Corona-Couplet aufgenommen
Corona ermöglicht die Wiedergeburt eines Gassenhauers
Kummerow / Lesedauer: 4 min

Kirsten Gehrke
Eigentlich dachte anfangs Jörg Gfrörer, dass es in drei bis vier Wochen mit dem Virus vorbei ist. Nun ist schon von einem Jahr die Rede. Keiner weiß, wie lange die Krise um Corona noch andauert. Da kam dem Kummerower Regisseur und Autor ein Couplet in den Sinn, in dem der Sänger und Kabarettist Otto Reutter auf vergnügliche Weise mehrstrophig die Zeit vor 100 Jahren betrachtete – mit all ihren Nöten und Sorgen. Als Gfrörer die Melodie jenes politisch-satirischen Liedes im Ohr hatte, dachte er sich, er muss die Verse umschreiben. So entstand das Werk mit dem einprägsamen Refrain „In fünfzig Jahren ist alles vorbei“ neu. „Es hat sich einfach geschrieben“, findet der 75-Jährige. Schnell hat er die neuen Verse, vermischt mit Reutters Note, aufs Papier gebracht. „Es hat richtig Spaß gemacht“, meint er mit einem Augenzwinkern. Zwar sind es bei ihm statt 16 nur 11 Strophen, aber der Anfang bleibt gleich: „Denk stets, wenn etwas dir nicht gefällt: Es währt nicht ewig auf dieser Welt ...“
Was Leichtes gegen die Krise
Er wollte den ganzen Ängsten wegen Corona etwas Leichtes entgegensetzen, die Verhältnisse aufs Korn nehmen, ohne dabei die Lage nicht ernst nehmen zu wollen. Doch was wäre der Text ohne musikalische Interpretation? Schließlich war das Original ein Gassenhauer, mit dem Reutter durch Deutschland und Österreich getingelt war. Es war damals ein Hit. Und auch Jörg Gfrörer will sein Corona-Couplet in die Welt hinaus tragen. Es sollen viele hören. Nun ist der Kummerower zwar ein anerkannter Regisseur, aber fürs Singen brauchte er dann doch jemand anderes, um sein Couplet aufzunehmen und ins Netz zu stellen. So fragte er bei Bass-Bariton Lars Grünwoldt nach. Beide sind Freunde und arbeiten unter anderem im Verein „Freunde Fritz Greve e. V.“ zusammen. „Ich stehe in seiner Schuld“, meint Grünwoldt und lächelte. Schließlich würden Gfrörer und seine Frau ihn auch unterstützen, wenn es um sein Moorbauer-Projekt geht. So habe er der Bitte des Kummerowers nicht widerstehen können. Zumal so etwas für die Ewigkeit sei und es schön sei, dabei mitzuwirken.
Als Kunstschaffender sei er sowieso gerade arbeitslos und habe Zeit. „Ich freue mich, in der Coronazeit etwas beitragen zu können“, meint der Sänger. Er holte den Berliner Pianisten und Dozenten der Universität der Künste Nico A. Stabel mit ins Boot, damit der ihn am Klavier begleiten konnte. Schon oft haben beide gemeinsame Liederabende gestaltet, diesmal aber standen sie vor der Kamera und ohne Publikum. Im Schloss Kummerow wurde das Corona-Couplet aufgenommen. An jener Stelle, wo eigentlich wieder die beliebten Kummerower Schlosskonzerte stattfinden sollten, die Grünwoldt leitet. Für dieses Jahr hatte er hochkarätige Künstler eingeladen, wie Sopranistin Annette Dasch, die Nummer Zwei hinter Anna Netrebko. „Das war immer mein Traum, sie mal einzuladen“, sagt Grünwoldt und hofft, dass er sie nächstes Jahr für Kummerow wieder gewinnen kann.
Die Schlosskonzerte müssen ausfallen, dafür kommt ein Corona-Couplet aus dem Gartensaal digital zum Publikum. Mindestens zehn Aufnahmen musste Kameramann Carsten Büttner machen, bevor alles im Kasten und Regisseur Jörg Gfrörer zufrieden war. Immer wieder sollte Grünwoldt das Lied singen und Stabel über die Tasten gleiten. Für den Bariton war es eine ganz neue Erfahrung. „Es ist nicht einfach“, gesteht er. Er müsse unterschiedlich gestalten bei gleicher Melodieführung. Ein Couplet sei eine Mischung aus Gesang und Schauspiel, eigentlich würden diese von Schauspielern interpretiert. Er habe sich überwinden müssen, ins Schauspiel zu gehen. Als Sänger sei es für ihn ungewöhnlich gewesen, die Stimme zu verändern, nicht nur schön zu singen, nicht nur wohlgeformte Vokale wiederzugeben, sondern auch mal zu schreien, reinzurufen oder zu knurren. Es sei neu für ihn, auch hässliche Töne zuzulassen und mal abzuweichen.
Arbeitsbedingt eine unkomplizierte Einreise
Das geht dem Pianisten genauso. „Ich mag das Repertoire der 20-er und 30-er Jahre, der Weimarer Republik“, verrät Nico A. Stabel. Diese Musik sei ehrlich und sehr viel direkter. Außerdem komme er gern nach Mecklenburg-Vorpommern und konnte arbeitsbedingt so endlich hier wieder einreisen. Unkompliziert habe er für das Projekt schnell zusagen können. Denn Corona habe auch ihm viel Zeit beschert. Das Ergebnis der Ton- und Bildaufnahmen kann im Internet bei Youtube aufgerufen werden – einfach Corona Couplet Otto Reutter Kummerower Schloss eingeben.