Seenplatte-Schloss
Wie viel Tourismus und Luxus verträgt ein Dorf?
Basedow / Lesedauer: 5 min

Silke Voß
Als der berühmte preußische Gartenbaudirektor Peter Joseph Lenne 1866 in Potsdam starb, hinterließ er ein bedeutendes gartenkünstlerisches Werk. Die ganzheitliche Anlage in Basedow im Nordwesten des Landkreises zählt zu einem seiner Hauptverdienste. Nicht zuletzt hat der Gartenkünstler auch damit maßgeblich dazu beigetragen, Mecklenburg-Vorpommern heute zu einer der schönsten Kulturlandschaften Europas zu machen.
Nur schöner Schein?
In dem Dorf in unmittelbarer Nähe zum Malchiner See gab es Teiche, in denen sich nicht nur das Renaissanceschloss spiegelte, sondern auch eine Orangerie, in der unter anderem Pomeranzen gezüchtet wurden. Eine Nachfahrin, Verena Gräfin Hahn, führt in der nahen Wasserburg Liepen das Erfolgsrezept der Zitrusfrucht fort. Viele der früheren baulichen Schönheiten stehen heute noch – das Wildhüter- und Inspektorhaus, der Stülersche Marstall und der wunderschöne weitläufige Flanier-Park.
Nur – was einst als harmonisierendes Ensemble erdacht war, ist jetzt zerstückelt und in seinem einstigen, bildenden Sinn nicht mehr erfassbar. Vieles muss man zwischen zeitgenössischen Zweck-Bauten suchen: Selbst das postkartengleiche Renaissanceschloss scheint optisch verschwunden. Ein Hotel-Bau stellt sich mitten in die früher vorhandene Sichtachse. Farmer-Hotel und Farmer-Steakhouse, errichtet vom Investor Peter Rothe, locken Touristen. Geworben, nach Basedow zu kommen, wird freilich mit dem Schloss. Das aber ist pure Kulisse – denn rein kommt man nicht mehr.
Mehr lesen: Basedower Erfolgsstory erhält Tourismuspreis
Einer, der das Dorf als Einwohner seit 22 Jahren wie seine Westentasche kennt, kennt auch den schönen Schein. „Das Schloss ist nur in der Sonne schön“, sagt Frank Boldt. „Aber wenn man näher rankommt, ist da eine Katastrophe.“ Versperrte Türen und ein Zaun stören den Anblick. Es heißt, drinnen befinde sich eine Autowerkstatt, und im Rittersaal lebe nur der Schwamm. Das einst den von Hahns gehörende Schloss ist nun Eigentum von Schweizer Brüdern, die, so Verwalter Renato Woy, ungern Auskunft über ihr Vorhaben mit dem kulturellen Erbe geben würden.
Der Hamburger Investor ist umstritten
Trotzdem strömen meist betagte Reisende busweise in das kleine Dorf an der Seenplatte. Vor dem beliebten Bauernmarkt und Shop „Alter Schafstall“ ist erst mal Halt. Es sind so viele, dass eingesessene Basedower wie Frank Boldt bereits froh sind, nunmehr am ruhigeren Dorfrand zu wohnen. „Andererseits: Ohne den Peter Rothe wäre Basedow wohl ein verschlafener Ort wie jeder andere auch.“
Der Hamburger Investor gilt den einen als Retter Basedows, der Arbeitsplätze gebracht hat. Am Ortseingang hat der betuchte Rothe eine optisch recht eigenwillige Villa bauen lassen, die eher nach Las Vegas passen würde. Den anderen erscheint er als einer, der das immerhin fast komplett denkmalgeschützte Dorfensemble gestört hat mit seinen massiven Umbauten. Schließlich gab es Zoff, gipfelnd in einer Strafanzeige seitens des Landesdenkmalamtes wegen des Abrisses eines historischen Stallgebäudes.
Ungeachtet dessen aber hat der Landestourismusverband 2020 ihm und seiner Tochter Sabine den Tourismuspreis zuerkannt. Ihnen sei es zu danken, „dass Basedow sich zu einem touristischen, architektonischen und kulinarischen Zentrum im Naturpark Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See entwickelt habe“, hieß es zur Begründung.
Auch diese Saison lief gut, freut sich Hoteldirektor André Mittelbach. Die Leute kommen des Schlosses wegen, und sehr viele mit E-Bikes, um den Malchiner See zu umrunden. Allerdings begeben sich diese nach Ansicht von Bernd Wetzel in „Teufels Küche“, gerade wenn sie den Abschnitt zwischen Seedorf und Rothenmoor nutzen. Die stark mit Traktoren und eben auch Reisebussen befahrbare Landestraße sei schon sehr gefährlich. Einigung zwischen Flächeneigentümern zum Bau eines sicheren Radwegs sei seit Jahren nicht vermittelbar, moniert der Gemeindevertreter.
Mehr lesen: Deutschland-Tourismus im Juli mit Zuwächsen
Manche Bauvorhaben stehen noch aus
Noch andere Bauvorhaben hingegen schreiten weiter voran: Demnächst, so wirbt ein Banner für noch „mehr Luxus“, kommt ein Wellnesstrakt am Hotel hinzu. Und eineinhalb Hektar Wohngebiet sind ausgewiesen – für zuzugswillige Familien. Denn immerhin: Rund 50 Menschen sind im hiesigen Tourismus beschäftigt. Glücklicherweise, so schätzt Bernd Wetzel, sei jedoch im Vorjahr ein Riesenprojekt Rothes von der Raumordnungsbehörde abgeschmettert worden: 18 Hektar Baugebiet.
„Weitere Bettenburgen für Senioren“, scherzt Wetzel im Nachhinein. Er war der einzige Gemeindevertreter, der das Vorhaben abgelehnt hatte. „Es passt nicht hierher, wo wir immerhin über viel unbebautes Seeufer und reine Natur verfügen“, meint er. Trotzdem schätzt er die Tourismusentwicklung in Basedow insgesamt positiv ein. „Immerhin bieten wir hier auf 700 Einwohner so viel Gastronomie wie ganz Malchin nicht – drei Cafés, zwei Restaurants und ein Hotel mit 33 Zimmern.
Bedeutsames Erbe gefährdet?
Einer, den die Landschaftsstörungen schmerzen, ist der Gielower Landschaftsarchitekt Stefan Pulkenat. Zwar laufe Basedow in seiner Beliebtheit Hohenzieritz bereits den Rang ab, weiß er. Dennoch: „Wir müssen behutsam mit dem Charme dieses Ortes umgehen. Ansonsten besteht die Gefahr, so ein bedeutsames Erbe durch ganz normale Bebauung zu gefährden“, plädiert Pulkenat für mehr Umsicht und Sensibilität.
Wo einst englische Vollblutpferde galoppierten, will Sabine Rothe auch bauen – am Stülerschen klassizistischen Marstall. Eine Reitwiese soll hier entstehen – ganz wie sie sich Peter Joseph Lenne 1836 erdacht hat.