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Lücken im Rettungsdienst

150 Rettungskräfte und 15 Rettungswagen fehlen in der Seenplatte

Seenplatte / Lesedauer: 4 min

Ein Gutachten bescheinigt dem Rettungsdienst in der Seenplatte erhebliche Lücken. Wie die am besten gefüllt werden können, wissen die Verantwortlichen aber nicht.
Veröffentlicht:11.05.2022, 10:30

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Der Rettungsdienst in der Mecklenburgischen Seenplatte soll für die Wahrung seiner Pflichten in den kommenden Jahren erheblich hochgerüstet werden. So empfiehlt es zumindest ein Gutachten. Allerdings sind Zweifel an der Umsetzbarkeit wohl angebracht – spätestens seit der jüngsten Sitzung des Ordnungsausschusses des Kreistages.

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Denn wie Jürgen Köhler, Sachgebietsleiter Rettungsdienst beim Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, dort vorrechnete, werden in naher Zukunft 12 bis 15 zusätzliche Rettungswagen und beachtliche 120 bis 150 weitere Rettungskräfte erforderlich. „Wo das herkommen soll, ist im Moment nicht wirklich klar“, so Köhler.

Extra-Ausbildung erforderlich

Schließlich werde in anderen Landkreisen eine ähnliche Zahl an zusätzlichen Rettungskräften gesucht. Und wahrscheinlich reicht das an Neueinstellungen nicht einmal aus: „Dabei ist noch nicht beachtet, dass wir aufgrund der Altersstruktur die nächsten fünf Jahre deutliche Personalrückgänge haben“, so Köhler.

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Außerdem gebe es das Berufsbild des Rettungsassistenten nur noch bis Ende nächsten Jahres – es werde dann vollständig vom Notfallsanitäter abgelöst. Laut Köhler soll immerhin in diesem Jahr noch eine zusätzliche Schule in Rostock eröffnen. Einen verkürzten Übergang zum Notfallsanitäter könne aufgrund der Anforderungen aber längst nicht jeder in Anspruch nehmen. Im schlechtesten Fall müssten viele noch eine weitere dreijährige Ausbildung machen, sofern sie dem Rettungsdienst überhaupt erhalten bleiben.

Hilfsfrist nur in großen Städten eingehalten

Einige Standorte von Rettungswagen gelte es für eine Verkürzung von Einsatzfahrten, dringend aus- oder neu zu bauen. So müsse insbesondere im ehemaligen Müritz-Kreis in der Nähe der A19 die ein oder andere Rettungswache erreichtet werden, um den Forderungen der Hilfsfrist gerecht werden zu können, so Köhler. „Wir hoffen, dass das in den nächsten fünf Jahren umgesetzt wird.“

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In den Bereichen um die Orte Stuer, Penkow, Neukalen und Rosenow sollten laut der letzten Überplanung ganz neue Standorte für Rettungswagen entstehen. An den vorhandenen Standorten in Neustrelitz, Altentreptow, Feldberg, Friedland, Malchin, Mirow und Moltzow müsste ein weiterer Rettungswagen untergebracht werden. Allerdings brauche es dafür oft Umbauten, denn in der Regel seien nicht genügend Räume vorhanden, um dort ein zusätzliches Fahrzeug und die Besatzung unterzubringen.

Letztlich soll mit allen Maßnahmen die Erreichbarkeit von Patienten verbessert werden. Denn nur in den Städten Neubrandenburg, Waren und Neustrelitz konnte die in Mecklenburg-Vorpommern gültige Hilfsfrist von 10 Minuten nach Ende des Telefongesprächs in der Leitstelle gemäß der letzten Erhebung im Jahr 2017 in rund 95 Prozent der Fälle erreicht werden, auf dem Land lediglich in 75 Prozent der Fälle. Und wenn ein Patient erreicht wurde, dauert es mitunter noch eine ganze Weile, bis er im Krankenhaus ist. Von nicht wenigen Orten im Landkreis dauert die Fahrt laut Köhlers Ausführungen in die nächste Klinik 40 Minuten oder länger.

Kosten sind stark gestiegen

Nach aktuellen Schätzungen wird der Ausbau des Rettungsdienstes etwa acht Millionen Euro kosten. Die laufenden Kosten für den Rettungsdienst sind laut Köhler in den vergangenen fünf Jahren erheblich gestiegen. Wurden im Jahr 2017 noch 23,2 Millionen Euro ausgegeben, wird für das Jahr 2022 mit 32,4 Millionen Euro (ohne Luftrettung) gerechnet. Diese Steigerung sei unter anderem auf höhere Kosten für technische Ausrüstung und Personal zurückzuführen. Finanziert wird es aus Krankenkassenbeiträgen.

Der Notfallmediziner Matthias Gast aus Neustrelitz hatte sich im Gespräch mit dem Nordkurier erst kürzlich skeptisch über die Ausbaupläne des Rettungsdienstes geäußert. Noch sei aus seiner Sicht zu wenig passiert. Außerdem hält auch er es für fraglich, ob das nötige Personal dafür gefunden werden kann. Er plädierte unter anderem dafür, den Rettungsdienst lieber effektiv von weniger dringlichen Alarmierungen abzuschirmen. So könnten Einsätze aufgrund von Rückenschmerzen oder hohem Blutdruck andere übernehmen.