Renaturierung
Historischer Verlauf der Tollense wiederbelebt
Schmarsow, Roidin / Lesedauer: 4 min

Stefan Hoeft
Sozusagen im Niemandsland ist jetzt bei uns Till Backhaus (SPD) aufgetaucht, Mecklenburg–Vorpommerns Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt. Denn der Ressortchef nahm genau an dem kleinen Flecken bei Schmarsow und Roidin ein Renaturierungsprojekt an der Tollense in Augenschein, wo der historische Verlauf des Flusses heute die Grenze zwischen Mecklenburgischer Seenplatte und Vorpommern–Greifswald markiert.
Tollense dient nicht mehr als Transportweg
Und genau dieser Altarm stand auch im Mittelpunkt des Ganzen, denn er wurde mittels einer aufwendigen Baumaßnahme unter Federführung des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) mit Sitz in Neubrandenburg wieder durchgängig hergerichtet. Einst prägten auch am Unterlauf hinter Klempenow mächtige Mäander das Flussbild, wo das Gewässer durch ein altes breites Urstromtal fließt. Es windet sich dort zwar immer noch teilweise in Bögen durch die Landschaft, kommt aber weitgehend kanalisiert daher. Wegen der eingebauten Wehrstufen dient die Tollense schon Jahrhunderte nicht mehr als Transportweg.
Außer für Touristen, die hier gerne paddeln und die Gegend mit ihren hohen und teilweise steilen Hangterrassen wie bei Alt Tellin bewundern. Bei Demmin dann mündet der Fluss in die Peene. „Die Tollense ist wie viele andere Fließgewässer auch, seit den 1960er–Jahren ausgebaut und begradigt worden. Ziel war es, landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen und die Produktivität zu steigern. Altarme sind abgetrennt und zum Teil verfüllt, die Gehölze entlang der Gewässer entfernt worden“, erklärte der Minister im Beisein zahlreicher Gäste. Darunter neben Baubeteiligten, Eigentümern und Bewirtschaftern umliegender Flächen auch Jeannine Rösler und Dirk Bruhn als ortsansässige Linke–Landtagsabgeordnete sowie Vertreter des Naturschutzbundes, des Landes– und Regionaler Anglerverbände.
Neuer Lebensraum für die Tierwelt
Schließlich dürfte den Nabu und die Petrijünger dieses Projekt besonders erfreuen, geht es doch um mehr Durchlässigkeit und neuen Lebensraum für die Tierwelt, insbesondere Fische. So sei nun ein weiteres Stück erforderlicher Schwimmadern für Döbel, Zährte, Steinbeißer und Bitterling zur Erreichung ihrer Laich–, Aufzucht– und Nahrungsgebiete gesichert worden, heißt es aus dem Ministerium. Die Liste der aus heutiger Sicht begangenen Vergehen am Ökosystem Fließgewässer ist lang, räumte Till Backhaus ein.

Um gleichzeitig auf die Zäsur zu verweisen, die mit der 2000 in Kraft getretenen Europäischen Wasserrahmenrichtlinie einsetzte. Darin ist eine koordinierte und nachhaltige Bewirtschaftung unserer Gewässer innerhalb der Flusseinzugsgebiete festgelegt. „Bis spätestens 2027 müssen wir den guten ökologischen und chemischen Zustand in unseren Fließgewässern, das betrifft mehr als 8000 Kilometer, herstellen.“ Trotz jahrelanger Anstrengungen seien aber derzeit nur vier Prozent der berichtspflichtigen Fließgewässer in einem guten ökologischen Zustand. Dafür stehe nun auch das Projekt an der Tollense als ein Beispiel.
Herstellung einer ökologischen Sohle
Mit seinen Planungen und Arbeiten im Bereich nördlich des Wehrs Osten zwischen Tollense und den unmittelbar angrenzenden Waldgebieten „Vanselower Holz“ und „Ostener Holz“ streifte das StALU trotz des überschaubaren Areals die Gemarkungen von gleich drei Gemeinden: Kruckow (Landkreis VG) sowie Siedenbrünzow und Utzedel (beide MSP). Die Umsetzung vor Ort begann bereits in der zweiten Jahreshälfte 2021, am Anfang standen das Fällen einiger Pappeln und vor allem der Abbruch alter Rohre, Riegel und Spundwände im Anschlussbereich zwischen dem Fluss und den Überresten des Altarms. Danach folgte die Neugestaltung seines Verlaufs nach historischem Vorbild und mit neuen Maßgaben. Sprich die Bagger öffneten einen etwa 60 Meter langen und den Überlieferungen zufolge wohl in den 1970ern verfüllten Abschnitt wieder und gestalteten ihn den Anforderungen entsprechend. Auch der alte Zulauf vom Hauptfluss wurde völlig neu und großzügiger angelegt. Bei allem ging es insbesondere um die Herstellung einer ökologisch durchgängigen Sohle und eines von den Fischen passierbaren Bereiches.
Eingeschlossen in die gut 600 Meter Wasserlinie umfassenden Maßnahmen gehörte die Anpassung vorhandener Gewässerabschnitte, inklusive der Profilierung verschiedener Böschungsneigungen und einer Aufweitung des Grabenprofils. Überdies war die Entschlammung des unteren Abschnitts des Hauptgerinnes ausgeschrieben, um eine Anpassung der Gewässersohlhöhe zu erreichen. Sogenannte Strömungslenker und Strukturelemente in dem neu angelegten historischen Gewässerverlauf sollen dafür sorgen, dass sich das Profil vielfältig weiter entwickelt und so eine bestmögliche Lebenszone für die Tierwelt bietet.