Landleben

Kauf-Boom bei Gutshäusern und Schlössern in MV

Seenplatte / Lesedauer: 4 min

Das Angebot übersteigt mittlerweile die Nachfrage: Wohin man schaut, gibt es Verkäufe und Besitzerwechsel in ganz MV. Corona hat den Trend noch mal befeuert.
Veröffentlicht:16.02.2022, 16:38

Von:
  • Silke Voß
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Viel Dynamik herrscht derzeit im „Gutshausmarkt“. Nahezu überall Verkäufe, Besitzerwechsel. Allein in der Mecklenburgischen Schweiz ist dies gerade in einem Radius von wenigen Kilometern zu beobachten. Das etwas düster und verwunschen wirkende Tudorschloss Marxhagen mit seinen märchenhaften Zinnen an der B 108 steht nach vielen fehlgeschlagenen Verkaufsversuchen nun kurz vor einem Besitzerwechsel, wie die langjährige Eigentümerin Marlis Kaltenbacher mitteilte.

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Nachdem der Versuch der Historikerin und bekennenden Marxistin aus Süddeutschland, in dem Ort mit dem Namen des kommunistischen Visionärs eine links gesinnte Gemeinschaft zu errichten, gescheitert war, sah sie keinen Sinn mehr darin, ein solch großes Haus zu betreiben.

Domäne Neu Gaarz hat unruhige Zeiten hinter sich

Nur einen Katzensprung weiter hat die reizvolle kleine Domäne Neu Gaarz bereits eine neue Hüterin. Das Haus, das zuletzt ein schwäbischer Autohändler geführt hatte, gehört nun einer Berlinerin, wird grundlegend entkernt und soll teilweise Hotel bleiben. Der sonnengelbe Zweistöcker zwischen einladenden Eiszeitseen und -hügeln hat ebenfalls eine unruhige jüngere Geschichte hinter sich: Nachdem die Kunstkennerin und Krimischriftstellerin Ull Eisel ihn zu einem Ort der Musen mit Theater und Schwimmbad gewandelt, sich damit jedoch wohl finanziell verkalkuliert hatte, diente die Redoute zeitweise sogar als Jagdschloss.

Berechtigte Hoffnungen für Gutsanlage Blücherhof

Schließlich unweit von Neu Gaarz der Blücherhof: Als eine der besterhaltendsten Gutsanlagen Norddeutschlands steht das umfangreiche Wirtschaftsgutsgelände nach dem Tod eines seiner Besitzer, des Tüftlers von Hanf-Erntemaschinen Hans-Helmuth Kranemann, schon einige Zeit zum Verkauf. Mit seinem pittoresken Spritzenhaus, dem geschwungenen Marstall, dem trutzigen Kuhstall aus Riesen-Feldsteinen, einem gigantischen Speicher und einem Festsaal sowie dem dendrologischen Park eine Anlage mit „Wahnsinns-Potenzial“, denkt Makler Manfred Achtenhagen. Erfahren und sehr kritisch beim Prozedere von Schlossverkäufen, ist Achtenhagen nun aber verhalten optimistisch, was die derzeitigen Genossenschaftler aus Schleswig-Holstein für den Blücherhof betrifft. Und wenn nicht, kennt Achtenhagen weitere ernstzunehmende Interessenten für die besonderen Bauten des einstigen Zoologen Professor König.

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Zudem Sprecher des Vereins Schlösser und Herrenhäuser, bestätigt Manfred Achtenhagen einen aktuellen Boom bei Gutshauskäufen in Mecklenburg und Vorpommern. Gerade sei zum Beispiel in Vorpommern bei Jarmen Gutshaus Breechen veräußert worden, zudem Radewitz bei Gützkow sowie das Paul-Korffsche Kleinod Lübzin bei Güstrow und Gross Schönfeld bei Neustrelitz. „Im hiesigen Gutshaus-Immobilien-Markt ist viel Bewegung“, erfährt Manfred Achtenhagen, selbst Besitzer des attraktiven Gutshauses Ludorf, und begründet das unter anderem so: „Manch einer hatte aufgrund der Corona-Einschränkungen keine Lust mehr und mittlerweile aufgegeben“, nennt er als ein Beispiel die Anlage Woldzegarten bei Malchow. „Schwer haben es in der Pandemie vor allem die, die als Hotelbetreiber bisher auf Gruppen, Tagungsgäste oder Yoga-Rückzugsorte gesetzt haben. Den Gastgebern aber, die seit jeher den Individualgast angesprochen haben, ergeht es weit besser. Alle anderen schlagen sich so durch.“

Stuttgarter zog es in den Norden

Corona habe aber nur bereits vorhandene Trends befeuert, resümiert Achtenhagen. So habe sich gezeigt, dass, wenn man große Häuser nicht selbst betreibe, es auch schief gehen könne, nennt er das „Loire“-Schloß Klink an der Müritz und den dortigen jüngsten Besitzerwechsel. Verstärkt habe sich durch Corona auch der Trend eines Zuzugs von Großstädtern aufs Land. So sehr, dass mittlerweile die Nachfrage das Angebot übersteige. „Viele Anfragen gibt es, aber nur noch wenig Häuser“, charakterisiert der Schlossmakler die Situation für MV.

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Ein Beispiel von jungen urbanen Trendsettern, für die durch Corona die Stadt ihre Vorzüge längst eingebüßt hat, findet sich zum Beispiel in der Mecklenburgischen Schweiz. In Boddin bei Gnoien haben zwei junge Stuttgarter das Gutshaus 2021 von der Gemeinde gekauft und wollen demnächst dort einziehen, wie Neubesitzer Philip Furtwängler bestätigt. „Die Gegend ist sehr reizvoll“, schwärmt der Architekt und passionierte Gourmetkoch übrigens auch von dem „interessanten Gutshausnetzwerk um Rensow, Dölitz, Kobrow und Behren-Lübchin“ ringsum. Und was macht man unter anderem in dieser „Pampa“ am anderen Zipfel Deutschlands? Vielleicht ja eine Kochschule!

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