Höhle seit Eiszeit bewohnt
Dachs-Familie sorgt für Knochenfund-Sensation
Malchin / Lesedauer: 3 min

Torsten Bengelsdorf
Wenn in der Basedower Naturparkverwaltung die höchste Geheimhaltungsstufe ausgerufen wird, dann muss wohl in den Wäldern der Mecklenburgischen Schweiz etwas ganz Besonderes lauern. Naturpark-Chef Wolfgang Wiehle warnt denn auch eindringlich: „Leider ist nicht auszuschließen, dass im Ergebnis einer unüberlegten Bekanntmachung das Vorhaben beeinträchtigt oder gefährdet werden kann.“ Einer seiner Mitarbeiter muss ein bereits zugesagtes Interview mit dem Nordkurier wieder absagen. Wissenschaftliche Arbeiten seien in Gefahr. Was, um Himmels Willen, ist da bloß entdeckt worden im Revier des Naturparks „Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See“?
Der spektakuläre Fund liegt genau 50 Jahre zurück. Damals waren Wissenschaftler in einem Waldstück nahe des Malchiner Ortsteiles Pisede auf ein weitläufiges unterirdisches Bautensystem gestoßen. Darin: Tausende Knochen von verschiedenen Wirbeltieren. Schnell stellte sich heraus, dass die kleine Höhlenwelt seit mehr als 10 000 Jahren und wohl möglicherweise auch ununterbrochen bewohnt ist – von Dachsen, die ihre Beutetiere in das Versteck schleppten.
Arten nachgewiesen, die es hier heute nicht mehr gibt
Doch warum wird die Fundstelle jetzt 50 Jahre nach ihrer Entdeckung auf einmal wieder derart interessant? Die Antwort findet sich im Museum für Naturkunde in Berlin, wo die Knochenfunde aus dem Pisedeer Wald aufbewahrt werden. Das Museum nimmt das Jubiläum zum Anlass, den Dachsbau erneut zu erforschen. „Uns stehen mittlerweile eine ganze Reihe neuer Methoden zur Verfügung, mit denen wir genauere Erkenntnisse etwa über das Alter der Funde erlangen können“, sagt Professor Dr. Johannes Müller vom Naturkunde-Museum. Es sei sehr wahrscheinlich, dass einige Tierreste noch aus der letzten Eiszeit stammen könnten.
Auch sei über DNA-Untersuchungen mittlerweile eine viel genauere Artenzuordnung möglich. „Wir konnten bereits Frosch- und Schlangenarten nachweisen, die man heute in dieser Region gar nicht mehr findet“, berichtet Müller. Das Faszinierende an der Pisedeer Fundstelle sei die große Zahl von fossilen Einzelknochen. „Wir können hier deshalb von der reichsten Fundstelle Mitteleuropas sprechen“, meint der Wissenschaftler.
Regionale Museen könnten Knochen ausstellen
50 Jahre nach dem Grabungsbeginn soll die Knochen-Höhle nun aber auch endlich bekannter gemacht werden. Bisher war sie nur einem kleinen Kreis von Spezialisten ein Begriff. Nun ist nicht nur eine Publikation geplant. Einige der Wirbeltierknochen aus dem Pisedeer Dachsbau könnten bald auch in einem Museum der Region zu sehen sein. Im Gespräch dafür ist zum Beispiel das Müritzeum in Waren, aber auch das Malchiner Heimatmuseum würde sich dafür anbieten, heißt es.
Mit der Geheimniskrämerei, wie sie in der Basedower Naturparkverwaltung derzeit noch praktiziert wird, soll jedenfalls bald Schluss sein. Professor Müller: „Wir hätten gern auch eine Hinweistafel für diese einzigartige Fundstelle.“