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Ausstellung berührt

Auch Müritzer erlebten nach 1945 das Trauma vertriebener Kinder

Waren / Lesedauer: 3 min

Eine Wanderausstellung, die sich mit dem Schicksal vertriebener Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg befasst, ist derzeit im Stadtmuseum Waren zu sehen. 
Veröffentlicht:23.03.2023, 18:10

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Ein hölzerner Handkarren, beladen mit Pappmaché-Koffern und Holzkisten. Aus dem Ganzen lugt ein abgeliebter Teddybär hervor. Die wacklig aussehende Fuhre im stadtgeschichtlichen Museum in Waren symbolisiert Schicksale von vertriebenen Menschen, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 ihre Heimat verlassen mussten. Viele davon waren Kinder. Auf sie richtet die Ausstellung „Geflüchtet vertrieben entwurzelt“ ihr besonderes Augenmerk. 

Lesung über „verschwiegene Erbschaften“ 

Die Ausstellung, initiiert von der Stiftung Mecklenburg und der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg–Vorpommern,  wurde am Mittwoch Abend im historischen Rathaus am Neuen Markt von Konstanze Jaiser von der Geschichtswerkstatt Zeitlupe eröffnet. Anlässlich der Eröffnung las Uta Rüchel aus ihrem Buch „Verschwiegene Erbschaften“, das sich mit dem Schicksal vor allem junger Vertriebener nach dem Zweiten Weltkrieg befasst.

Die Soziologin Uta Rüchel las anlässlich der Ausstellungseröffnung im historischen Rathaussaal aus ihrem Buch „Verschwiegene Erbschaften‟. Konstanze Jaiser von der Geschichtswerkstatt Zeitlupe hörte aufmerksam zu.
Die Soziologin Uta Rüchel las anlässlich der Ausstellungseröffnung im historischen Rathaussaal aus ihrem Buch „Verschwiegene Erbschaften‟. Konstanze Jaiser von der Geschichtswerkstatt Zeitlupe hörte aufmerksam zu. (Foto: Michael Grote)

Wie wurden Vertriebene aufgenommen?

Dabei ging sie unter anderem der Frage nach, inwieweit es eine Rolle spielte, ob ein junger vertriebener Mensch schließlich in Ost– oder in Westdeutschland landete. Dabei zielte sie weniger auf die wirtschaftlichen Unterschiede ab. Rüchel legte den Fokus vielmehr auf die Willkommenskultur, die den Vertriebenen in der jeweiligen neuen Heimat entgegenkam. So zeigte sie auf, dass in der staatlich gewollten Zukunftsgewandtheit in der DDR die Wurzeln der Vertriebenen oftmals verloren gingen. Während im Westen Vertriebenenverbände politische Lobbyarbeit leisteten und die alte Heimat in den Köpfen bewahrten, war östlich der Elbe selbst das Singen alter Heimatlieder aus den Ostgebieten verpönt.

Unterscheidung zwischen Zuhause und Heimat

Abschließend machte Büchel deutlich, dass die eigenen Erfahrungen der Vertriebenen bis in die Gegenwart wirken: „Wer damals nicht gut aufgenommen wurde, dem fällt es heute schwer, andere Geflüchtete willkommen zu heißen“.

In der anschließenden Diskussion kam der Gedanke auf, dass auch in der DDR Menschen vertrieben wurden, zum Beispiel aus den Anfang der 1960er Jahre entstandenen Grenzstreifen. Ein Teilnehmer gab zu, er habe bis heute Schwierigkeiten, zu definieren, was Heimat sei. Seine Vermutung lautete: „Den Vertriebenen fällt es leichter, sich zu ihrer Heimat zu bekennen“. Eine Seniorin, die als zehnjähriges Mädchen vertrieben wurde, machte den Unterschied zwischen Zuhause (das sei hier) und Heimat  (das sei dort, wo die Wurzeln lägen) deutlich. „Unser Trauma hat niemand aufgearbeitet“, schilderte sie traurig. „Unsere Kinder können das nicht nachempfinden, was wir durchgemacht haben“. Aber es dürfe nicht vergessen werden, deshalb schriebe sie es für ihre Enkel auf.

Auch im Westen Vorurteile

Ein aus dem Westen stammender Teilnehmer schilderte, auch dort habe es Ressentiments gegenüber Flüchtlingen und Vertriebenen gegeben. Vor allem im Süden der Republik seit traditionell ein „Kirchturm–Patriotismus“ zu beobachten, der oft den Nährboden für Vorurteile gegenüber Fremden bilde.

Die Ausstellung ist noch bis zum 20. Juni zu sehen, montags bis freitags zwischen 9 und 16 Uhr, an Wochenenden zwischen 14 und 17 Uhr bei freiem Eintritt.