Gedenken in Waren

Angriff auf Stadtpräsidenten – Zeugen widersprechen Polizei

Waren / Lesedauer: 5 min

Wie konnten Rechtsextreme die Gedenkfeier in Waren stören, obwohl die Polizei vor Ort war? Dazu gibt es offene Fragen, Widersprüche und offenbar auch Gesprächsbedarf.
Veröffentlicht:10.11.2022, 19:48
Aktualisiert:10.11.2022, 19:53

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Welche Rolle spielte die Polizei bei der eskalierten Gedenkveranstaltung in Waren anlässlich der Pogromnacht, bei der am Mittwoch Stadtpräsident Rüdiger Prehn (Linke) von drei Personen bedrängt und bedroht worden war? Erst am späten Donnerstagnachmittag, einen Tag nach dem Vorfall, und mehrere Stunden nachdem der Nordkurier bereits darüber berichtet und um Stellungnahme gebeten hatte, reagierte die Polizei. Laut Sprecherin Diana Krüger hätten zwei Beamte des Polizeihauptreviers Waren den Veranstaltungsort im Vorfeld kontrolliert und keine besonderen Vorkommnisse festgestellt; auch nicht während der Veranstaltung.

Polizisten sahen keinen Anlass, einzuschreiten

„Während der Veranstaltung war für die Beamten keine Situation erkennbar, die ein polizeiliches Einschreiten erforderlich gemacht hätte. Aus diesem Grund haben die Beamten den Ort der Veranstaltung nach dessen Ende auch zeitnah verlassen“, so Krüger. Das widerspricht allerdings dem, was Zeugen beobachtet haben, die ebenfalls an der Veranstaltung teilnahmen. Demnach seien Polizisten durchaus noch vor Ort gewesen, als Stadtpräsident Prehn von drei Männern aus der rechten Szene bedrängt und körperlich angegangen wurde.

Hintergrund: Einer der drei Männer sei laut Prehn absichtlich auf ein abgelegtes Blumengebinde getreten. Prehns Aufforderung, dies zu unterlassen, habe der Mann ignoriert, so der Stadtpräsident im Gespräch mit dem Nordkurier. Im weiteren Verlauf habe einer der drei Belagerer den Präsidenten der Stadtvertretung mit dem Bauch geschubst. Zeugen schilderten zudem, dass die drei Männer schon im Vorfeld provoziert hätten. So hätten sie den Gedenkstein mit Konfetti beschmutzt. Außerdem solle jener, der Rüdiger Prehn später geschubst habe, den Gedenkstein mehrfach demonstrativ bespuckt haben. Prehns Ehefrau fand die Situation jedenfalls so bedrohlich, dass sie die Polizei bat, näherzutreten, so der Stadtpräsident. Am Ende sollen die drei Männer Prehn sogar daran gehindert haben, den Parkplatz zu verlassen.

Polizei, Bürgermeister und Stadtpräsident treffen sich am Freitag

Eine Zeugin sagte gegenüber dem Nordkurier, dass die Beamten während des Übergriffs auf den Stadtpräsidenten durchaus noch vor Ort gewesen seien. Den Moment des Schubsens hätten sie aber möglicherweise nicht genau gesehen. Die beiden Polizisten hätten zu dem Zeitpunkt eine Anwesende ermahnt, die ihr Handy gezückt hatte, um die sich zuspitzende Situation zu filmen. Die drei Männer hätten ihr mit Ärger gedroht, wenn sie diese Aufnahmen veröffentliche, so die Zeugin.

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Nach Informationen des Nordkurier hat der Vorgang innerhalb der Polizei hohe Wellen geschlagen. Das Büro des Bürgermeisters und die Revierleitung hätten in beiderseitigem Bestreben, die Angelegenheit zu klären, Kontakt zueinander und zu Rüdiger Prehn aufgenommen. Am Freitag soll es einen Gesprächstermin geben. Die Polizei hat jedenfalls schon mal eine Strafanzeige wegen der zerstörten Blumengebinde aufgenommen.

Entsetzen in Waren und darüber hinaus

Warens Bürgermeister Norbert Möller (SPD), der aufgrund einer Dienstreise nicht persönlich an der Gedenkveranstaltung teilnehmen konnte, hat die Vorfälle „mit Erschütterung und Unverständnis“ zur Kenntnis nehmen müssen und „verurteilt ausdrücklich solch ein Handeln von Bürgern, die wohl der rechten Szene zuzuordnen sind und unterstützt alle nur möglichen Handlungen, die zur Aufklärung und gegebenenfalls zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen“, hieß es in einer Pressemitteilung am Donnerstag.

Es wurde aus seiner Sicht eine Grenze überschritten, die mit Toleranz nicht entschuldigt werden kann und die eine rechtliche Aufklärung der Geschehnisse nach sich ziehen muss, nicht zuletzt auch im Interesse des Ansehens des Präsidenten der Stadtvertretung unserer Stadt und somit für das Ansehen unserer Stadt.

Gemeinsames Zeichen am Totensonntag setzen

Möller will zusammen mit den Bürgern der Stadt ein demokratisches Zeichen setzen. Im Gedenken der vielen Toten der Weltkriege und gegen extremistisches Handeln im Rahmen der diesjährigen Gedenkveranstaltung sollen alle Einwohner am Volkstrauertag am Sonntag um 11 Uhr am Gedenkstein am Kietz nochmals zusammenkommen.

Auch die Warener SPD-Fraktion kritisiert die Vorkommnisse. „Wir sind entsetzt über das Geschehen und verurteilen das auf das Schärfste“, so Fraktionsvorsitzende Christine Bülow. Die SPD fordert eine Bestrafung der Täter. Die Genossen im Ortsverein und auf Kreisebene solidarisierten sich ebenfalls mit Prehn. Unter anderem auch Kreis-SPD-Chefin, Vize-Stadtpräsidentin und Landtagsabgeordnete Nadine Julitz, die sich auf Facebook äußerte.

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Solidarisch zeigten sich ebenfalls Vanessa Müller und Peter Ritter, die Landesvorsitzenden der Partei Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern. „Das Verhalten der mutmaßlich aus dem rechten Milieu stammenden Männer ist eine Verhöhnung der Opfer des Naziregimes und gegenüber dem Stadtpräsidenten, als Vertreter der demokratisch gewählten Stadtvertretung, völlig respektlos und zu verurteilen. Auch, da es augenscheinlich nicht der erste Vorfall dieser Art ist, erwarten wir zügige Aufklärung“, fordern sie in einer Pressemitteilung und versichern: „Wir werden uns durch solche offenbar geschichtsverklärenden Störaktionen nicht einschüchtern lassen und stehen daher hinter Rüdiger Prehn“, schrieb Landesgeschäftsführer Björn Griese aus Schwerin.

Die SPD aus dem Kreis und dem Ortsverein Waren findet den Vorfall „absolut nicht akzeptabel, dass abermals eine Gedenkveranstaltung von Ewiggestrigen gestört, die Kränze und Gebinde verschwinden oder zerstört werden und Bedrohungen gegen Menschen ausgeübt werden.” Man hoffe auf ein starkes Zeichen am kommenden Sonntag zum Volkstrauertag.