Geheimpapier
Reiche Vorzeige-Stadt pleite?
Stavenhagen / Lesedauer: 3 min

Eckhard Kruse
So ein gigantisches Finanzloch gab‘s in 750 Jahren Stavenhagen wohl noch nie. Die Reuterstadt wird in ihrem Jubiläumsjahr von der reichen Vorzeigestadt zu einem armen Schlucker. Sie ist offenbar über beide Ohren verschuldet. 21,2 Millionen Euro Gewerbesteuer muss die mecklenburgische Kleinstadt aktuell zurückzahlen. Möglicherweise kommen sogar noch weitere 7,7 Millionen Euro hinzu. So steht es in einem Papier, das der Bürgermeister Bernd Mahnke (parteilos) den Stadtvertretern vor einigen Tagen hinter verschlossenen Türen präsentierte.
Mit diesen Steuern hatte der Konzern Unilever, zu dem auch das Stavenhagener Unternehmen Pfanni gehört, über Jahre die Reuterstädter Kassen gefüllt. Da flossen an die 6000-Einwohner-Stadt auch schon mal 34 Millionen Euro pro Jahr ins Stadtsäckel. So war es zum Beispiel 2005 der Fall. Doch nun stellten offenbar die Finanzbehörden fest, dass die Gewerbesteuern nicht in Stavenhagen, sondern am deutschen Unilever-Hauptsitz in Hamburg fällig sind.
Stadt verliert durch Finanzdisaster die Schuldenfreiheit
Diese Umverlagerung der Gewerbesteuern dürfte für Stavenhagen ein ziemliches Finanzdisaster mit sich bringen. Die Stadt wird ihre Schuldenfreiheit verlieren - ein Status, auf den der Bürgermeister immer besonders stolz war. Sie muss vermutlich Kredite zwischen 16 und 18 Millionen Euro aufnehmen. Und möglicherweise Gewerbe-, Grund- und andere Steuern erhöhen. Vor allem wird die Stadt freiwillige Leistungen kürzen müssen. Dabei ist fraglich, ob etwa das Baby-Begrüßungsgeld oder das Essengeld für Schul- und Kita-Kinder erhalten bleiben können.
Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte verlangt von der Reuterstadt inzwischen ein Haushaltskonsolidierungskonzept. Das bestätigte Vize-Landrat Siegfried Konieczny (Die Linke) am Freitag. „Stavenhagen wird in der nächsten Zeit keinen ausgeglichenen Haushalt mehr haben können“, sagte er. Die Stadt müsse nachweisen, wie sie das Defizit verringern kann. Sonst könne der Landkreis den städtischen Haushaltsplan nicht bestätigen. „Ich denke aber, dass es in der Stavenhagener Verwaltung sehr kluge Leute gibt, die ein Interesse haben, die einschneidende Phase so kurz wie möglich zu halten“, so Konieczny. Er selbst schätze, dass die Stadt die Krise in drei bis fünf Jahren überwunden haben könnte.
Das 21-Millionen-Euro-Minus wollte Bürgermeister Bernd Mahnke am Freitag nicht bestätigen. Erst seit wenigen Stunden stehe endgültig fest, wie hoch die Verschuldung der Stadt tatsächlich noch ist. „Sie liegt deutlich darunter, ist aber trotzdem noch erschreckend hoch genug“, sagte er. Nennen wollte Mahnke die aktuelle Zahl aber noch nicht. Die sollen nun zuerst die Stadtvertreter am Montag im Finanzausschuss erfahren. Wichtig ist dem Bürgermeister, dass die Reuterstadt vollkommen unverschuldet in diese prekäre Lage geraten ist.