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In dieser Wohnung ist der Schimmel Dauergast

Möllenhagen / Lesedauer: 5 min

Eine Neubauwohnung an der Müritz könnte als Anwärter für den Titel der schimmeligsten Wohnung deutschlandweit gelten. Die Bewohner kämpften wochenlang mit Atemproblemen.
Veröffentlicht:13.02.2022, 18:00

Von:
  • Susann Salzmann
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Es gibt im Leben der 19-jährigen Vivian K. Momente, in denen sie nichts lieber tut, als eine FFP2-Maske auf die Nase zu setzen. Dieser Fall tritt immer dann ein, wenn sie ihren letzten Wohnsitz in der Neuen Straße 10 von Möllenhagen betritt. Alle Zimmer sind voller Schimmel. Fleckenartig zieht er sich in jedem einzelnen Raum von der Decke bis zum Fußboden. Auffällig dabei: In der rund 46 Quadratmeter großen Zwei-Raum-Wohnung sind immer nur die Außenwände betroffen.

Beißender Geruch

Der beißende Pilzgeruch dringt nach kurzer Zeit selbst durch die Maske. Und das, obwohl die Fenster der Wohnung zum Teil geöffnet sind. Vivian K. und ihr Freund wohnten in diesen Räumlichkeiten noch bis vor rund drei Wochen. Sie aßen, schliefen und atmeten dort tagein, tagaus die schädlichen Sporen ein.

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Seit 2018 bewohnte ihr Freund die Wohnung in dem DDR-Plattenbau. Im Juli letzten Jahres zog die angehende Pflegekraft zu ihm. Mängel traten kurze Zeit nach ihrem Hinzug auf, erzählt die junge Frau. In Schlafzimmer und Wohnzimmer seien die Fenster undicht gewesen. Drinnen soll es nach ihren Angaben kaum wärmer als draußen gewesen sein. Eine Firma kam und dichtete alles ab.

Zuerst in Küche und Bad

Im Spätherbst sei schließlich erster, massiver Schimmelbefall aufgetreten. „Ende November sah ich den ersten Schimmel in Küche und Bad”, so K.. Weshalb es die Räumlichkeiten zuerst traf, könne weder sie sich noch ihr Freund erklären. Unverzüglich habe sie Kontakt zum Vermieter – der TAG Wohnen – aufgenommen. Man versprach ihr Hilfe. Eine Malerfirma werde beauftragt. Die war aber nach Angaben der Mieter bis dato noch nicht vor Ort.

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Vivian K. und ihr vier Jahre älterer Freund warteten ab, erkundigten sich nach eigenen Angaben des Öfteren bei dem Wohnungsverwalter. Die vermeintlich beauftragte Fachfirma hätten sie jedoch nie erreicht. Das Pärchen schlief weiter in der Wohnung – und bekam gesundheitliche Probleme, wie sie erzählen: Atemprobleme, Husten, Schnupfen, Kopfschmerzen und Übelkeit. Die schimmelige Umgebung könnte der Verursacher der Symptome sein. Das bestätigte den beiden eine Allgemeinmedizinerin aus Möllenhagen.

Vermieter akzeptiert fristlose Kündigung nicht

„Die Atteste haben wir zusammen mit unserer fristlosen Kündigung an den Vermieter geschickt”, zeigte die Azubine Nachweise. Die Forderung der Mieter: Eine Kündigung. Fristlos. Das blieb dem Paar bis jetzt verwehrt. In einem der Redaktion vorliegenden Schreiben der TAG Wohnen an die Mieter hieß es, dass man die Kündigung bedauere. Die fristlose Kündigung sei jedoch nicht möglich. Das Paar hätte eine Kündigungsfrist von drei Monaten einzuhalten. Und diese ende erst am 30. April.

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Den beiden geht das eindeutig zu weit. Deshalb wollen sie die Februarmiete erheblich mindern und eigentlich gar nicht mehr zahlen. „Ich bezahle nicht für die Schädigung meiner Gesundheit”, fand die junge Frau bei einem Vor-Ort-Termin mit dem Nordkurier deutliche Worte. Im Fall von Mietmängeln können Mieter nach der Anzeige dessen die Miete mindern. Die Höhe einer Mietminderung richtet sich nach der Schwere des Mangels.

Verweis auf Auftrag an Firma

Die zuständige Mitarbeitern bei der Vermietungsfirma TAG Wohnen, mit der die Mieter Kontakt hatten, relativierte auf Nordkurier-Nachfrage. Es habe eine Anzeige von Schimmelbefall gegeben. Daraufhin hätte man als Wohnungsverwalter eine Fachfirma beauftragt. Verantwortung für die offenbar noch immer fehlende Schimmelbeseitigung möchte weder die Mitarbeiterin noch die TAG Wohnen als Unternehmen übernehmen. Der Fachfirma könne man schließlich nicht den Terminplan vorgeben, argumentierte die Mitarbeitern auf Nordkurier-Nachfrage.

„Den Mangel muss ich auf Bildern haben”, fuhr die Mitarbeiterin der Wohnungsverwaltung fort. Man wolle sich den Fall in der kommenden Woche erneut betrachten und auch nochmals über das Zulassen einer fristlosen Kündigung nachdenken.

Auch andere Bewohner haben ihre Erfahrungen gemacht

Vivian K. und ihr Freund leben seit wenigen Wochen in einer neuen Wohnung. Wieder in Möllenhagen. Ohne Schimmel. „Unsere Gesundheitsprobleme haben sich seither sehr verbessert”, sagte die 19-Jährige. Andere allerdings wohnen immer noch in dem Wohnblock in der Neuen Straße. Mehrere Wohnungen scheinen leerzustehen, doch an der vor Fassade sind hier und da Flecken zu erkennen. Gelbgrün bis hin zu schwarz sehen sie aus, auf dem Fassadenputz und auf Fensterbrettern.

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Der Nordkurier sprach vor Ort mit einigen Bewohnern der DDR-Platte. Ein Senior, der seit 1978 im betroffenen Block wohne, kommentierte Nachfragen nach Schimmelbefall mehr oder minder nüchtern: „Zeigen Sie mir hier eine Wohnung, in der es keinen Schimmel gibt”, sagte er. Auch in seinen vier Wänden tauche regelmäßig Schimmel auf. Um die Beseitigung kümmere er sich nach eigenen Angaben selbst. Der gehäufte Schimmelbefall ist nach seiner Meinung erst nach unsachgemäßen Fassadenarbeiten aufgetreten. Dabei soll die Fassade fehlerhaft versiegelt worden sein. Auf diesem Standpunkt stehe nicht nur er allein. Die TAG Wohnen äußerte sich zu diesem Vorwurf nicht.