Firma gegründet

Syrer entwickelt Powerfood für Pflanzen

Malchin / Lesedauer: 4 min

Nach monatelangen Experimenten stellt Saoud Farman nun ein Substrat als Grundlage für fruchtbare Erde her. Malchiner halfen ihm dabei, seine Firma „Terra Rana“ zu gründen.
Veröffentlicht:09.11.2020, 17:53
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Von:
  • Author ImageKirsten Gehrke
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Eigentlich hat Saoud Farman in seiner Heimat Syrien alles gehabt: eine eigene Firma, Familie, ein Auskommen. Als studierter Chemiker produzierte er Holzkohle und verkaufte die bis nach Saudi-Arabien und Dubai. Doch 2011 begann der Bürgerkrieg, zwei Jahre später hat Bombenhagel seine Fabrik zerstört. Als 2015 der IS in sein Gebiet um Al-Hasaka kam, hatte er keine andere Wahl als nach Europa zu fliehen. „Wenn der IS einen Kurden sieht, tötet er ihn“, erklärt der 41-Jährige. Aus Angst haben sich er und seine Familie zunächst im kurdischen Norden des Irak in Sicherheit gebracht. Von da brach er erst einmal allein nach Deutschland auf.

Saoud Farman floh über das Mittelmeer

Weil er als Kurde nicht in die Türkei konnte, musste er den gefährlichen Weg über Libyen nehmen. Auf einem kleinen Plasteboot, besetzt mit 110 Personen, ging es übers Mittelmeer. Die Schlepper hatten sie nur 15 Minuten begleitet, waren dann zum libyschen Ufer zurück geschwommen. Dann waren sie sich selbst überlassen. Nur ein Handy und drei Eimer mit Benzin hatten sie ihnen da gelassen, damit sie den Motor nachfüllen konnten. Nur mit Hilfe von GPS-Daten über Satellit fanden sie den Weg in Richtung Italien. In den 14 Stunden auf dem Wasser hat sich Saoud Farman sterben gesehen. „Es war schrecklich.“ Doch dann hat ein italienischer Frachter sie entdeckt und sie gerettet. Nach einem Monat auf Lampedusa ging es für Saoud mit Bus und Zug weiter Richtung Deutschland.

Am 8. Januar 2016 kam er in Horst in Mecklenburg-Vorpommern an, landete nach einem Monat im Aufnahmelager in Basepohl. Dort hatte er gefragt, ob er nicht in eine deutsche Familie darf. So lernte er Bettina Kalisch kennen, die ihn im Mai 2016 bei sich in Alt Kentzlin aufnahm. Er lernte Deutsch und bekam eine Stelle in der Kulturbörse in Gnoien. Bettina Kalisch als Leiterin, die selbst Chemikerin war, hatte ihn gebeten, mit Kindern in einem Labor zu experimentieren. Dann hatte sie ihn auf Terra Preta gebracht – die Schwarze Erde.

Seine Erfindung hat er im Gewächshaus der Nachbarin ausprobiert

So fing er an, wieder Holzkohle herzustellen, zerkleinerte diese und versetzte sie mit Urgesteinsmehl und Mikroorganismen, entwickelte seine eigene Rezeptur. Sechs Monate experimentierte er, bis er die richtige Mischung aus Nährstoffen, Mineralien und Effektiven Mikroorganismen für sein Substrat gefunden hat. Wie Farman erklärt, sauge die Holzkohle die natürlichen Nährstoffe aus Regen, Kompost und Urgesteinsmehl wie ein Schwamm auf. Sein Substrat sei ein praktischer Weg, die besonders fruchtbare schwarze Erde zu erzeugen. Holzkohle bleibe 1000 Jahre im Boden, die Nährstoffe in den Pflanzen.

Im Gewächshaus seiner Nachbarin in Alt Kentzlin habe er sein Substrat ausprobiert. Wo nie Gemüse gut gewachsen war, konnten nun viele Tomaten geerntet werden. „Da kam ich auf die Idee, einen Betrieb zu gründen“, sagt Saoud Farman. Nur wie? Weil er nur ein befristetes Aufenthaltsrecht besitzt, bekommt er keinen Kredit. Inzwischen waren 2018 seine Frau und die beiden Kinder Roya (8) und Jandy (11) zu ihm nach Deutschland nachgekommen. Wie es der Zufall wollte, lernte er Anja Eger aus Retzow kennen, deren Sohn Juri in die gleiche Klasse in Remplin geht wie Roya. Als sie von seiner Geschäftsidee hörte, waren sie und ihr Mann Göran (48) gleich Feuer und Flamme. Selbst hatten sie gerade ihre Elektrofrosch-Firma aufgebaut und verkaufen inzwischen erfolgreich elektrisch angetriebene Dreiradlaster. Sie wissen, was es heißt, sich selbstständig zu machen.

Hilfe aus der Nachbarschaft für den Firmengründer

Deshalb halfen sie dem Syrer, seinen Traum wahr zu machen, und übernahmen die Kosten für das Material, das er braucht, um größere Mengen seines Substrats herstellen zu können. „Man muss sich gegenseitig unterstützen“, findet Anja Eger. Das sei eine zutiefst menschliche Sache. Im Juli gründete Saoud Farman seine Firma „Terra Rana“ – Terra für Erde, Rana für Frosch – in Anlehnung an seine Unterstützer. „Wir glauben an Saoud“, sagt Anja Eger. „Wir finden die Idee super, sind überzeugt davon.“ Auch der Ökogedanke habe bei ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt. Die 39-Jährige beschreibt „Terra Rana“ als Powerfood für die Pflanzen, für Gemüse am besten. Es sei zukunftsorientiert und nachhaltig.

Das Substrat binde das CO2 der Pflanzen über Jahrtausende im Boden. Die Holzkohle darin könne Wasser speichern, ein wichtiger Fakt, gerade bei der Trockenheit der letzten Jahre. In 20-Liter-Beuteln packt Farman „Terra Rana“ ab. Wenn man es mit Kompost vermische, bekomme man fruchtbare Erde. Angemeldet hat sich der 41-Jährige beim Regionalvermarkter Meck-Schweizer, zudem eine Internetseite geschaltet (www.terra-rana.de). Auf einer Info-Tour durch die Landkreise Rostock und Seenplatte will er sein selbst entwickeltes Produkt nun vorstellen.