StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernZweifel an der Unabhängigkeit der Justiz in MV sind erlaubt

Nach Borchardt-Wahl

Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz in MV sind erlaubt

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Das parteipolitisch motivierte Postengeschachere bei der Besetzung des Landesverfassungsgerichtes in MV ist kaum verhallt, da gibt es die nächste Personalie, die Kopfschütteln auslöst.
Veröffentlicht:19.05.2020, 06:04

Von:
  • Andreas Becker
Artikel teilen:

Die Mitbegründerin der Antikapitalistischen Linke, einer vom Verfassungsschutz beobachteten politischen radikalen Strömung innerhalb der Linkspartei, als Mitglied des Landesverfassungsgerichts in MV – diese Wahl der früheren SED-Funktionärin Barbara Borchardt durch den Landtag nach vorheriger Absprache zwischen SPD, CDU und Linke schlug in den vergangenen Tagen hohe bundespolitische Wellen.

Doch was in anderen Teilen der Republik Aufsehen und Ablehnung verursacht, ist im Nordosten Deutschlands lange kein Einzelfall. Ob Landtag, Justizministerium oder Staatskanzlei – bei der Besetzung von hohen Richterstellen mischen alle munter mit und vertreten ihre ureigensten parteipolitischen Interessen. Parteibuch vor Kompetenz? Hinterzimmer-Politik vor transparentem Auswahlverfahren? Fragen, die auch den Richterbund in MV beschäftigen. Der größte Berufsverband von Richtern und Staatsanwälten äußert mittlerweile unverhohlen offene Kritik an den Besetzungspraktiken in MV und spricht von „fragwürdigen Personalentscheidungen“.

„Eindruck von Willkür”

Dazu gehört auch die durch das Justizministerium aktuell angeordnete Versetzung des bisherigen Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Rostock, Kai-Uwe Theede, zum neuen Präsidenten des Landgerichts Schwerin. Die Ernennung erfolgte laut Richterbund-Vorsitzenden Michael Mack ohne zuvor ein Auswahlverfahren durchzuführen. Ein offenes Auswahlverfahren solle vermeiden, dass Beförderungsentscheidungen nach anderen Kriterien als Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erfolgen. „Diese Entscheidung des Justizministeriums lässt den Eindruck von Willkür entstehen“, heißt es vom Richterbund.

Hintergrund der brisanten Personalie Kai-Uwe Theede: Der Jurist hatte sich eigentlich auf die Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) beworben, fand aber nach der Auswahlentscheidung des Justizministeriums keine Berücksichtigung. Dagegen war Theede erfolgreich erstinstanzlich vorgegangen. Eine endgültige Entscheidung über die Besetzung dieses höchsten Postens in der Justiz in Mecklenburg-Vorpommern steht weiter aus.

Justizministerium nimmt Kritik gelassen

„Das Justizministerium vermeidet auch dieses Mal ein offenes und transparentes Besetzungsverfahren“, kritisiert Mack. Beim OLG-Chefposten konkurriert Theede im übrigen mit seiner früheren Amtskollegin, OLG-Vizepräsidentin Monika Köster-Flachsmeyer – sie wird von Justizministerin Katy Hoffmeister (CDU) und wohl auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) favorisiert.

Dass ein solch exponiertes Amt wie das eines OLG-Präsidenten seit zwei Jahren unbesetzt ist, bewertet Mack als „misslich und bedenklich“. Genauso wie eine weitere Personalie: Im vergangenen Jahr war der damalige Chef der Staatskanzlei, Dr. Christian Frenzel, zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, ebenfalls im Wege der Versetzung und ohne Ausschreibung, ernannt worden.

Und das Justizministerium? Dort geht man mit der Kritik gelassen um – und betont: „Die Besetzung von Beförderungsstellen für Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Fachgerichten erfolgt aufgrund einer Ausschreibung nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung.“