Kulturkosmos
Fusion-Festival gegen Waffen für die Ukraine
Lärz / Lesedauer: 5 min

Simon Voigt
Die Veranstalter des Fusion-Festivals haben sich klar gegen Waffenlieferungen in die Ukraine ausgesprochen und für ein Ende des Krieges am Verhandlungstisch. Weiterhin kritisieren sie eine aus ihrer Sicht zunehmende Militarisierung in Politik und Gesellschaft.
„Zwei Jahre hat uns jetzt eine Pandemie das Festival und vieles mehr versaut und jetzt, wo wir davon ausgehen, dass wir diesen Sommer wieder ohne Corona-Restriktionen feiern werden, überfällt Putin die Ukraine. Er bricht einen mörderischen Krieg vom Zaun, der uns plötzlich damit konfrontiert, dass die Friedensblase, in der wir seit mehreren Generationen in Mitteleuropa leben, brutal geplatzt ist.” Mit diesen Worten beginnt der neueste Fusion-Newsletter, den der Veranstalter-Verein Kulturkosmos am Mittwochmorgen an seine Abonnenten verschickt hat. Trotz düsteren Zeiten gebe es aber allen Grund zum Feiern.
Im Newsletter gibt der Verein immer einen Einblick in interne Diskussionen, wertet das Festival aus und blickt nach vorn auf das nächste. Die Fusion auf dem ehemaligen Militärflugplatz in Lärz (Mecklenburgische Seenplatte) ist mit rund 70.000 Besucherinnen nach dem Airbeat One in Neustadt-Glewe das größte Festival in Mecklenburg-Vorpommern.
Deutschland und Europa werden Teil des Krieges
Zum Newsletter gehören häufig auch ein paar Worte zur politischen Lage und dies ist nun der Krieg in der Ukraine. Krieg sei immer ein Verbrechen und bedeute Zerstörung und Tod, heißt es eingehend. In den vergangenen Jahren seien Kriege meist weit entfernt gewesen und mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine plötzlich ganz nah. Deutschland und Europa würden zudem täglich ein aktiverer Teil des Krieges werden.
Der Kulturkosmos spielt damit auf die Lieferungen schwerer Waffen an, die inzwischen auch aus Deutschland bewilligt worden sind. Weiter heißt es: „Es wird gezielt die Hoffnung genährt, dass die Ukrainer:innen diesen Krieg gewinnen könnten, aber mit jeder Waffenlieferung wird ein Konflikt befeuert, in dem es, abgesehen von der Rüstungsindustrie, keine Gewinner:innen geben wird. Täglich sterben Menschen oder stehen traumatisiert vor ihren zerstörten Existenzen und Niemand scheint eine Vorstellung zu haben, wie dieser Krieg enden soll und wie es danach weitergeht.”
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Alternative: Verhandlungen und Diplomatie
Stattdessen sprechen sich die Festival-Macher für weitere Verhandlungen aus. Nur am Verhandlungstisch könne ein Ende dieses Krieges erzielt und die vollständige Zerstörung von Teilen der Ukraine abgewendet werden. Derweil werde aber der Pazifismus in Deutschland auf der „Müllhalde der Geschichte” entsorgt, wobei sie unter anderem auf das 100-Milliarden-Aufrüstungspaket für die Bundeswehr anspielen. In Politik und Medien militarisiere sich die Sprache und „mit einer ekligen Begeisterung wird eine militärische Lösung des Ukrainekonfliktes unverhohlen herbeigeredet und drehen Politiker:innen und Kommentator:innen skrupellos an der Schraube der Eskalation.”
Fazit: „Mensch könnte meinen, im falschen Film zu sein, alles scheint irrational oder zunehmend irre. Innerhalb von wenigen Wochen ist die, durch die globale Klimakrise längst nicht mehr heile Welt, noch krasser aus den Fugen geraten und wir stehen am Rande eines Supergaus.”
Zweite Alternative: Feiern, als ob es kein Morgen gäbe
Trotz Krieg, Krise und Supergau sollte aber weiter die Fusion gefeiert werden, erklären die Veranstalter abschließend: „Genau das wollen wir, denn nach zwei Jahren Pandemie und gerade in solch dystopischen Zeiten ist es wichtiger denn je, dass wir zusammenkommen, gemeinsam Träume leben und Ansprüche formulieren an ein friedliches und gerechtes Leben, unsere Ideale und Utopien pflegen, Kraft schöpfen für den Kampf um ein besseres Leben, oder einfach nur ein weiteres Mal in unserer Friede- Freude Eierkuchenblase zusammen feiern und tanzen, als ob es kein Morgen gäbe.”
Die alles sei mehr als legitim, denn es gebe keine Garantie, dass diese Fusion nicht vielleicht die Letzte ist „und wir nicht bald in einem Albtraum landen, wo es neben vielem anderen, auch keine Festivals mehr geben wird.”
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Aufruf zum Impfen – nun mit Entschuldigung
In ihrem letzten Newsletter hatten die Fusion-Veranstalter explizit zur Corona-Schutzimpfung aufgerufen, damit das Festival ohne Testkonzept auskommen kann. „Da wir das Pandemie-Geschehen nicht einfach weg tanzen können, zahlen wir jetzt alle den Preis für die Verantwortungslosigkeit derer, die sich aus Dummheit, Ignoranz, Angst oder verballerter Rebellion nicht haben impfen lassen. Und für das Politikversagen, das genauso wie das Verhalten der Impfgegner zum jetzigen Desaster beigetragen hat”, schrieben die Veranstalter im Dezember.
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Ein Testkonzept werde bei der Fusion 2022 voraussichtlich doch nicht mehr nötig sein, heißt es dazu nun im neuen Newsletter. Die Veranstalter appellieren an die Eigenverantwortung ihrer Gäste und bitten für ihre drastischen Worte aus dem Dezember um Entschuldigung: „Wir wollen uns hier bei denen entschuldigen, die sich dadurch unberechtigt angegriffen fühlten, weil sie sich aus guten Gründen nicht haben impfen lassen.”
Dies sei damals so formuliert worden, weil noch nicht klar war, wie im Sommer die Zugangsvoraussetzungen zu Veranstaltungen sein werden. Diese Befürchtung werde nun voraussichtlich nicht eintreten: „Wir werden jedenfalls keinen Impfstatus voraussetzten, weder für unsere Gäste noch für unsere Crews. Die Zugangsberechtigung entscheidet sich ausschließlich über ein gültiges Ticket.” Das Fusion-Festival 2022 findet vom 29. Juni bis 3. Juli statt. Tickets gibt es für 220 Euro auf der offiziellen Internetseite.
Im Jahr 2020 war das Fusion-Festival wegen der Corona-Pandemie komplett abgesagt worden. 2021 wurden als Alternative zur großen Fusion drei kleinere Festivals mit je 10.000 Gästen und umfangreichem Testkonzept veranstaltet. Besucher konnten sich vor Ort impfen lassen.