Eine Straße mit Höhen und Tiefen
Teterow / Lesedauer: 4 min

In einem Zug hat er sein Wasserglas leer. „Ich habe so viel geredet.“ Christian Kunz lockert erst mal die Zunge. Zufrieden lehnt er sich aber zurück. Nicht nur, weil so viele Interessierte wie nie zu diesem Heimatbundabend gekommen waren, der stellvertretende Vorsitzende des Heimatbundes Teterow hat selbst auch eine Menge dazugelernt, bekennt er. Immerhin hat er sich rund ein Vierteljahr ganz intensiv mit der Geschichte der v.-Moltke-Straße in seiner Heimatstadt beschäftigt.
Die stand nämlich im Mittelpunkt der 32. Auflage von „Teterower Geschichte(n)“.„Eine relativ junge Straße in Teterow, die aber so viele Höhen und Tiefen erfahren hat“, sagt Christian Kunz. „Unternehmen wie Gärtnerei, Sägerei, Drahtzaunfabrik dominierten hier. In den Stadtvillen – das erste Haus, die Nummer 2, wurde um 1840 gebaut – wohnte die technische, pädagogische und anwaltliche Intelligenz.Stark in Verbindung steht die Straße aber gerade mit dem Zusammenbruch des dritten Reiches.
Fast alle Häuser wurden 1945 von den Russen besetzt. Die Bewohner mussten innerhalb einer halben Stunde raus. Im Mai 1945 hatten sich Hunderte Teterower das Leben genommen. Das war auch in dieser Straße sehr prägnant.“ Menschen haben sich erschossen, erhängt. Auch in der Nummer 20, im Böhmerschen Haus. Hier starben Frau und Tochter von Dr. Gerhard Böhmer, er selbst ging 1947 dann mit seinem Sohn in den Westen. Von Gerhard Böhmer, Lehrer und Heimatkundler, gibt es zahlreiche Schriften zur Heimatgeschichte Teterows. Schriftsteller war er auch. In seinem „Rahnstädter Billerbauk“ schildert er das Leben der Teterower.
Auf seinem geschichtlichen Streifzug durch die v.-Moltke-Straße macht Christian Kunz immer wieder auch Halt an Fabriktoren. Da gab es die Igelitverarbeitung, die Hans Gundlach gründete. Josef Jenke in der Nr. 17 warb mit „größter Fabrik Deutschlands in seiner Spezialität Dreikant-Ackerwalze mit staubsicheren Lagern“. Das Säge- und Holzwerk in der 26a wurde 1951 noch in einen Volkseigenen Betrieb (VEB) überführt, 1954 aber stillgelegt. Das Ende eines Betriebshofes war das noch nicht. Der VEB Brunnen- und Wasserwerksbau wurde gegründet, der bis zu 400 Mitarbeiter zählte. 1963 wurde er aufgelöst und ans Tiefbaukombinat angegliedert.
Dass es in der Moltke-Straße 31 eine Drahtzaunfabrik gab, ist indes bis heute zu sehen. Zeitzeuge ist hier das Eingangstor, es steht unter Denkmalschutz. Im Jahr 1912 hatte der Magistrat Hans von Hintzenstern erlaubt, das Haus zu bauen. Das Grundstück mit seiner Fabrik reichte bis zur Bahn. Nach 1945 konnte die Drahtgeflecht- und Drahtwarenfabrik nur als Handwerksbetrieb weiter geführt werden. Also wurde sie als Schlosserei in die Gewerberolle eingetragen.
Auch von Hintzenstern wurde erst einmal enteignet. Eine Kette hatte man um seinen Zaun gelegt, mehr passierte nicht. Das habe sich Hans von Hintzenstern ein paar Tage lang angeguckt, dann griff er zur Blechschere, erzählt Christian Kunz. „Er baute wieder ein eigenes Schloss an. Glück hatte er insofern, dass er Kfz-Reparaturen machte, da war er für die Russen interessant und hat lange als Kfz-Betrieb mit bis zu 40 Mitarbeitern überleben können.“ Erst Ende 1977 schloss die Firma Hintzenstern aus Altersgründen.
Die Zahl der Unternehmen ist geschrumpft. Heute gibt es in der v.-Moltke-Straße einen Zweiradtreff, den Gartenmarkt, der auf geschichtsträchtigem Grund seiner Sparte steht, den Betriebshof der Straßenmeisterei. Auf Letzterem befand sich früher das Sägewerk Lehmann. Die Villen sind inzwischen zum Großteil saniert. Angesichts historischer Bilder sieht Christian Kunz die v.-Moltke-Straße durchaus als Prachtstraße. Der Charme kehrt ein Stück weit zurück. Und noch eine Empfehlung hat er: Wer hier spaziert, sollte mal die schönen Haustüren genauer anschauen.