Jubiläum
Jost Reinhold – Millionenschwerer Ehrenbürger vieler Seenplatte-Orte
Neubrandenburg / Lesedauer: 5 min

Thomas Beigang
Der Anruf hatte es damals wahrlich in sich. Jost Reinhold, der sich immer wieder als aktiver Leser des Nordkurier und besonders dessen Müritz–Lokalteils outete ("Meine tägliche Verbindung zur alten Heimat") rief am Karfreitag-Abend vor zehn Jahren aus seiner Schweizer Heimat beim Autor dieser Zeilen an. Er wolle, so der einst erfolgreiche Unternehmer, 60.000 Euro überweisen. Ihn hätten, so der damals 84–Jährige, die Beiträge über die drohende Schließung der sozialen Tagesstätte „Lichtblick“ in Waren so angerührt, dass er gar nicht anders könne, als zu helfen.
60.000 Euro und ein Redakteur als Mittelsmann
60.000 Euro – das waren Miete und Betriebskosten für zwei lange Jahre. Und damit alles schnell und unbürokratisch über die Bühne gehe, wollte er die Kontodaten des Nordkurier–Mannes wissen, das Geld werde dann dorthin überwiesen. Der sollte es dann weiterleiten. Natürlich hat der Redakteur damals aber gebeten, lieber gleich das Spendengeld an den zuständigen Diakonieverein zu überweisen. Für die lege er nämlich seine Hand ins Feuer. So geschah es dann auch.
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Jost Reinhold, der Mäzen und Gönner, feiert am Dienstag seinen 94. Geburtstag. In Groß Flotow nordwestlich von Penzlin geboren, wechselte er mit zehn Jahren er auf das Gymnasium in Neubrandenburg, sein Abitur legte Reinhold im Jahr 1948 am Carolinum in Neustrelitz ab. Anschließend erhielt er eine Ausbildung im Forstamt Speck, ergriff jedoch nicht den Beruf eines Försters. Stattdessen siedelte Reinhold 1949 nach Italien um, wo er an der Universität Luigi Bocconi in Mailand studierte. 1962 gründete er dann dort eine eigene Firma, die Autoteile entwickelte und verkaufte und baute sie zu einer international tätigen Unternehmensgruppe aus. Nach der Wende 1989 verkaufte er die gut gehende Autozuliefererkette und 1992 gründete er die Jost–Reinhold–Stiftung.

Ehrenbürger vieler Kommunen in der Seenplatte
Seither unterstützte er bei bisher bei hunderten sozialen und kulturellen Projekten. Die Tätigkeit der Stiftung erstreckt sich vorrangig über den nordöstlichen Teil des ehemaligen Müritz–Kreises im Raum Ankershagen, Groß Gievitz und Penzlin sowie im und angrenzend an den Müritz–Nationalpark in Waren, Neustrelitz und Neubrandenburg. Die Kreismusikschule in Waren sehe ohne ihn anders aus und das Müritzeum würde es vielleicht gar nicht geben ohne seine Zwei–Millionen–Spende. 2017 wurde über den Kronen der Ivenacker Eichen in seiner Anwesenheit der Baumwipfelpfad eröffnet. Obgleich von der EU gefördert, hätte dieser Pfad ohne ihn nicht entstehen können.
Wir müssen den uns nachfolgenden Generationen die Welt ein wenig besser übergeben, als wir sie übernommen haben.
Das Stiftungskapital beträgt sechs Millionen Euro, seit 1993 sind bis einschließlich des Jahres 2021 knapp 8,2 Millionen Euro in Projekte der Region geflossen, so Bettina Paetsch aus dem Vorstand der Stiftung. Die ehemalige Landrätin des Müritzkreises zeigt sich voller Bewunderung für den Mann, der das alles möglich macht. „Einen sehr großzügigen Menschen“ nennt die Warenerin Jost Reinhold, der erst vor drei Wochen wieder in Ankershagen weilte und den sie dort traf. Der sei, so hieß es, noch bei guter Gesundheit.

Dort wurde der 94–Jährige längst zum Ehrenbürger berufen, darüber hinaus zeigten sich auch Penzlin, Waren, Groß Flozow und Ivenack dankbar und erhoben Jost Reinhold zum Ehrenbürger ihrer Kommunen. Wohl niemand weit und breit darf sich mit mehr Ehrenbürger–Würden schmücken als der Mann aus der Schweiz.
Beispielloses Kompetenzgerangel um zwei Millionen Euro
Zehn Jahre nach der Jahrtausendwende, zum „Tag der Deutschen Einheit“ 2010 überraschte der Mäzen selbst seine engsten Begleiter, als er mal eben so zwei Millionen Euro „auf den Tisch legte“. Für die Jugend in und um Waren sollte das Geld verwendet werden, eine Hälfte erhielt die Stadt Waren, die andere der damals noch existierende Landkreis Müritz. Einen Haken hatte die Angelegenheit allerdings von Beginn an. Nach dem Willen des Spenders sollten Landkreis und Stadt gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Darin lag das Problem. Viel Papier wurde beschrieben, Konzepte geprüft und wieder verworfen, die Rede war unter anderem von einer Stätte mit Hostel und Diskothek, Grundstücke sind in Augenschein genommen worden, hitzige Debatten wechselten einander ab. Bis im Januar 2012, als je eine Million Euro schon 16 Monate lang auf den Konten der Stadt und des Kreises schmorten, dem Mäzen der Geduldsfaden riss.
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Des ständigen Kompetenzgerangels und des Stillstands überdrüssig forderte Jost Reinhold in einer bis dahin beispiellosen Aktion sein Geld zurück. „Es bleibt mir keine andere Wahl“, schrieb Reinhold seinerzeit in einem Brief, der umgehend auch dem Nordkurier zugespielt wurde, „als Sie zu bitten, die Beträge an mich zurückzusenden“. Mindestens so hoch wie die Blamage an der Müritz war die Schadenfreude anderer. Umgehend meldeten sich Bürgermeister anderer Kommunen, die, so die Statements, der Gelegenheiten viele besäßen, die Millionen in ihren Dörfern und Städten auszugeben. Der Blamage in Waren folgte die Wut an der Müritz. Schuldzuweisungen flogen hin und her, nach zähem Ringen entschloss sich die Stadtvertretung, wie später auch der Kreistag, zeitweilige Untersuchungsausschüsse ins Leben zu rufen. Am Ende funktionierte es dann doch mit dem Geld: Im Herbst 2014 wurde der Grundstein für das Jugendzentrum „Joo“ in Waren gelegt, das mittlerweile aus dem Leben der Stadt nicht mehr wegzudenken ist.

Die Welt ein wenig besser übergeben
So ist Reinhold am Ende auch hier einer seiner Lebensmaximen treu geblieben. Dem Nordkurier erklärte der in Groß Flotow geborene Mecklenburger seine Beweggründe für die großen Gaben mal so: „Wir müssen den uns nachfolgenden Generationen die Welt ein wenig besser übergeben, als wir sie übernommen haben.“