StartseiteRegionalMüritzBürgerentscheid über Containerdorf für Flüchtlinge sorgt für Debatte

Stadtvertretung

Bürgerentscheid über Containerdorf für Flüchtlinge sorgt für Debatte

Waren / Lesedauer: 5 min

Die Diskussion über den Bürgerentscheid in Waren war hitzig. Die Gegner warfen den Antragsstellern Stimmungsmache vor. Das wurde mit persönlichen Angriffen gekontert.
Veröffentlicht:16.11.2023, 13:44

Von:
  • Ingmar Nehls
Artikel teilen:

Der Bürgerentscheid am 28. Januar in Waren ist beschlossene Sache. 14 Stadtvertreter von den Fraktionen CDU, FDP/MUG und AfD besorgten bei der Stadtvertretersitzung am Mittwochabend die nötige Mehrheit. 12 Vertreter von SPD und Grüne/Die Linke stimmten dagegen.

Bürgerentscheid kostet bis zu 30.000 Euro

Die Frage für den Bürgerentscheid lautet: “Sind Sie dafür, dass im Eigentum der Stadt Waren (Müritz) stehende Grundstücke zwecks Errichtung von Containerdörfern zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte verpachtet oder verkauft werden?“ Der Antrag wurde von den Fraktionen CDU und FDP/MUG gestellt.

Für die Organisation und Durchführung des Bürgerentscheides haben die Antragsteller Kosten von bis zu 30.000 Euro kalkuliert. Die beiden Sondersitzungen der Stadtvertretung zum Thema Bürgerentscheid am 18. Oktober und am 15. November haben mit Saalmiete und Sitzungsgeldern jeweils 2000 Euro gekostet. 

Geld, das man aus Sicht der Kritiker hätte sparen können, wenn man statt eines Bürgerentscheids das Thema in der Stadtvertretung gelöst hätte. Zudem habe der Bürgerentscheid, vorausgesetzt, die nötige Mehrheit von rund 4500 Stimmen für eine Position wird erreicht, eine Bindung von zwei Jahren, wie die SPD-Fraktionsvorsitzende Christine Bülow anmerkte. „Ändert sich die Situation, sind uns die Hände gebunden, es sei denn, wir führen dann wieder einen Bürgerentscheid durch“, sagte Christine Bülow. 

Die Errichtung von Notlagern in Turnhallen oder anderen ungeeigneten Immobilien des Kreises scheint demnach von einigen, jedoch nicht von allen, strategisch gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen zu werden.

Grünen-Stadtvertreter Hannes Thies

Sehr deutliche Kritik gab es vom Grünen-Stadtvertreter Hannes Thies. „Statt eine realpolitische Vernunftentscheidung zu fällen, denn die Menschen werden uns zugewiesen, ganz gleich, ob wir dem Landkreis Flächen zur Verfügung stellen oder nicht, hat sich die CDU zusammen mit der FDP/MUG und der AfD dazu verleiten lassen, die Bürgerbefragung für einen symbolpolitisch aufgeladenen Kulturkampf gegen die Ampelregierung auf kommunaler Ebene zu nutzen“, sagte Thies. 

Der Grünen-Politiker Hannes Thies (l.) äußerte harte Kritik an dem Votum für einen Bürgerentscheid. (Foto: Ingmar Nehls)

Auch wenn die praktische Relevanz dieses Bürgerbegehrens infrage gestellt werden könne, ließe sich nicht von der Hand weisen, dass die Unterbringung der Zugewiesenen im Falle eines negativen Votums schwieriger werden würde. Da ohne die Variante Container auf städtischer Fläche zunächst eine Option wegfallen würde. „Die in der Folge einer Ablehnung drohende Unterbringung in Turnhallen, Zelten oder anderen ungeeigneten städtischen Liegenschaften wird noch schwerer für die Betroffenen ebenso wie für die Bürger Warens zu ertragen sein und möglicherweise seitens der Bürger weitere Unmutsäußerungen und Proteste nach sich ziehen“, sagte Thies.

Eine dezentrale Unterbringung in Waren ist durch den geringen Wohnungsleerstand nicht möglich und Containerdörfer lehnen wir ab.

Toralf Schnur, Chef der Fraktion FDP/MUG

„Ich möchte vermuten, dass eine derartige Zuspitzung von einigen der Kräfte, die hinter diesem Bürgerbegehren stehen, begrüßt wird. Die Errichtung von Notlagern in Turnhallen oder anderen ungeeigneten Immobilien des Kreises scheint demnach von einigen, jedoch nicht von allen, strategisch gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen zu werden“, führt er weiter aus. „Die durch den politisch beschlossenen Bürgerentscheid weiter angeheizte Stimmung gegen geflohene Menschen führt im schlimmsten Fall nicht nur zu einer Spaltung der Stadtgesellschaft, sondern auch zu einer pauschalen Stigmatisierung von Zugewanderten in der Stadt. Der auf Zuwanderung angewiesene Wirtschaftsstandort Waren kann sich eine derartige Grundstimmung in der Bevölkerung nicht leisten“, ist Hannes Thies sicher.

Während seiner Arbeit in leitender Funktion in einem Warener Hotelbetrieb habe er viele Erfahrungen mit Menschen mit Fluchthintergrund sammeln können. 2021 war Hannes Thies Regionalbotschafter der DIHK Initiative „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ und in diesem Rahmen habe er viele Unternehmen kennengelernt, die schon aus pragmatischen Gründen auf die Unterstützung im Team durch Menschen mit Migrationshintergrund bauen. „Wenn wir Menschen auf der gesetzlichen Grundlage des Asylrechts einen sicheren Wohnort bieten, ist es der logischste und beste Weg zur Selbsthilfe Menschen Arbeit zu bringen. Und Arbeitskräfte, aber eben nicht nur Fachkräfte sind in Waren gebraucht“, sagte Thies.

Seifert: Gespräch mit Landkreis wäre sinnvoller

Der Fraktionsvorsitzende der Linken/Grünen, Heiko Seifert, mahnte, dass Basisdemokratie grundsätzlich gut sei, das Instrument des Bürgerentscheids an dieser Stelle aber falsch sei, weil am Ende kaum ein Bürger das bekomme, was er sich erhoffe. „Ein Nein wird kein Nein sein und der, der vielleicht Flüchtlinge aufnehmen will, allerdings Flächen nur verpachten und nicht verkaufen will, weiß auch nicht, was er ankreuzen soll“, sagte Seifert. Sich mit dem Landkreis an den Tisch zu setzen, wäre eine vernünftige Lösung gewesen. 

Toralf Schnur, Chef der Fraktion FDP/MUG, wies die Kritik als „Unfug“ zurück. „Hannes Thies hat sachlich keine Ahnung. Wie ignorant kann man denn sein? Sie spalten, nicht wir. Der mündige Bürger wird es einschätzen können“, sagte Schnur und kündigte an, dass seine Fraktion mindestens zehn Bürgerveranstaltungen zu dem Thema durchführen werde. Ein Blick nach Greifswald, wo es einen Bürgerentscheid gab, bei dem die Mehrheit die Unterbringung ablehnte, würde zeigen, dass dieser tatsächlich eine Wirkung habe, weil der Stadt danach weniger Flüchtlinge zugewiesen wurden, sagte Schnur.

Auf Nachfrage von Hannes Thies, ob dies auch das Anliegen für Waren sei, sagte Schnur, dass der Landkreis auf genügend Gemeinden mit Leerstand zurückgreifen könne. „Da sollen sie hin. Eine dezentrale Unterbringung in Waren ist durch den geringen Wohnungsleerstand nicht möglich und Containerdörfer lehnen wir ab“, sagte Schnur.