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Förderschüler

Kann die Inklusion an der Seenplatte ohne Lehrer und Räume klappen?

Seenplatte / Lesedauer: 4 min

Schüler mit besonderem Hilfsbedarf sollen in den nächsten Jahren an die Regelschulen. Doch es gibt viele Bedenken und Zweifel bei Schulen, Lehrern und Eltern.
Veröffentlicht:27.11.2022, 17:38

Von:
  • Robin Peters
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Schon zum Ende des Jahres soll im Kreistag Mecklenburgische Seenplatte eine weitere Entscheidung zur schrittweisen Umsetzung der Inklusion her. Doch die Zweifel am vorgelegten Zeitplan sind groß. Neben dem nötigen Lehrpersonal fehlt vielerorts Platz für die Aufnahme von Schülern mit besonderem Hilfsbedarf an den Regelschulen in den nächsten fünf Jahren.

In einem Anhörungsverfahren machten zahlreiche Vertreter von Schulträgern, Schulkonferenzen oder Schulleitungen Bedenken geltend – insbesondere von Regionalen Schulen in Neubrandenburg, Neustrelitz oder Waren.

Zweifel an den Vorgaben der Landesregierung

Dirk Rautmann, Chef des für den Schulentwicklungsplan zuständigen Amtes in der Kreisverwaltung, hob im Kreisausschuss vor wenigen Tagen hervor, dass sich viele nötige Maßnahmen nur mit finanzieller Unterstützung der Regierung umsetzen lassen würden. Selbst der Amtsleiter hatte bereits Zweifel an den Vorgaben der Landesregierung zum Ausdruck gebracht. „Wir haben Lernrückstände“, sagte Rautmann im Bildungsausschuss und verwies unter anderem auf die schwierige Situation während der Pandemie.

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Vielleicht müsse noch einmal bewertet werden, ob der Zeitstrahl sachgerecht sei. Die Auflösung der Förderschulen Lernen soll aus Sicht der Verwaltung zum spätmöglichsten Zeitpunkt stattfinden, sie müsse aber eingeplant werden.

Rautmann äußerte zudem Sorgen, dass Förderschüler ihr freiwilliges zehntes Schuljahr schon im nächsten Jahr an Regionalschulen absolvieren sollen: „Da muss man mit Fingerspitzengefühl rangehen. Nicht alle werden mitmachen – weder Schüler noch Pädagogen.“ Nach Einschätzung von Frank Nieswandt (Die Linke), der viele Jahre selbst Lehrer war, werden die wenigsten Förderschüler dann so weit sein, direkt an der anderen Schule einsteigen zu können.

Außerdem würden sich viele Schüler gerade für ein freiwilliges Zusatzjahr entscheiden, um im eigenen Sozialraum bleiben zu können – und nicht die Schule wechseln zu müssen. Der Schritt sei lediglich aus finanziellen, nicht aus inhaltlichen Gründen nachvollziehbar. „Ich halte das für kontraproduktiv.“

Mangel an Lehrkräften und Räumen

„Die Schulentwicklungsplanung hinterlässt uns ratlos“, sagte Guido Pauly (Die Freien) und stellte infrage, ob der Seenplatten-Landkreis genug Druck aufbaue. Einzelne Träger hätten schließlich wenig Bereitschaft für nötige Maßnahmen signalisiert. Laut Rautmann seien Schulträger wiederum in der Pflicht, Räume für ihre Schüler zu schaffen. Aus dieser Rolle kämen sie nicht heraus. „Das ist gut so.“

Kathleen Supke (SPD), Mitglied des Bildungsausschusses und selbst Schulleiterin der Beruflichen Schule in Neustrelitz, machte wiederum deutlich, dass das Hauptproblem der Mangel an Lehrern sei – und das falle wiederum nicht in die Zuständigkeit des kreislichen Schulverwaltungsamtes und des Kreistages, die letztlich nur Strukturen planen. Diese starre Kompetenzaufteilung zwischen Bildungsministerium, Staatlichem Schulamt und kreislichem Schulverwaltungsamt wurde im Anhörungsverfahren und Bildungsausschuss wiederholt kritisiert. „Es ist in diesem Land nicht gewollt, dass der äußere Rahmen dem inhaltlichen folgt“, sagte Frank Nieswandt.

Andreas Rösler (AfD) warb gar dafür, ein Signal an Schwerin zu senden und der Schulentwicklungsplanung nicht zuzustimmen. „Es sind Dinge beschlossen worden, die nicht umsetzbar sind.“

Landeselternrat hofft auf Pragmatismus in Schwerin

Laut Dirk Rautmann ist die Schulentwicklungsplanung aber auch wichtig, um Schulschließungen zu verhindern. Damit Schulen mit zu geringen Schülerzahlen erhalten bleiben können, müsse eine sorgfältige Begründung formuliert werden. „Wir wollen ausdrücklich, dass keine Schule geschlossen wird – aber wir müssen darstellen, dass sie weitergeführt werden können.“ Es sei unvorstellbar, Schulen wie in Blankensee, Woldegk, Feldberg, Wesenberg, Rechlin oder Penzlin zuzumachen.

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„Inklusionsfrieden hin oder her – Gesetze und Verordnungen werden für Menschen gemacht. Wenn wir feststellen, dass die Verordnungen die Realität nicht widerspiegeln, müssen wir auch reagieren können“, sagte Kay Czerwinski aus dem Landeselternrat. Nach seinen Erfahrungen sei der Wille zu pragmatischen Entscheidungen allerdings auch bei den Entscheidungsträgern im Land vorhanden.