Film aus der Seenplatte

Die Novemberkinder sind erwachsen geworden

Malchow / Lesedauer: 6 min

Vor 15 Jahren war die Premiere des viel beachteten Films „Novemberkind“ auch in Malchow, dem Ort der Film–Handlung. Ein Baby hatte eine Hauptrolle. So schaut es jetzt aus.
Veröffentlicht:13.09.2023, 19:03

Von:
  • Helga Wagner
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Für Cineasten ist es eine Art Jubiläum: 15 Jahre „Novemberkind“. Immerhin feierte im Herbst 2008 dieser besondere Film des Regisseurs Christian Schwochow mit Anna Maria Mühe und Ulrich Matthes Premiere in Berlin und auch in Malchow, wo die Handlung des Films spielt. Ein Jahr zuvor machten die Novemberkinder in dieser mecklenburgischen Kleinstadt von sich reden. In und um Malchow herum wurde gedreht.

So fand die Filmcrew das Baby

Zu den Stars gehörte damals auch das Filmbaby. Die Filmleute liebten es und schaukelten es auf dem Arm. Auch Anna Maria Mühe hatte wohl einen besonderen Draht zu der kleinen Mathilda Göpper. So innig und echt wie die Szenen im Film mit ihr und dem Baby sind.

Kostümbildnerin Kristin Schuster mit Mathilda. Der Strampelanzug stammt aus den 60ern. (Foto: Privat)

Die Filmleute hatten Mathilda in der Kirchenstraße vor der Malchower Goetheschule entdeckt. Mutter Monika Göpper holte gerade ihre zweitjüngste Tochter Elvira ab. „Mathilda war damals ein halbes Jahr alt. ,Das könnte passen!’, sagte die Frau von der Filmcrew. Sie hatte schon in etliche Malchower Kinderwagen geschaut, aber die Kinder waren für die Rolle alle schon zu groß“, erinnert sich Monika Göpper. Da es beim Film immer eine Zeit bis zur Premiere dauert, konnte Mathilda beim Fest in Berlin und Malchow bereits laufen. Und – wollte immer bei der Filmmutter Anna Maria Mühe sein.

Baby Mathilda ist jetzt 16 und wird Polizistin

Ja, das Foto von der Premierenfeier: Anna Maria Mühe trägt Mathilda, zugegeben etwas schwer, flankiert von Ulrich Matthes links und Regisseur Christian Schwochow rechts. Mathilda zeigt es stolz. Sie hütet es wie auch das Album, in dem Szenenbilder mit ihr und Anna Maria Mühe zu sehen sind. Sie sind sich nie wieder begegnet. Schade, aber verständlich, sagt Mathilda.

Sie ist jetzt 16 und hat gerade ihre Ausbildung bei der Bundespolizei begonnen. Wäre sie nicht lieber Schauspielerin geworden? Sicher hatte sie auch einmal den Wunsch, verrät sie. So zu werden wie Anna Maria Mühe, die Erfolgreiche, für ihre Leistungen im „Novemberkind“ mehrfach Preisgekrönte. Mit ihrem großen Bruder Viktor hatte sie schon einmal ein paar Berliner Schauspielschulen herausgesucht. Aber auch darüber diskutiert, ob das für sie wirklich der richtige Weg sei.

Viele Szenen wurden in Malchow und Umgebung gedreht, so auch am Bahnhof. Auf den Ort kam Drehbuchautorin Heide Schwochow durch Wanderausflüge in der Region. (Foto: Produktionsfirma)

Wie schwer dieser Beruf ist, habe sie am Film „Novemberkind“ gesehen. Vor allem, wenn man so gut sein will und so erfolgreich wie Anna Maria Mühe. Sie hat sich für die Bundespolizei entschieden, angeregt durch eine Berufsberatung in der Schule. Sie hat gern die Praktika gemacht und die schweren Prüfungen bestanden und freut sich auf diesen Beruf. Vielleicht wird sie später einmal Kommissarin, meint sie. Solo für Mathilda? So wie „Solo für Weiss?“ Wie Anna Maria Mühe in der Krimiserie – nur eben im echten Leben? Wer weiß... Spekulieren will sie nicht.

Mühes neuer Film: „Sophia, der Tod und ich“

Anna Maria Mühe hat gerade wieder eine Premierenfeier hinter sich. „Sophia, der Tod und ich“ – eine fantastisch-fiktionale Story in der Regie von Charly Hübner. Ein Film, der sein Publikum finden wird. Erfolge hat die 38–Jährige schon viele gehabt, wenn sie die unterschiedlichsten Charaktere mit Bravour spielte – und doch war dieses Novemberkind für sie etwas ganz Besonderes, erinnert sich die Schauspielerin. „Die schwierige Doppelrolle, eine Herausforderung und spannend.“ Sie hatte dabei alle emotionalen Höhen und Tiefen zu spielen, von größter Freude bis tiefster Trauer. Hatte sie doch beide Frauen zu verkörpern, die Mutter Anne, die ohne ihr Kind in den Westen flieht, und die junge Frau Inga, die 20 Jahre später nach ihrer Mutter und ihrer Identität sucht. „Teilweise habe ich beim Dreh ja dreimal am Tag zwischen Mutter und Tochter gewechselt.“

In und um Malchow gedreht - Novemberkind- mit Anna Maria Mühe. (Foto: Ursula Kleffel/Repro)

In den Rückblenden wird der Gewissenskonflikt deutlich, wie schwer es der Mutter fällt, ihr Baby zurückzulassen. Und in manchen Filmszenen scheint es, Anna Maria Mühe sei – so zerrissen wie sie da als Anne ist – wirklich die Mutter dieses Babys. „Alles passte auch wunderbar! Mathilda war lieb, schrie nur in den richtigen Momenten“, erinnert sich Monika Göpper, und es sei auch schön gewesen, dass sie damit die anfänglichen Bedenken des Regisseurs zerstreute, kleine Kinder seien doch meist sehr schwierig zu händeln.

Anna Maria Mühe sprang nackt in den See

Ob sie dienstfrei bekommt und am Donnerstag zum Film „Novemberkind“ kommen kann, wusste sie noch nicht, sagte Mathilda, als der Nordkurier sie besuchte. Dann wird das „Novemberkind“ noch einmal im Kino gezeigt. Passend zum 15-jährigen Jubiläum der Premiere. Am 14. September 2023, 20 Uhr, läuft der Film in der Kunst- und Kinokirche Nossentin.

Mathilda Göpper hütet das Foto von der Premierenfeier in Berlin wie auch die Filmaufnahmen. (Foto: Helga Wagner)

Für etliche Zuschauer dürfte zu der zu Herzen gehenden Handlung noch ein weiterer Reiz gegeben sein: zu sehen, wo vor mehr als 15 Jahren Szenen in und um Malchow gedreht wurden. In der Güstrower Straße, auf dem Markt mit dem sowjetischen Denkmal, dem Bahnhof in Malchow und Waren und der Badestelle in Feisneck, wo in einer Szene Anna Maria Mühe mit Pelzmütze und ihre Freundin voller Lebenslust nackt in den See springen. „Das war im Januar und das Wasser eiskalt!“, erinnert sich die Schauspielerin. Sie wird das wohl auch nie vergessen, meint sie, weil sie die Szene fünfmal wiederholen mussten, bis sie zufriedenstellend im Kasten war.

Idee zum Drehort kam der Autorin beim Wandern

Die Szenen in der Bibliothek, in dem Robert, der Professor, auftaucht und sich Inga gerade ein Ei zu Mittag brät, sie sind ebenfalls in Malchow gedreht. „Aber nicht in unserer Stadtbibliothek“, interveniert die langjährige Leiterin Sabine Schöbel. Die Filmleute hätten dafür Am Bullenbarch, im ehemaligen Amtsgebäude des Pass- und Meldewesens, eine Art Bibliothek hergerichtet, „allerdings ziemlich angestaubt und dürftig, wie man sich das wohl für den Osten so vorgestellt habe“, meint die Bibliothekarin. Die Gaststätte, in der sich Inga mit dem Professor trifft, wo am Nebentisch Arbeiter in Dienstkleidung mit der Aufschrift des bekannten Malchower Unternehmens Ziems Recycling sitzen, und wo im Nebenraum der Chor der Stadt seine Lieder übt – befindet sich allerdings nicht in Malchow, sondern in „Köhlers Kurve“ in Goldberg.

Und im Buch „Stilles Land und großes Kino“ ist zu lesen, wie Heide Schwochow, die Drehbuchautorin und Mutter des Regisseurs, überhaupt auf Malchow als Ort der Handlung kam: Durch die Besuche mit der Frauenwandergruppe seien ihr die Landschaften und der Bahnhof vertraut gewesen.