Tödliche Gefahr

▶ Drohne rettet bei Dargun Rehkitze vor Mähmaschinen

Dargun / Lesedauer: 4 min

Tausende Tiere werden jährlich von Erntemaschinen erfasst und getötet. Eine Darguner Jäger-Familie setzt jetzt modernste Technik ein, um die Kitze im hohen Gras vorher zu orten.
Veröffentlicht:03.06.2021, 19:43

Von:
  • Kirsten Gehrke
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Für Dennis und Dirk Wortmann sind die Nächte jetzt kurz. Frühmorgens um halb sieben sind die Barliner unterwegs auf den Wiesen bei Zarnekow. Das Gras steht hoch, 50 bis 60 Zentimeter. Die landwirtschaftlichen Flächen sollen abgeerntet werden. Doch das bedeutet Gefahr für Wildtiere, wissen die beiden Jäger. Mit der Wärmebildkamera einer Drohne wollen sie deshalb Rehkitze im dichten Gras aufspüren und diese vor den tödlichen Mähmaschinen retten. Denn es müsse ein Ende haben, dass schätzungsweise jährlich 25.000 Kitze in Mecklenburg-Vorpommern „gehäckselt“ werden, sagt Dennis Wortmann. „Das können wir nicht mehr mit ansehen“, so der 32-Jährige.

Schon im vergangenen Jahr hat er die moderne Drohnen-Technik getestet, hat diese jetzt professioneller ausgebaut. Die Agrargenossenschaft Zarnekow ist dankbar dafür, die rund 400 Hektar Grasland bewirtschaftet. 280 Hektar davon sollen gemäht werden. „Ein totes Tier wollen wir nicht im Futter haben“, erklärt Feldbauleiter Lars Schwanke. Das wäre Gift für die Rinder, weil sich Botulismus-Toxin freisetzt. Und Wildtiere töten wolle auch keiner. Bereits seit Jahrzehnten arbeitet Dirk Wortmann mit dem Landwirtschaftsbetrieb zusammen, sucht er für ihn Kitze. Mit Flatterbändern, Hunden, Luftballons, Klingeln sei er zunächst auf die Suche nach Jungtieren gegangen. „Aber immer sind trotzdem Kitze zu Schaden gekommen“, sagt Dirk Wortmann. Aus der Kabine einer großen Maschine könne der Fahrer die Tiere im dichten Gras oft nicht entdecken. Sie werden von den Schneidwerken erwischt. „Das Mähwerk ist so schnell, da haben die Kitze keine Chance.“ Für die Natur sei die Mahd eigentlich eine Katastrophe. Aber das Vieh brauche Futter, sieht er ein.

Ricken verstecken ihre Jungen im Gras, weil sie dort geschützt sind. Wenn Gefahr drohe, würden Kitze reglos auf dem Boden verharren, anstatt zu fliehen. Der Fluchtinstinkt sei bei ihnen noch nicht ausgeprägt. Hinzu komme, dass Kitze in den ersten 10 bis 14 Tagen ihres Lebens keinen Eigengeruch haben. Sie können somit auch nicht von Hunden aufgespürt werden, aber mit einer Drohnen-Kamera. Meter für Meter sucht Dennis Wortmann die Felder aus 50 Meter Höhe ab. Meistens entdeckt er zuerst eine Ricke. Dann weiß der 32-Jährige, dass ein Kitz nicht weit weg sein kann. Nur mit einer Wärmebild-Kamera kann er dann dieses finden. Auf dem Bildschirm tauchen Kitze als schwarze Punkte auf. Dann macht sich Vater Dirk zu dieser Stelle auf den Weg.

Das Tier wird mit einer Kiste geschützt

Über Funk bleiben beide Männer verbunden. „Selbst wenn man kurz davor steht, sieht man das Kitz noch nicht gleich“, erklärt Dirk Wortmann. Sein Sohn lotst ihn. Hat er schließlich das Kleine gesichtet, markiert er die Stelle mit einem leuchtfarbenen Stock. Über das Kitz stülpt er eine luftdurchlässige Kiste. So kann der Bauer drum herum mähen. Danach werde das Tier wieder freigelassen. An diesem Donnerstag entdeckt der Drohnen-Pilot nur junge Feldhasen, Rehböcke und auch zwei Ricken mit dickem Bauch. Die sind kurz vor dem Setzen, wissen die Jäger. Sie hoffen, dass die Ricken erst nach dem Mähen ihre Kitze bekommen. Seit dem Wochenende haben die Wortmanns rund 500 Hektar Grasland bereits abgeflogen, nicht nur bei Zarnekow, sondern auch bei Ulrichshusen, Woldegk und Loitz. 25 Rehkitze haben sie aufgespürt und gerettet. In den nächsten Tagen werden es sicher mehr. „Wer unsere Hilfe braucht, kann sich bei uns melden“, sagt Dennis Wortmann.

Noch würden zu wenige Landwirte oder Jäger die moderne Technik nutzen, findet er. Deshalb begrüße er es, dass über den Landesjagdverband die Drohnen-Einsätze gefördert werden. Das soll Anreiz geben, dass Drohnen-Piloten beauftragt werden, um Tiere zu retten. Für Externe unterwegs zu sein, damit haben die Wortmanns erst in diesem Jahr begonnen. Corona macht das möglich, sonst hätten sie gar keine Zeit dafür gehabt. Eigentlich betreibt Dennis Wortmann mit seinem Bruder Dustin einen Reiterhof in Barlin und hat Ferienwohnungen. Doch der Lockdown hat sie wie alle in der Tourismusbranche ausgebremst.