Tabubruch oder Politmanöver?

AfD und CDU machen in Penzlin gemeinsame Sache

Penzlin / Lesedauer: 5 min

Die CDU gehörte in Penzlin zu den Wahl-Verlierern. Nun ist sie durch Zusammenarbeit mit der AfD plötzlich wieder stärkste Kraft. Das sorgt für Empörung.
Veröffentlicht:21.06.2019, 11:45
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  • Author ImageIngmar Nehls
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Bei der Wahl der Stadtvertretung haben die Penzliner der CDU weniger Stimmen als beim letzten Mal gegeben. Mit Einzelbewerber Hubertus Hoch hatten die Christdemokraten fünf Sitze und rutschten nun runter auf drei Sitze. Somit waren sie gleichauf mit der WPL, der Fraktion Lebenswertes Penzlin/FDP und der Fraktion Die Linke/Grüne.

Doch bei der konstituierenden Sitzung am Dienstagabend in Penzlin sorgte der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Röse für eine Überraschung. Denn die CDU hat sich für eine Zählgemeinschaft den AfD-Vertreter Reinhard Gleisberg ins Boot geholt und plötzlich war dieses Bündnis stärkste Kraft. Das sorgt dafür, dass die CDU mehr Sitze in den Ausschüssen für sich beanspruchen kann.

Wie können Ausschüsse am gerechtesten besetzt werden?

Gleichzeitig hat sie mit dem Bündnis aber auch dafür gesorgt, dass der AfD-Politiker, der ansonsten isoliert gewesen wäre und in keinem Ausschuss hätte mitarbeiten können, nun sowohl im Schul- und Kulturausschuss als auch im Rechnungsprüfungsausschuss sitzt. Außerdem ist Gleisberg Vertreter für die Gesellschafterversammlung der Wohnungseigentumsgesellschaft Penzlin mbH. Drei Posten hat der AfD-Mann durch die CDU gewonnen. Andere Parteien haben durch dieses Manöver Sitze verloren, wie die SPD, die mit Dagmar Kaselitz und Sven Rose die kleinste Fraktion stellt.

„Es ist das eine, auf demokratischer Ebene die Möglichkeit der Mitarbeit zu eröffnen und etwas völlig anderes, die direkte Zusammenarbeit anzustreben. Wir sind gespannt, wie sich das noch entwickelt“, sagte Sven Rose nach der Sitzung. Die Sozialdemokraten hatten gemeinsam mit der Fraktion Linke/Grüne im Vorfeld für das Hare-Niemeyer Verfahren geworben, um alle gewählten Vertreter in die Ausschussarbeit einzubeziehen. Das Hare-Niemeyer-Verfahren verhält sich neutral in Bezug auf die Größe der Parteien und hätte eine möglichst gleichmäßige Besetzung der Ausschüsse garantiert.

Dieses Sitzzuteilungsverfahren kommt zum Beispiel bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zur Anwendung. „Dies hätte auch der AfD die Mitarbeit ermöglicht. Es ist besser, Leute einzubinden, als von vornherein auszugrenzen. Denn dies würde uns auf eine Stufe mit der AfD stellen“, sagte Rose. Doch der Vorschlag sei abgelehnt worden.

Keinerlei Andeutungen im Vorfeld der Sitzung

Auch Stadtpräsident Michael Baaß (Die Linke) war von dem Manöver der CDU überrascht worden. Den AfD-Vertreter aus Respekt vor seinen Wählern in die kommunalpolitische Arbeit mit einzubinden, findet Baaß richtig. Das wäre aber auch anders möglich gewesen. „Als Linke hätten wir das nicht so gemacht wie die CDU“, sagt Baaß. Vor der konstituierenden Sitzung gab es eine vorbereitende Beratung mit dem Bürgermeister. Da habe die CDU keine Andeutungen gemacht, dass sie eine Zählgemeinschaft mit der AfD plane. Bei einem weiteren Treffen der Parteien am Dienstag hätten die CDU und der AfD-Stadtvertreter gefehlt.

Solo-Stadtvertretern eine Chance zur Mitwirkung zu geben, sei wichtig. Michael Baaß und Fritz Krüger, die auch zu zweit als Fraktion arbeiten könnten, haben sich darum mit der Grünen-Politikerin Anne Gemende zusammengetan. Auch Anne Gemende hätte sonst keine Chance auf Mitarbeit gehabt. So kann sie im Stadtentwicklungsausschuss und im Schul- und Kulturausschuss mit abstimmen. „Das ist aber kein Bündnis, um an mehr Posten zu kommen. Es passt auch inhaltlich zusammen“, sagte Michael Baaß.

Schulterschluss war nicht mit CDU-Führung abgestimmt

Auch FDP-Politiker Gerhard Kresin hat mit der Fraktion Lebenswertes Penzlin einen Partner gefunden, mit dem er inhaltlich zusammenarbeiten kann. Schumacher und Kresin, das passt. Immerhin wollen FDP und Freier Horizont ja auch im Kreistag als Fraktion unterwegs sein.

Was steckt hinter dem Schulterschluss der CDU und der AfD? Zweckbündnis oder politische Freundschaft? Gerade erst hat CDU-Politiker Friedrich Merz in der ARD die AfD scharf kritisiert. Die Partei habe den Mord an Walter Lübcke mitzuverantworten, sagte Merz. Auch Generalsekretär Paul Ziemiak hat sich diesbezüglich deutlich geäußert.

Wie passt das zusammen? Der Schulterschluss mit der AfD war wohl ein Alleingang der Penzliner, der nicht mit der CDU-Führung abgestimmt war. „Ich habe den Kollegen in Penzlin nicht dazu geraten, eine Zählgemeinschaft mit der AfD zu bilden und hätte es auch nicht getan, wenn ich gefragt worden wäre“, teilte der CDU-Kreisvorsitzende Marc Reinhardt mit. Der Landtagsabgeordnete respektiere aber die Entscheidung der Kollegen vor Ort. „Von anderen Parteien nehme ich in der Hinsicht auch keine Ratschläge entgegen – allzu oft ist es schon passiert, dass ausgezeichnete CDU-Kandidaten nicht gewählt worden sind, weil linke Altparteienbündnisse dies knapp verhindert haben“, erklärte Reinhardt. Auch in Malchow gibt es mit Oliver Kampehl einen AfD-Abgeordneten. Jedoch hat keine der Fraktionen im Vorfeld der ersten Sitzung in der kommenden Woche angedeutet, mit Kampehl eine Zählgemeinschaft zu bilden.

Röse: AfD-Mann wurde nur aus Protest gewählt

Der, der für die Aufregung in Penzlin sorgte, versucht nun wieder, Ruhe reinzubekommen. „Wir stehen für eine ruhige, solide Politik mit Augenmaß und Vernunft. Am Ende zählen die Ergebnisse“, sagte Mario Röse. Die Variante mit der Zählgemeinschaft habe man in der Fraktion kontrovers diskutiert. Aus seiner Sicht habe der Weg aber ein besseres Ergebnis gebracht als das, was man mit dem Hare-Niemeyer-Verfahren erreicht hätte. Dann nämlich hätte der AfD-Politiker einen Sitz im Hauptausschuss sicher gehabt, was Röse verhindern wollte, weil dieser Ausschuss der wichtigste sei. „Mir ist schon klar, dass Reinhard Gleisberg als Zugezogener nicht die Stimmen als Person bekommen hat. So viele kannten ihn nicht. Er wurde aus Protest gewählt“, sagt Dachdecker Mario Röse. Dennoch müsse man miteinander sprechen und ihn nicht außen vorlassen, weil das auch Wellen schlagen könnte.

Ob man in Berlin auf Punschendörp schaut? CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat am Donnerstag bekräftigt, dass es keine Zusammenarbeit mit der Alternative für Deutschland gibt. Ziemiak schrieb auf Twitter: „Für alle noch einmal zum Mitschreiben: Die CDU lehnt jede Koalition oder Zusammenarbeit mit der AfD strikt ab! Das ist nicht nur meine Meinung, sondern Beschlusslage des CDU-Bundesparteitages.“