„Kämpfer” gegen Alkohol landet wegen Trunkenheit vor Gericht
Waren / Lesedauer: 5 min

Susann Salzmann
Ist Maik A. (Name geändert) mit rund zwei Promille noch Transporter gefahren? Diese Frage wurde vor dem Warener Amtsgericht erörtert und dabei hätte unter Umständen ein einziger Name, ein einziger Satz ein ganzes, fast ein Jahr lang dauerndes Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten verhindern können. Doch der 39 Jahre alte Beschuldigte „verpasste“ die Chance und die Neubrandenburger Staatsanwältin wollte zur Verhandlung klargestellt wissen, dass weder ihre Behörde noch ermittelnde Beamten etwas dafür könnten, dass Maik A. ins Fadenkreuz der Ermittlungen geraten war.
Polizisten ließen nicht mit sich reden
Und das nur, weil der Strelitzer am 30. August 2020 mit 1,95 Promille in der Nähe eines Transporters stand und sich so schlussfolgern ließ, dass sich Maik A. in jener Nacht trotz besseren Wissens hinters Lenkrad gesetzt hatte.
Dass er angesichts seiner Verfassung nicht mit dem Wagen gefahren sei, erzählte der Strelitzer den zur Geisterstunde eintreffenden Polizisten gleich am Anfang. Dass der Angeklagte trotzdem abgeführt, sein Atemalkoholwert dokumentiert und sein Führerschein zunächst eingezogen wurde, ließ der Stiefvater damals geduldig über sich ergehen. Er wusste immerhin nicht, was auf ihn zukommen würde. Seinen „Lappen“ hat er aber auch im elften Monat nach dem Vorfall noch nicht zurück bekommen.
„Man muss mit 15 keinen harten Alkohol trinken.“
„Er war gutgläubig, naiv“, erklärte sein Verteidiger Uwe Raddatz dem Gericht. Denn eigentlich wollte Maik. A. an jenem Tag, an dem seine 14-jährige Stieftochter ihre Jugendweihe feierte, ein Vorbild sein. Während sich die Feier dem Ende zuneigte, bekam der Angeklagte mit, dass ein Freund der Ziehtochter hochprozentigen Alkohol aus dem Kühlschrank nahm und sich zu einem nahe gelegenen See verdrückte, wo die Jugendlichen ohne Aufsicht der Erwachsenen ihre eigene Sause machen wollten.
Maik A. wollte das nicht durchgehen lassen. „Man muss mit 15 keinen harten Alkohol trinken. Ich wollte nur die Flasche holen“, sagte der sichtlich vom Gericht eingeschüchterte Mann der Vorsitzenden Richterin Alexandra Sprigode-Schwencke. Er habe sich zum Standort der feiernden Jugendlichen an einen See im Neustrelitzer Randgebiet bringen lassen. Und zwar von seinem Bruder, dessen Name zum allerersten Mal während der Hauptverhandlung fiel. Der Bruder hätte den Angeklagten schon von Anfang an entlasten können, doch Maik A. kam offenbar nie der Gedanke, dass ihm die Polizei keinen Glauben schenken und ein Verfahren gegen ihn einleiten würde.
Ziehtochter des Mannes rief selbst die Polizei
Am See angekommen. traf der Beschuldigte auf die Jugendlichen und die Situation eskalierte. Der Junge, der die Flasche Alkohol mitgenommen haben sollte, leugnete dies. Die Stimmung kochte hoch. Bis die Ziehtochter des Angeklagten die Polizei rief.
Die Verhandlung offenbarte, dass wohl erst die Jugendlichen den Verdacht auf den Beschuldigten als Trunkenheitsfahrer lenkten. Bei der Verhandlung selbst konnte sich auf Nachfrage der Richterin keiner der jungen Leute erinnern, dass Maik A. tatsächlich hinter dem Steuer des Transporters gesessen hatte.
Der 47-jährige Bruder des Strelitzers war es schließlich, der das Gericht glaubhaft von der Unschuld seines Bruders überzeugen konnte. „Ich geben keinem Betrunkenen die Autoschlüssel“, versicherte der Bruder im Zeugenstand verantwortungsbewusst. An jenem Abend sei er als Fahrer für Geschenke und Gäste eingeteilt gewesen und mit dem Angeklagten zum See gefahren, damit sein Bruder nach der Stieftochter schauen konnte.
Kritik an Ermittlungsbehörden
Er habe den Transporter dann am See stehen lassen, der nebenan wohnenden Ex-Freundin von Maik A. die Autoschlüssel gebracht und sei seines Weges gegangen. Als die Polizei dann kam, war Maik A. also der einzig in Frage kommenden Mensch mit einem Führerschein und so zwangsläufig unter Verdacht geraten.
Für den Angeklagten, seinen Bruder und die Ex-Freundin war das Verfahren eine Farce. An mehreren Stellen sei etwas schief gelaufen, kritisierten sie vor Gericht. Die Ex-Freundin kritisierte unter anderem, dass weder sie noch die Tochter nach dem Abend jemals bei der Polizei vernommen seien worden. Die Staatsanwältin hielt dagegen: „Sie sollten die Arbeit der Behörden nicht schlecht machen, wenn Sie die Hintergründe nicht kennen“.
Über das Urteil waren sich am Ende alle einig
Ein 43 Jahre alter Polizist bestätigte im Zeugenstand auch noch einmal, dass er als Dienstgruppenleiter damals wegen des Verdachts der Trunkenheit im Verkehr Ermittlungen eingeleitet hatte. Diese hätten sich vor allem auf Behauptungen der Jugendlichen gestützt, die sich von dem Angeklagten „verfolgt“ gefühlt hätten. Das brachte die Staatsanwältin dazu, sich noch einmal an Maik A. zu wenden. Dieser hätte viel zu spät mitgeteilt, dass sein Bruder ihn entlasten könnte.
Nachdem diese Wirrungen und Verwirrungen nun aufgeklärt waren, konnte es nach Auffassung aller Prozessbeteiligten nur ein Urteil geben: einen Freispruch. Und so verkündete es Richterin Sprigode-Schwencke auch.