Russischer Ehrenfriedhof
Rätsel um Kriegstote in Stavenhagen ist gelöst
Basepohl / Lesedauer: 4 min

Eckhard Kruse
39 Namen von sowjetischen Soldaten gehören seit Ende des Zweiten Weltkriegs zur Stadt Stavenhagen dazu. Anfangs gedachte man ihrer auf dem Reuterplatz. Später wurde der Gedenkstein auf dem Friedhof aufgestellt und die Gräber von 25 Verstorbenen wurden dorthin umgebettet. Doch unter welchen Umständen die Sowjetbürger ums Leben gekommen waren, das konnte bisher niemand genau sagen. Denn rund um die Stadt waren keine Kriegshandlungen bekannt. Man konnte nur vermuten.
Doch mit der Umgestaltung der Grabanlage in diesem Jahr offenbarte sich, dass viele der Soldaten schon in den Jahren 1941 bis 1943 ums Leben gekommen waren – eben zu einer Zeit, als der Krieg noch in der Sowjetunion tobte. Für die Recherche hatte die Botschaft der Russischen Föderation in den Archivunterlagen des russischen Verteidigungsministeriums nachschauen lassen. Man fand Gräberlisten der sowjetischen Kommandanturen, aber auch Personalkarten von Kriegsgefangenen, informierte Alexey Skorina, Mitarbeiter des Botschaftsreferats für Kultur und Medien. Die Personalkarten seien nach dem Krieg in russischen Archiven gelandet.
Todesursache: Skorbut
Skorina bedauerte, dass die Gräberlisten nur wenig Aufschluss über das Schicksal der Kriegstoten geben. Es gebe jedoch Vermerke über Dienstgrade einiger Gestorbener und einen Hinweis darauf, dass sie Kriegsgefangene waren. „Das gilt primär für die im Jahr 1941 verstorbenen Rotarmisten, deren Namen auf dem Obelisk eingemeißelt sind“, erläuterte er.
Bei zwei Rotarmisten liegen aber auch die Personalkarten vor. Darauf stehen genaue Angaben zu den Personen. Ihre Wohnorte, Berufe und sogar die Sterbeorte und die Todesursache sind darauf in deutscher Sprache vermerkt. Damit steht fest: Die beiden Rotarmisten Alexander Lebedew und Pawel Skorobogatow sind im Sammellager Basepohl des Stalag (Stammlagers) II A verstorben. Todesursache: Skorbut. Skorobogatow starb am 4. November 1941 im Alter von 31 Jahren, Lebedew wenige Tage später am 11. November 1941. Er wurde nicht einmal 19 Jahre alt. Beide waren Schützen. Der eine arbeitete in seiner Heimat als Landarbeiter. Der andere war Bäcker. Heute sind ihre Gebeine in Einzelgräbern bestattet.
Viele Gefangene auf Gütern und in Betrieben eingesetzt
Mit der Auskunft aus der russischen Botschaft wird klar, dass es in Basepohl eine Außenstelle des Kriegsgefangenenlagers in Neubrandenburg Fünfeichen gegeben haben muss. Dort wurden seit Oktober 1941 Tausende Kriegsgefangene aus Polen und auch schon aus Russland festgehalten. Dr. Harry Schulz vom Stadtarchiv Neubrandenburg, der sich viel mit dem Stalag beschäftigt hat, weiß, dass viele Gefangene zum Arbeiten auf den Gütern oder in Betrieben rund um Neubrandenburg untergebracht worden waren. Das sei überall in Mecklenburg der Fall gewesen. Über ein Sammellager in Basepohl sei nichts bekannt. Er weiß aber von einem größeren Lager in Teterow an der Grottekurve. Dort seien Kriegsgefangene untergebracht worden, die im Eisenbahnbau beschäftigt waren.
Auch in Stavenhagen und dem Ortsteil Basepohl selbst ist nichts über ein Sammellager bekannt. „Ich weiß nur, dass später Franzosen in der Schnitterkaserne untergebracht waren“, sagte Hans-Georg Kunisch, der sich in der Basepohler Geschichte sehr gut auskennt. Von Russen hat Kunisch keine Kenntnis. Doch die Akten sprechen eine deutliche Sprache. „Möglicherweise sind die Kriegsgefangenen zur Nachtzeit auf dem Gutshof Basepohl untergebracht worden“, meinte Kunisch.
Unterlager in Ivenack
Harry Schulz entdeckte auf der Rückseite der Personalakte noch eine Notiz vom 21. Oktober 1941. Die Abkürzung U.L. Ivenack deutet er als Unterlager Ivenack. Das könnte bedeuten, dass der 19-jährige Lebedew ins Unterlager Ivenack des Sammellagers Basepohl kommandiert war. Dahinter die Nummer B 219. „B 219 ist ein Bauzug“, sagte Schulz. Die Kriegsgefangenen seien im Straßen- und Gleisbau eingesetzt worden. Das müsse eine größere Truppe gewesen sein.
Ein bisschen mehr Aufklärung gibt es jetzt auch über die beiden Rotarmisten auf dem Stavenhagener Friedhof, auf deren Grabtafeln der 3. Mai 1945 angegeben ist. Sergeant Michail Kislizin und Pawel Kamajew gehörten zum 173. selbstständigen Straßenbaubataillon, konnte Alexey Skorina durch Angaben einer Verlustmeldung informieren. Kislizin hatte als Traktorist gearbeitet. Kamajew war Schmied gewesen. Sie starben am Alter von etwa 38 und 43 Jahren.
Aus Schlachterei auf russische Soldaten geschossen
Weitere Informationen, zum Beispiel über die Todesumstände, gebe es nicht. So wird wohl für immer offen bleiben, ob sie gefallen sind, ob sie durch eine Verwundung, einen Unfall oder eine Erkrankung starben oder ob es sich bei den Verstorbenen vielleicht sogar um Opfer eines Angriffs in der Wallstraße Stavenhagen handelt. Es wurde nämlich berichtet, dass am 1. oder 2. Mai aus einem Fenster der Schlachterei Rosenbaum auf russische Soldaten geschossen wurde. Am Ende brannte das Haus und dadurch wahrscheinlich auch das halbe Quartier ab. Über die anderen Gräber in Stavenhagen ist nichts weiter bekannt, erläuterte Skorina.