der Insel Rügen, der zeitnah übermittelt werden solle. „Die Landesregierung bittet deshalb die Bundesregierung darum, dass LNG-Änderungsgesetz jetzt noch nicht auf den Weg zu bringen“, teilten Meyer und Backhaus mit.