Kohlehandel

Energiekosten – Heizen mit Kohle ist wieder voll im Trend

Güstrow / Lesedauer: 6 min

Die Preise für Gas und Öl steigen drastisch. Viele erinnern sich da an den alten Kohle-Ofen. Doch die Wartezeiten für Lieferungen sind bereits enorm. Ein Kohlehändler berichtet...
Veröffentlicht:01.08.2022, 16:33
Aktualisiert:01.08.2022, 16:40

Von:
  • Author ImageThomas Beigang
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Olaf Bree hält sich kerzengerade. Das ist nicht selbstverständlich. Denn erstens zählt der Mann schon 66 Jahre und zweitens hat der Mann einen ganzen Tag Kohlesäcke geschleppt. Davon bringt einer 50 Kilogramm auf die Waage, ein Zentner.

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Nur noch wenige Kohlehändler im Norden

100 Säcke, sagt Bree, sind normal an einem Arbeitstag. 100 Mal ran an den Kohlelaster, das Rückenleder zurecht gezurrt, den Oberkörper leicht nach vorn geneigt und dann den Sack rücklings geschultert. Und ohne großes Wackeln runter in den Keller des Kunden und alles ausgeschüttet. Manchmal, sagt Bree, atmen die Kohlenschlepper auf, wenn sie eine Rutsche ans Kellerfenster stellen können und die Briketts von dort allein den Weg finden.

Olaf Bree ist Geschäftsführer der Kohlehandlung Uls. Ein knappes Dutzend Händler gebe es noch nördlich von Berlin, sagt der Chef. Er selbst liefert seine Kohlen von Güstrow aus in die Mecklenburgische Seenplatte, bis an die deutsch-polnische Grenze und sogar bis nach Lübeck. Die Nachfrage sei riesengroß. Wer heute, beschreibt der Güstrower die Situation, bei ihm Kohlen bestellt, der muss sich fünf oder gar sechs Monate gedulden, bis die Männer anrücken. „Noch vor einem Jahr“, schüttelt Bree den Kopf, „betrugen die Wartezeiten lediglich fünf oder sechs Wochen“.

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Preissteigerung bei Kohle noch überschaubar

Etwa 5000 Kunden beliefern Bree und seine Leute, Tendenz steigend. „Schuld“ daran seien die große Politik, der Krieg in der Ukraine, die Sanktionen gegen Russland, der sinkende Erdgasimport und die drastisch gestiegenen Energie-Preise. Für 100 Liter Heizöl mussten Mitte der Woche knapp 149 Euro hingeblättert werden, mehr als das Doppelte des Vorjahrespreises. 18 Prozent aller Wohnungen und Wohngebäude in Mecklenburg-Vorpommern werden nur mit Heizöl warm. Seine Kohle, rechnet der 66-Jährige vor, kostet dagegen nur etwa 25 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr.

Für eine Tonne Briketts zahlen seine Kunden inzwischen rund 300 Euro. Für eine 75-Quadratmeter-Wohnung, die vollständig mit Briketts beheizt werde, so die Erfahrung des Kohlenlieferanten, bräuchte man fürs Jahr vielleicht 100 Zentner, umgerechnet also fünf Tonnen.

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Das lohnt sich. Mittlerweile rufen in der Kohlehandlung in Güstrow Kunden an, von denen Bree seit Jahren nicht mehr gehört hatte. Die Leute, sagt er, rennen ihm die Bunde ein. Olaf Bree fragt deshalb fast überall immer mal wieder nach. Ob man nicht Männer kenne, die bei ihm arbeiten wollen. Dabei, jeden nehmen die nicht. Wer bei ihm bleiben will, der muss morgens halb sechs auf dem Hof sein. Dann werden die beiden Laster des Betriebs mit Kohle beladen und schon eine Stunde später rattern die schweren Lkw in alle Himmelsrichtungen. Und nach Ankunft bei den Kunden in Neubrandenburg, Penkun, Röbel oder Stralsund geht´s erst richtig los, Säckeschleppen, bis der Lkw leer ist. „Die meisten“, erzählt der Chef, der dabei regelmäßig selbst mit anpackt, „laden uns anschließend zum Essen ein“, solch ein Umgang mit den Männern mit den schwarzen Gesichtern sei üblich.

Ruhrpott, Lausitz oder Polen: Welche Kohle darf es sein?

Alt oder jung, arm oder reich, der Querschnitt der Leute, die bei ihm das Material für die warmen Stuben bestellen und die alten Öfen aus Großmutters Zeiten nie haben abreißen lassen, ziehe sich durch die ganze Gesellschaft. „In vielen Wohnungen oder Häusern, in denen eigentlich mit Öl oder Gas geheizt wird, steht trotzdem noch ein intakter Ofen.“ Und es würden, so heißt es beim Fachmann in Güstrow, bedingt durch die politische Großwetterlage, täglich mehr, die auf einheimische Brennstoffe wie Kohle oder Holz setzen. Bree handelt vor allem mit zwei verschiedenen Brikettsorten, die heißen „Union“ aus dem Ruhrgebiet oder „Rekord“ aus der Lausitz. Braunkohle beides, wer aber Steinkohle mit dem höheren Brennwert haben will, bekommt die auch. „Import aus Polen“, sagt der Händler.

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Olaf Bree ist nicht der Einzige, dem die Politik gerade einen Haufen zusätzliche Arbeit und Umsatz beschert. Gleich ihm und den anderen von der schwarzen Zunft müssen auch Ofenbauer die Kundschaft auf lange Wartezeiten vertrösten. Stefan Busse, Inhaber der Firma Busse-Kamine im uckermärkischen Strasburg, sagte erst vor wenigen Tagen im Nordkurier, ihn erreichten am Tag im Schnitt zehn bis fünfzehn Anfragen von Neukunden, die einen Ofen im eigenen Heim haben wollen. Zwischen zwei und drei Monate müsse man derzeit bei ihm auf einen Beratungstermin warten. Was jetzt an Anfragen hereinkomme, könne frühestens im zweiten Quartal 2023 erledigt werden.

Die Rückkehr zur Kohle hat ihren Preis

Gleiches konnte Andreas Dieckmann, Inhaber der Kachelofen und Kaminbau GmbH in Torgelow berichten. „Die Anfragen erschlagen uns. Eigentlich müsste das für einen Handwerker eine komfortable Situation sein. Aber so macht es auch keinen Spaß“, sagt er. Wegen der gestiegenen Preise und der anhaltenden Diskussion um diese seien die Leute extrem verunsichert. Bei bestimmten Modellen gebe es inzwischen eine Wartezeit von einem Jahr. So seien derzeit Kaminöfen über alle Vertriebswege so gut wie ausverkauft.

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Die Rückkehr zum Heizen mit festen Brennstoffen hat Nebenwirkungen. Das Bundes-Umweltamt warnt schon jetzt, dass die Emissionen an gesundheitsschädlichem Feinstaub aus Holz- und Kohlefeuerungsanlagen in Haushalten und im Kleingewerbe in Deutschland bereits heute insgesamt höher als die aus den Motoren sämtlicher Autos. Behaglichkeit hat seinen Preis. Deutschlandweit gibt es nach Angaben des Bundesverbands des Schornsteinfegerhandwerks etwa 11,2 Millionen sogenannter Einzelraumfeuerungsanlagen, also Öfen und Kamine.

Olaf Bree hat seinen Kohlehandel in Güstrow schon vor 28 Jahren übernommen – und so viel schuften wie jetzt mussten der Chef und seine Männer noch nie. Der 66-Jährige grinst den Stress aber weg. „Geht schon“, sagt er. Und solange der Rücken noch mitspielt, will er weiter schleppen.