„She bikes“
Frauen–Motorradclub knattert um die Müritz
Jabel / Lesedauer: 3 min

Michael Grote
Die Zelte stehen unweit vom Ufer, daneben sind die Maschinen aufgebockt. Alles in allem ein Anblick, wie man ihn auf Plätzen wie dem Naturcampingplatz am Heidenfriedhof in Jabel gewohnt ist. Ungewöhnlich ist hingegen, dass vor den entsprechenden Zelten ausschließlich Frauen sitzen. 50 sind es insgesamt, angereist aus dem gesamten Norden der Republik, ein paar auch von weiter südlich.
Organisiert hat das Treffen Annika Gramlich. Die Gründerin der bundesweiten, inzwischen fünf Jahre alten Community „She rides“ berichtet stolz, dass es inzwischen rund 30 Regionalgruppen gibt. Weil der Nordosten der Republik in Bezug auf Motorrad–Events ziemlich dünn bestückt ist, haben die Frauen kurzerhand ihr eigenes Ding geplant und sich am zweiten September–Wochenende auf dem Campingplatz am Jabelschen See verabredet.

„So zehn, 15 Mädels werden wir schon finden“, hofften die Planerinnen des Treffens. Die Resonanz hat sie dann selbst überrascht. Das bedeutete laut Gramlich aber auch, dass eine gemeinsame Ausfahrt nicht mehr ohne weiteres möglich war: „Damit wären wir bereits ein Korso gewesen und hätten das im Vorfeld bei der Polizei anmelden müssen“.
So entschieden sich die Damen, in kleinen Ausflugsgruppen von sieben bis acht Maschinen zu starten und verschiedene Ausflugsziele rund um die Müritz anzusteuern. Das tun sie ohne „Kutten“ über der Motorradkluft. Einige Teilnehmerinnen tragen allerdings T–Shirts mit dem Logo der Community. Ansonsten ist die Truppe sehr gemischt. Annika Gramlich verdient ihr Geld als Marketing–Beraterin, andere sind im Berufsalltag als Mechanikerin, in der Krankenpflege oder als Lehrerin unterwegs.
Das Altersspektrum recht von Anfang 20 Jahren bis hin zu 60 plus. Wobei selbst bei den Älteren nicht alles alte „Motorrad–Häsinnen“ sind: Pia aus Berlin hat beispielsweise den Motorrad–Führerschein erst in einem Alter gemacht, in dem sich viele bereits auf ein Enkelkind freuen. „Als sich mein Mann eine Harley Davidson bestellt hat, habe ich mich entschieden, ihn mit einer eigenen Maschine zu begleiten. Den Schein, die Maschine, die Kluft — das alles habe ich selbständig beschafft und ihn damit überrascht.“ Mit an Bord sind stets ihre beiden Chihuahuas. Pias Mann fährt seine Hündin im Tankrucksack spazieren, während Pia für ihre Paula ein Topcase modifiziert hat, Polsterung, Lüftung und Ausguck inklusive. Die kleine braune Hündin scheint das Dasein als Sozia durchaus zu genießen.

Die Community ist entstanden, weil sich motorradfahrende Frauen von den männlichen Bikern oft nicht wirklich ernst genommen fühlen. Dabei geht es nicht nur um technische Fragen, die häufig mit einer gewissen Gönnerhaftigkeit beantwortet werden, sobald klar ist, dass sie von einer Frau kamen. Allgemein fühlen sich die Bikerinnen zeitweise von ihren männlichen Kollegen etwas von oben herab behandelt, sei es bei Treffen oder in der Werkstatt. Mit ihrer Community „She rides“ hat Annika Gramlich für ihre bikenden Geschlechtsgenossinnen offenbar eine Oase geschaffen, in der sie sich angenommen fühlen und ihren Spaß am Motorrad fahren ausleben können — so, wie an diesem Wochenende an der Müritz.